Transkript
BERICHT
Nagelmykosen und farbige Nägel
Behandlung von Nagelerkrankungen in der Praxis
Onychomykosen sind zwar harmlos, aber nicht immer einfach zu behandeln. Das grösste Problem der Onychomykosetherapie ist die hohe Rezidivrate, weil sich keine Immunität ausbildet. Im Nagel vorhandene Pilzsporen stellen das mikrobiologische Substrat für Rezidive dar. Zu jeder Onychomykosetherapie gehöre deshalb der Versuch, die Pilzsporen zu bekämpfen, betonte Prof. Dr. Hans-Jürgen Tietz, Institut für Pilzkrankheiten und Mikrobiologie, Berlin, an der 24. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München. Was hinter gelben, grünen oder weissen Nägeln steckt, darüber berichtete Prof. Dr. Dietrich Abeck, Dermatologie-Praxis, München.
Die Onychomykose ist zur eigentlichen Volkskrankheit geworden, mit der aktuell fast ein Fünftel der Bevölkerung konfrontiert ist. Ganze Familien aller sozialen Schichten sind davon betroffen, von den Grosseltern bis zum Enkel oder der Enkelin, wobei Onychomykosen bereits bei vierjährigen Kindern vorkommen. Rund 80 Prozent der Betroffenen wenden sich mit Nagelpilz an die Apotheke, wo aber nur sehr eingeschränkte diagnostische Möglichkeiten vorhanden sind. Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Nagelerkrankungen seien Sache der Ärzte – und nicht immer auf den ersten Blick erledigt, betonte Prof. Tietz. Obschon die Therapie langwierig ist, sind die Heilungschancen bei adäquater Therapie ausgezeichnet. «Jede Nagelmykose ist heilbar», lautet das Credo des Referenten. Bei Erwachsenen
Abbildung 1: Onychomykose (Foto: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann)
dauert die Behandlung von Mykosen der Fussnägel ein Jahr, bei Kindern kann die Heilung mit der halben Behandlungsdauer erreicht werden.
Drei Therapieschritte bei Nagelmykosen
Bei verdickten Nägeln beginnt die Behandlung damit, dass Patienten in Eigenregie das befallene Nagelmaterial mit Harnstoff 40 Prozent abtragen. Der nicht vom Pilz betroffene Nagelanteil bleibt dabei unantastbar stehen. Wenn diese elegante «Methode Dr. Harnstoff» nicht funktioniere, stimme die Diagnose Onychomykose nicht, so der Referent. Der wichtigste Schritt ist danach die antimykotische Lokalbehandlung, die immer notwendig ist. Da die Pilzsporen das Substrat des Rezidivs darstellen, sollte die Lokaltherapie nicht nur fungizid, sondern auch sporozid wirksam sein. Mit Ciclopirox in wasserlöslicher Lackform (Ciclopoli®, enthält überdies das Transportmittel Hydroxypropylchitosan) könne die Rezidivrate halbiert werden, berichtete Prof. Tietz. Ciclopirox ist ein fungistatisch-fungizides Antimykotikum mit sporozider Wirksamkeit. Wenn ein Patient nach erfolgreich abgeschlossener Nagelpilztherapie Verdacht auf ein Rezidiv schöpft, sollte er die Lokaltherapie wiederholen. Auch in Schuhen kommen Pilzsporen vor und überleben sogar bis zu sechs Monaten. Eine sporozid wirksame Schuhdesinfektion trägt zur Rezidiprophylaxe bei. In Deutschland ist in Apotheken ein von Prof. Tietz getesteter, alkoholfreier, sporozid wirksamer Schuhdesinfektionsspray erhältlich (CalCifu). Die zusätzliche systemische Behandlung unterstützt als dritter Schritt die Lokaltherapie von innen her.
30 SZD 5/2014
Nagelmykosen und farbige Nägel
Abbildung 2: Grüne Nägel bei Nagelinfektion mit Pseudomonas aeruginosa (Foto: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann)
Erforderlich ist diese Unterstützung nur, wenn mehr als drei Nägel betroffen sind oder wenn bei einzelnen Nägeln mehr als die Hälfte befallen ist. Vor einer systemischen Therapie sollte der Erreger bestimmt werden. Neben dem häufigsten Erreger Trichophyton rubrum kommen bei Kindern auch zoophile Erreger vor (z.B. Microsporum canis, Trichophyton mentagrophytes). Die systemische Therapie habe sich stark gewandelt, so der Referent. Nach einer kurzen Anflutphase mit täglicher Einnahme des Antimykotikums wird bei der modernen Onychomykosetherapie im Anschluss an eine einwöchige Pause nur noch mit einer Dosis pro Woche behandelt. Bei Kindern empfahl Prof. Tietz speziell die sehr gut verträgliche Behandlung mit Fluconazol (3-tägige Anflutphase, 1 Woche Pause, dann 1 altersadaptierte Dosis pro Woche), bei Senioren speziell die Therapie mit Terbinafin, dessen Interaktionspotenzial mit anderen Arzneimitteln minimal ist (Anflutphase abhängig vom klinischen Befallsgrad 5 bis 14 Tage, 1 Woche Pause, dann 1 Dosis von 250 mg pro Woche). Bei lediglich einer Dosis pro Woche handle es sich um eine sehr sanfte Therapie, so der Referent. Er empfahl, unter Beibehaltung der topischen Therapie bis zum kompletten klinischen Heilerfolg zu behandeln.
Gelbe, grüne und weisse Nägel
Nagelsyndrome gebe es zu den Farben Gelb, Grün und Weiss, berichtete Prof. Abeck. Wenn bei gelben Nägeln eine Onychomykose ausgeschlossen wurde und die Trias von verdickten gelben Nägeln, Lymphödem und manchmal respiratorischen Symptomen (z.B. Pleuraerguss, Bronchiektasen, Bronchitis, Sinusitis) besteht, handelt es sich um ein Yellow-Nail-Syndrom. Dieses Syndrom kommt bei Erwachsenen und selten auch bei Kindern vor, wobei im Kindesalter
manchmal nur gelbe Nägel ohne weitere, assoziierte Befunde auffallen. Die Verdickung und die Gelbverfärbung der Nägel beruht auf anatomischen oder funktionellen Abnormitäten der Lymphgefässe des Nagelbetts (1). Grüne Nägel (Green-Nail-Syndrom) kommen in der Praxis wesentlich häufiger vor als das Yellow-NailSyndrom. Die grüne Farbe stammt meistens von Pseudomonas aeruginosa, dem verantwortlichen Infektionserreger. Fingernägel sind häufiger betroffen als Fussnägel (Abbildung 2). Meistens sind nur zwei Nägel oder nur ein einzelner Nagel infiziert. In einem publizierten Fallbericht aus dem Jahr 2008 handelte es sich um zwei Militärangehörige, bei denen sich Nägel an den feuchten Füssen grün verfärbten (2). Weil der Versuch einer oralen Antibiotikatherapie versagte, mussten die Nägel letztlich entfernt werden. Prof. Abeck empfahl, den betroffenen Nagel möglichst atraumatisch zu entfernen und das Nagelbett zweimal täglich mit einer Natriumhypochloritlösung 2 Prozent zu bürsten. Die Behandlung sei langwierig, denn bis die Nagelverfärbung verschwunden sei, daure es sechs Wochen, so der Referent. Wichtig ist der Ratschlag an die Patienten, die Füsse oder Hände trocken zu halten. Empfohlen werden zum Beispiel doppelte Handschuhe aus Baumwolle und Latex (3). Gemäss einer französischen Übersichtsarbeit gehören zum Syndrom der grünen Nägel (3): L Grünverfärbung der Nagelplatte (manchmal grün-
blau, grün-gelb, grün-braun, blau-schwarz) L chronische Paronychie L distal-laterale Onycholyse.
Pseudomonas-Spezies produzieren die beiden Pigmente Pyocyanin (blau-schwarz) und Fluoreszein (gelb-grün). Orale Behandlungen sind nutzlos, ausser
SZD 5/2014
31
Nagelmykosen und farbige Nägel
Abbildung 3: Onychoschisis – distale Aufsplitterung der Nagelplatte (Foto: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann)
wenn zusätzlich eine Onychomykose besteht (orales Antimykotikum) (3). Das White-Nail-Syndrom (totale Leukonychie) kann vererbt sein (autosomal-dominant oder autosomalrezessiv), kann mit anderen Symptomen assoziiert sein (z.B. Bart-Pumphrey-Syndrom) oder kann isoliert vorkommen. Prof. Abeck berichtete über einen gesunden 13-jährigen Jugendlichen, der als Basketballspieler aktiv war und bei dem sich alle Fingernägel, aber nicht die Zehennägel, seit sechs Monaten zunehmend weiss verfärbt hatten. Der Zufall wollte es, dass fast gleichzeitig in «Pediatric Dermatology» ein fast identischer Fallbericht aus Ägypten publiziert wurde (4). Dabei handelte es sich um einen zwölfjährigen gesunden Jugendlichen mit erworbener,
idiopathischer Leukonychia totalis. Beim jungen
Ägypter hatten sich im Verlauf von zwei Jahren alle
Fingernägel allmählich weiss verfärbt. Die totale,
porzellanartige Weissverfärbung der Fingernägel
hatte sich in den folgenden sechs Jahren nicht mehr
verändert. Die idiopathische totale Leukonychie
ohne assoziierte Symptome ist harmlos, heilt aber
wahrscheinlich nicht ab und kann nicht behandelt
werden.
«Ja, übrigens: meine Nägel sind so brüchig» – das
fällt manchen Patienten noch ein, wenn die aus ande-
rem Anlass vereinbarte Konsultation bereits zu Ende
ist. 20 Prozent der Bevölkerung klagen über brüchige
Nägel (Onychorhexis, Onychoschisis, Abbildung 3).
Prof. Abeck empfahl eine Kombinationsbehandlung
mit dem Medizinprodukt Kloril P® Nagellack, in dem
alle Substanzen enthalten seien, die der Nagel brau-
che, zusammen mit Biotin (5 mg pro Tag peroral)
während mindestens dreier Monate.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Al Hawsawi K et al.: Yellow nail syndrome. Pediatr Dermatol
2010; 27: 675–676. 2. Cho SB et al.: Green nail syndrome associated with military
footwear. Clin Exp Dermatol 2008; 33: 791–793. 3. Maes M et al.: Le syndrome des ongles verts ou chloronychie.
Rev Med Liege 2002; 57: 233–235. 4. Bakry OA et al.: Idiopathic acquired true leukonychia totalis.
Pediatr Dermatol 2014; 31: 404–405.
Interessenkonflikte: Die beiden referierten Vorträge wurden unterstützt von Taurus Pharma GmbH, Bad Homburg, Deutschland.
32 SZD 5/2014