Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Atopische Dermatitis
Aktuelle Aspekte der Pathogenese und der Therapie
Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der atopischen Dermatitis eröffnen neue Wege für die Therapie. Derzeit werden mehrere Biologika zur Behandlung der atopischen Dermatitis getestet, wobei insbesondere gezielte medikamentöse Eingriffe bei Interleukin 4 und Interleukin 13 vielversprechend sind. Über aktuelle Aspekte der Pathogenese und der Therapie der atopischen Dermatitis sprachen zwei Experten aus Deutschland und der Schweiz am Kongress 2014 der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI).
Die Pathogenese der atopischen Dermatitis ist sehr komplex. Nicht nur die dermatologische Komponente (Barrierestörung der trockenen Haut) spielt eine wichtige Rolle, sondern auch die immunologische Komponente (Allergie mit Th2-Erkrankung) und überdies die infektiologische Komponente (Mikrobiom der Haut). Von den Mikroben auf der Haut gehen die initialen Signale aus, welche im angeborenen Immunsystem die «pathogen recognition receptors» (z.B. Toll-like-Rezeptoren) der dendritischen Zellen aktivieren. Mit allen gesammelten Signalinformationen erreichen die dendritischen Zellen die Lymphknoten und lösen dort eine T-Zell-Antwort aus oder sorgen durch Toleranz gegenüber Umweltantigenen für die Aufrechterhaltung der Homöostase, so Prof. Dr. Tilo Biedermann, Universitäts-Hautklinik Tübingen.
Bakterien therapeutisch einsetzbar Es scheint möglich zu sein, diese durch bakterielle Signale ausgelöste Toleranzinduktion therapeutisch zu nutzen. Wenn das Lysat des apathogenen, gramnegativen Bakteriums Vitreoscilla filiformis direkt auf die Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis appliziert wird, kann die Hautentzündung reduziert werden. Das wurde in einer prospektiven, randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie gezeigt (1). Nach 29 Tagen war der Effekt sogar noch stärker ausgeprägt als kurz nach der Behandlung, so der Referent. Um den Mechanismus dieser erstaunlichen Wirkung zu untersuchen, wurden In-vitro-Studien und Tierversuche mit Mäusen durchgeführt (2). Die Detektion des Bakterienlysats durch das angeborene Immunsystem bewirkte eine Aktivierung des Toll-like-Rezeptors 2 (TLR2) und eine Induktion dendritischer Zellen mit stark hochregulierter Interleukin10-Produktion. Diese tolerogenen dendritischen Zellen induzierten regulatorische T-Zellen vom Typ 1 (Tr1). Apathogene Bakterien auf der Haut können also offenbar Toleranz und regulatorische, die T-Effektorzellen supprimierende Tr1-Zellen induzieren und dadurch eine Hemmung der Hautentzündung bewirken.
Interleukin 4 in der Dirigentenrolle Nach der Aktivierung dendritischer Zellen gelangen Th2-Zellen in die Haut und sind dort in den ersten 24 Stunden eines atopischen Dermatitisschubes die vorherrschenden Entzündungszellen. Interleukin 4 stellt das zentrale Zytokin dar, das die Immunreaktionen und die Entzündungsprozesse orchestriert. Nur wenn IL-4 vorhanden ist, geht die akute in eine persistierende Entzündung über, die nun nicht mehr nur durch Th2-Zellen, sondern auch durch Th1-Zellen dominiert wird. IL-4 amplifiziert also nicht nur die Th2-Zellen, sondern schafft auch die Voraussetzungen für die spätere Induktion von Th1-Zellen. Sobald ein akuter Entzündungsschub begonnen hat, wird die Haut mit Staphylococcus aureus kolonisiert. Bakterielle Bestandteile stellen potente Liganden für den TLR2 dar. In einer tierexperimentellen Studie wurde untersucht, wie sich TLR2-Liganden auf die Entwicklung der Entzündung im Mäusemodell der atopischen Dermatitis auswirken (3). Dabei konnte gezeigt werden, dass TLR2-Liganden die durch ein Allergen induzierte, transiente, akute Entzündung (Ohrschwellung bei Mäusen) amplifizieren und in eine persistierende Entzündung umwandeln. Wenn dendritische Zellen zugleich sowohl TLR2-Liganden als auch das Th2-Zytokin IL-4 detektieren, wird in der Haut das antiinflammatorische und immunsupprimierende IL-10 herunterreguliert. In der Folge kommt es zur Exazerbation und Persistenz der atopischen Dermatitis. Diese neuen pathogenetischen Erkenntnisse machen Therapien mit Biologika, die sich gegen IL-4 richten, attraktiv.
Aktuelle Behandlungstipps Abhängig vom Schweregrad erfolgt die Behandlung der atopischen Dermatitis stufenweise. In sehr leichten Fällen ist eine Basistherapie mit Emollienzien ausreichend. Damit kann die Funktionsstörung der Hautbarriere ausgeglichen werden. Die Patienten sollten dazu aufgefordert werden, Emollienzien (z.B. Excipial®U Lipolotio, Excipial®U Hydrolotio, Pruri-med® Lipolotion, Pruri-met® Hydrolotion) häufig und regel-
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Atopische Dermatitis
mässig zu verwenden. Diese Basistherapie ist nicht nur bei leichtem atopischem Ekzem, sondern bei allen Schweregraden wichtig. Baden schade der Haut nicht, wenn direkt anschliessend Emollienzien verwendet würden und wenn deren Applikation nach Ablauf von 30 bis 50 Minuten wiederholt werde, berichtete Prof. Dr. Peter Schmid-Grendelmeier, Leiter der Allergiestation, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich. Wenn Emollienzien allein nicht ausreichen, können topische Kortikosteroide oder topische Calcineurininhibitoren und in sehr schweren Fällen systemische Medikamente (z.B. Ciclosporin A) eingesetzt werden. «Wir wären froh, auch Biologika für die Behandlung der atopischen Dermatitis zur Verfügung zu haben», so Prof. Schmid-Grendelmeier. Topische Kortikosteroide werden in der Regel einmal täglich verwendet. Bei häufigerer Anwendung nehmen die Nebenwirkungen mehr zu als die erwünschten Wirkungen. Der Calcineurininhibitor Pimecrolimus beeinflusst T-Zellen, Mastzellen und Basophile, Tacrolimus zusätzlich auch antigenpräsentierende Langerhanszellen. Pimecrolimus steht als 1-prozentige Creme (Elidel®) und Tacrolimus als 3-prozentige Salbe (Protopic®) zur Verfügung. Zu Beginn der Behandlung mit topischen Calcineurininhibitoren berichten Patienten häufig über Brennen als Nebenwirkung. Hilfreich könnte es sein, die Creme oder die Salbe in gekühlter Form (Kühlschrank) anzuwenden, so der Referent. Bei Verwendung von topischem Tacrolimus wird eine Unverträglichkeit von Alkohol beobachtet (z.B. Rötung der Gesichtshaut oder Hautreizungen nach Alkoholgenuss). Systemische Nebenwirkungen kommen mit topischem Tacrolimus, nicht aber mit topischem Pimecrolimus vor. Beide Calcineurininhibitoren sind bisher von Swissmedic im Kindesalter erst ab 2 Jahren zugelassen.
Biologikum für die Therapie der atopischen Dermatitis
Rasche und deutliche Besserung mit Dupilumab
Der voll humane monoklonale Antikörper Dupilumab, der Interleukin 4 und 13 blockiert, hat sich bei Patienten mit Asthma als therapeutisch wirksam erwiesen. Jetzt wurden auch bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis klinische Studien durchgeführt. Mit Dupilumab besserte sich die Krankheitsaktivität rasch und deutlich.
L Bei rund 20 Prozent der Patienten mit atopischer Dermatitis ist die Krankheitsaktivität mittelschwer bis schwer ausgeprägt, wobei topische Medikamente oft ungenügend wirksam sind. Biologika könnten für diese Patienten wesentliche Fortschritte bei der systemischen Therapie bringen.
L Im Rahmen von 4 randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien wurden Patienten, die ungenügend auf topische Glukokortikoide und Calcineurininhibitoren angesprochen hatten, entweder mit Dupilumab als Monotherapie (2 Studien von 4 Wochen Dauer und eine 12-wöchige Studie) oder während 4 Wochen mit einer Kombination von Dupilumab und topischen Glukokortikoiden behandelt (5). Die Studien wurden von den Firmen Regeneron Pharmaceuticals und Sanofi finanziert.
L In beiden 4-wöchigen Monotherapiestudien bewirkte Dupilumab rasch und dosisabhängig klinische Besserungen. In der 12-wöchigen Monotherapiestudie erreichten signifikant mehr Patienten in der Dupilumabgruppe (85 Prozent) als in der Plazebogruppe (35 Prozent) eine 50-prozentige Reduktion des EASI-Scores (Eczema Area and Severity Index). Bei 40 Prozent der Patienten brachte Dupilumab die Hautläsionen ganz oder fast ganz zum Verschwinden (Plazebogruppe: 7%, Unterschied signifikant). Der Pruritusscore nahm in der Dupilumabgruppe signifikant stärker ab (um 55,7 Prozent) als in der Plazebogruppe (um 15,1%).
L Im Rahmen der Kombinationsstudie (topische Glukokortikoide und subkutane Dupilumabinjektionen in wöchentlichen Abständen) nahm der EASI-Score bei allen Patienten der Dupilumabgruppe um 50 Prozent ab (EASI-50), in der Vergleichsgruppe mit topischen Glukokortikoiden und Plazeboinjektionen dagegen nur bei der Hälfte der Patienten (Unterschied statistisch signifikant).
L In den 4 Studien kamen als Nebenwirkungen Nasopharyngitis und Kopf-
schmerzen unter Dupilumab häufiger vor als unter Plazebo. Dass Hautinfek-
tionen beim Einsatz von Dupilumab seltener festgestellt wurden als mit
Plazebo, könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Biologikum die Haut-
barrierefunktion bessert.
AL
Pimecrolimus auch vor dem 2. Geburtstag einsetzbar Im Rahmen der 5 Jahre dauernden, multizentrischen, offenen, randomisierten Petite-Studie wurden jetzt 1205 Kinder im Alter von 3 bis 12 Monaten, die an leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis erkrankt waren, mit Emollienzien und zusätzlich mit Pimecrolimus 1-prozentiger Creme (Elidel®) behandelt (4). In randomisierter Weise wurden weitere 1213 Kinder mit Emollienzien und einem topischen Kortikosteroid behandelt (entweder mit Hydrocortisonacetat als schwachem oder mit Fluticasonpropionat als mittelstarkem Steroid). Nicht nur bei Kurzzeitanwendung, sondern auch während der 5-jährigen Langzeitanwendung, jeweils bei ersten Anzeichen von Pruritus und Ekzem eingesetzt, erwies sich Pimecrolimus als ebenso gut wirksam wie topische Kortikosteroide. Sicherheitsbedenken konnten durch die Studie ausgeräumt werden. Die Studienresultate
sind für die Praxis sehr nützlich, weil sie nachweisen,
dass Pimecrolimus auch bei Säuglingen ab 3 Mona-
ten und bei Kleinkindern erfolgreich, risikoarm und
langfristig einsetzbar ist.
L
Alfred Lienhard
Referenzen:
1. Gueniche A et al.: Effects of nonpathogenic gram-negative bacterium Vitreoscilla filiformis lysate on atopic dermatitis: a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical study. Br J Dermatol 2008; 159: 1357–1363.
2. Volz T et al.: Nonpathogenic bacteria alleviating atopic dermatitis inflammation induce IL-10-producing dendritic cells and regulatory Tr1 cells. Journal of Investigative Dermatology 2014; 134: 96–104.
3. Kaesler S et al.: Toll-like receptor 2 ligands promote chronic atopic dermatitis through IL-4-mediated suppression of IL-10. J Allergy Clin Immunol 2014; 134: 92–99.
4. Luger T: The Petite study: A breakthrough study in AD management. Präsentation anlässlich des 12. World Congress of Pediatric Dermatology 2013 in Madrid.
5. Beck LA et al.: Dupilumab treatment in adults with moderate-tosevere atopic dermatitis. N Engl J Med 2014; 371: 130–139.
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