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FORTBILDUNG
Behandlung der Varikose: Operation und Alternativen
Die Operation gilt immer noch als Goldstandard bei der Therapie von Varizen. Aber es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Alternativen, die individuell mit dem Patienten besprochen und auf seine besondere Situation massgeschneidert werden sollten. Ausser dem Therapieerfolg sind dabei auch Risiken und Rezidivraten zu berücksichtigen.
Guido Bruning, Stefania Aglaia Gerontopoulou
Seit etwa 15 Jahren spriessen immer neue Therapieoptionen in der Behandlung der Varikose als Alternative zur Operation hervor. Alle versprechen weniger invasiv zu sein bei mindestens gleichem Erfolg. In der Regel handelt es sich um Medizinprodukte, die als solche von diversen Firmen vermarktet werden. Die Bilanz lässt sich erst nach Jahren ziehen, da gross angelegte Studien vor Markteinführung, wie bei Medikamenten gefordert, fehlen. Viele dieser Verfahren haben grosse Erfolge und sind zum Teil in Leitlinien bereits präferiert. Hierbei muss man aber unbedingt die jeweilige Vergütungsstruktur des Landes berücksichtigen, aus dem die Leitlinie kommt, und die Evidenz hinter den Empfehlungen kritisch hinterfragen (5, 7, 15, 25).
Nichtthermische Verfahren
Moderne Varizenoperation Die Operation gilt immer noch, auf jeden Fall in Deutschland und auch in der Schweiz, als Goldstandard. Mit moderner Technik (nicht resorbierbares Nahtmaterial an der tiefen Vene, Verschluss oder Koagulation des freiliegenden Stumpfendothels, tiefe Barrierenaht, Stripping nur bis zum unteren Insuffizienzpunkt) führt sie zu ausgesprochen geringen Rezidivquoten in der Leiste (< 5% nach 5 bis 10 Jahren) (16). Die Patientenzufriedenheit, insbesondere bei Durchführung mit Tumeszenzlokalanästhesie und Seitenastexhairese in mikrochirurgischer Technik mit dem Phlebektomiehäkchen, ist sehr
MERKSÄTZE
� Die Patientenzufriedenheit bei der modernen Varizenoperation ist sehr hoch, die Rezidivrate niedrig.
� Man unterscheidet thermische Verfahren (z. B. Laser) von nicht thermischen (z. B. Schaumsklerosierung).
� Jeder Patient muss individuell beraten werden.
hoch und in kontrollierten Studien durch kein Alternativverfahren übertroffen (9, 10, 24). Ob dieser Eingriff ambulant erfolgen kann, wie im entsprechenden Katalog gefordert, ist abhängig von vielen Faktoren (8).
Schaumsklerosierung Die Sklerosierung ist seit Langem ein Standardverfahren in der Phlebologie. Sie hat durch die Zulassung als Polidocanolschaum eine erhebliche Wirkungsverstärkung und durch die Kombination mit der Duplexsonographie eine Renaissance erfahren (22). Sie ist Therapie der Wahl bei der Sklerosierung von Besenreisern in flüssiger Form und geschäumter Variante (2). Bei der Behandlung von Varizen um Ulzera herum und bei der Behandlung von Leisten- oder Poplietalrezidiven mit nur kleinem Anschluss (Neovaskularisation) ist sie eine hervorragende, komplikationsarme Option. Bei der Behandlung von Stammvenen ist die Wiedereröffnungsquote hoch (bis zu 80% nach 5 Jahren). Hier sollte sie nur bei dringendem Behandlungsbedarf und Wegfall von Alternativen zum Einsatz kommen (12).
Mechanochemische Ablation Die mechanochemische Ablation (MOCA) ist eine Abwandlung der Schaumsklerosierung. Hierbei wird das Sklerosierungsmittel über einen Katheter mit rotierender Spitze appliziert. Die Datenlage ist dünn (4). Die zugelassenen Grenzwerte für die Applikation von Polidocanol (2 mg/kg Körpergewicht) reichen für die Behandlung der V. saphena magna oft nicht aus. Für die Behandlung der V. saphena parva wird diese Therapie dagegen häufig in Betracht gezogen (13).
Endovenöse Cyanoacrylatverklebung Hierbei wird über einen per Ultraschall platzierten Katheter eine Cyanoacrylatvariante punktuell in die Stammvene appliziert und diese verklebt. Eine Anästhesie ist hierfür nicht erforderlich, was diese Therapie für viele Behandler attraktiv macht. Die Datenlage ist auch hier dünn (14). Der Kleber ist
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nicht resorbierbar und stellt ein dauerhaftes Implantat dar. Einzelfallberichte über allergische Reaktionen und Vordringen des Klebers in die tiefe Vene sind beschrieben (19).
Thermische Verfahren
Endovenöse Lasertherapie Zur endovenösen Lasertherapie besteht mittlerweile eine gute Datenlage. Sie gilt bei guten Erfolgsraten und geringen Komplikationsraten als sicher. Es sollten längere Wellenlängen mit zirkumferent abstrahlenden Lichtleitern verwendet werden (18). Die perioperative Morbidität, Mortalität und Lebensqualität sind in Studien denen bei der modernen Varizenchirurgie ebenbürtig. Die Behandlung erfolgt in der Regel in Tumeszenzlokalanästhesie (TLA), oft kombiniert mit einer Analgosedierung. Bei der Behandlung der V. saphena parva wird bei allen thermischen Verfahren immer das Nervenverletzungsrisiko diskutiert. Dies ist hier aufgrund der räumlichen Nähe zum N. suralis und zu den motorischen Nerven in der Kniekehle sicher erhöht (6). Das Risiko von Rezidiven aus der Leiste ist im Vergleich zur Operation deutlich erhöht. Diese treten jedoch in der Regel erst nach einer Karenz von mehr als 5 Jahren auf (20, 21).
Endovenöse Radiofrequenzablation Die endovenöse Radiofrequenzablation wird häufig angewendet. Die vorhandenen Daten zeigen ein identisches Bild wie bei der endovenösen Lasertherapie. Allerdings ist die Datenlage erheblich schlechter. Die perioperativen Risiken, insbesondere die Ausbildung eines endovenös-hitzeinduzierten Thrombus (EHIT), scheinen erhöht (11). Sowohl bei der Lasertherapie als auch bei der Radiofrequenzablation sollen die vorhandenen Seitenäste direkt mitbehandelt werden (15). Von vielen Anwendern wird ein spontanes Verschwinden der sichtbaren Varizen im Verlauf nach der Behandlung postuliert und abgewartet. Wie oft dies zu einer weiteren, von den Patienten oft nicht gewollten Behandlung führt, ist unklar.
Konservative Therapie
Kompressionstherapie Die Kompressionstherapie ist die Basistherapie bei der Behandlung der Varikose (15, 23). Ein Unterschenkelkompressionsstrumpf (A–D) ist hier in der Regel ausreichend. Wichtig ist immer, eine Therapie zu wählen, die der Patient auch durchführt. In der Schublade ist der Kompressionsstrumpf nicht wirksam. Neue Studien zeigen, dass auch der Kompressionsstrumpf der Klasse I ähnlich dem der KKL II wirksam ist (3). Auch für die Therapie von venösen Ulzera sind zweiteilige Strumpfsysteme einer Bandagierung überlegen (1, 17).
Auswahl der optimalen Behandlungsoption für den Patienten
Die optimale Therapie muss immer im Einzelfall anhand des Befunds und unter Einbeziehung der Erstattungssituation des Patienten getroffen werden. Behandlungsindikation ist ein Reflux mit Varizen oder zumindest nachvollziehbaren, auf den Reflux zurückführbaren Beschwerden (Schwellung, Schmerz). Ein alleiniger Reflux ist keine Therapieindikation. Die Diagnostik kann hier mit einem Handdoppler auch in der Allgemeinarztpraxis orientierend, einfach und kostengünstig erfolgen.
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Abbildungen 1 und 2: «Choose wisely»: In Abbildung 1 (links) zeigt sich eine Vena-saphena-magna(VSM)-Insuffizienz IV. Grades nach Hach in einer Maximalausprägung, wohingegen in Abbildung 2 (rechts) eine VSM-Insuffizienz III. Grades nach Hach beidseits zu sehen ist. Hier wird klar, dass jeder Befund einer individuellen Therapieplanung bedarf, um ein optimales, anhaltend gutes Ergebnis für den Patienten zu erreichen (© Bruning)
Das Risiko eines Rezidivs nach einer Therapie mit endovenö-
sen Verfahren ist eng mit dem Durchmesser der V. saphena
magna gekoppelt. Gefässe über 10 mm profitieren wahr-
scheinlich dauerhafter von einer guten Operation. Auch die
primäre Insuffizienz der V. saphena accessoria anterior ist
eher mit einer Operation dauerhaft gut behandelt.
Natürlich müssen die im Umfeld vorhandenen Angebote
ebenso wie der Patientenwunsch in die Therapieentscheidung
einbezogen werden. In einer Einrichtung, die sowohl die mo-
derne Operation als auch die Sklerosierung und die endove-
nösen Verfahren anbietet, ist eine indikationsbezogene The-
rapieentscheidung am ehesten zu erwarten.
s
Dr. med. Guido Bruning Stefania Aglaia Gerontopoulou Krankenhaus Tabea GmbH & Co. KG Zentrum für Venen- und Dermatochirurgie D-22587 Hamburg
Interessenlage: Die Autoren haben keine Interessenkonflikte deklariert.
Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 5/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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