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Titel
Hausarztmedizin – Investitionen in die Förderung der Hausarztmedizin sind unumgänglich
Untertitel
Dr. med. Isabelle Fuss Hausarztpraxis MZ Brugg
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Datum
Autoren
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Rubrik
Rückblick 2023 / Ausblick 2024
Artikel-ID
77095
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RÜCKBLICK 2023 / AUSBLICK 2024

Hausarztmedizin
Dr. med. Isabelle Fuss
Hausarztpraxis MZ Brugg

Wurden 2023 in Ihrem Fachbereich Medikamente zugelassen, die die Therapie erheblich verbessern?
Die SGLT2(sodium-glucose linked transporter 2)-Hemmer
sind nicht neu, jedoch werden sie zunehmend auch bei Herz-
insuffizienz und Niereninsuffizienz eingesetzt.

Investitionen in die Förderung der Hausarztmedizin sind unumgänglich
Welche neuen Erkenntnisse des abgelaufenen Jahres in Ihrem Fachgebiet fanden Sie besonders spannend?
Ende 2022 bin ich dem Verein SOS Arbeitsplatz beigetreten und schreibe momentan meine Abschlussarbeit des MAS in Managed Health Care der ZHAW zu dem Thema. SOS Arbeitsplatz ist ein Verein, welcher bei Arbeitsproblemen wegen gesundheitlicher Einschränkungen sehr früh, schnell, ganzheitlich und effizient unterstützt und triagiert. Wie vielen Hausärzten und Hausärztinnen fällt es mir nicht schwer, bei objektivierbaren somatischen Erkrankungen ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis auszustellen und den Verlauf abzuschätzen. Sehr häufig (und zunehmend) spielen jedoch psychosoziale Faktoren mit eine Rolle, was die Komplexität erhöht. Wir kennen üblicherweise nur die Sicht von Patienten und Patientinnen, was zu Fehleinschätzungen führen kann. Wir können uns in die Situation hineinversetzen und entsprechen häufig dem Wunsch, ein Zeugnis auszustellen. Jedoch war mir nicht bewusst, dass ich mit der gut gemeinten Handlung im schlimmsten Fall meinen Patienten schaden kann. Vor allem bei Konflikten am Arbeitsplatz oder bei ängstlich-vermeidendem Verhalten von Patienten kann das Zeugnis zu weiteren Problemen führen. Arbeitgeber können die Krankschreibung eventuell nicht nachvollziehen, was den Konflikt am Arbeitsplatz verstärken kann. Es kann im schlimmsten Fall zu einem Stellenverlust kommen, was die psychische Situation verschlechtert. In Zukunft werde ich deshalb versuchen, genauer nachzufragen, was genau das Problem ist, und mich vermehrt auf praktische Aspekte konzentrieren. Dabei kann die Erhebung der Arbeitsbiografie helfen. Hier wird erfragt, welche Stellen mein Patient beziehungsweise meine Patientin hatte und wie gut oder schlecht es dort ging hinsichtlich Produktivität und Konflikten. Was könnten positive und negative Faktoren der einzelnen Stellen gewesen sein? Auch die Kommunikation (mit Einverständnis des Patienten/der Patientin) mit Arbeitgebern wäre empfehlenswert. Arbeitgeber können so besser planen, unter Berücksichtigung der Einschränkungen. Das gegenseitige Verständnis kann so zum Wohl aller Beteiligten gefördert werden. Patienten können – ihr Einverständnis vorausgesetzt – bei SOS Arbeitsplatz für ein kostenloses Gespräch angemeldet werden. Patientenname und Kontakt reichen für die Anmeldung an sos-arbeitsplatz@hin.ch.

Was hat Sie am meisten gefreut?
In allen Kantonen besteht ein grosses Interesse an der Weiterbildung zum Facharzt beziehungsweise zur Fachärztin Allgemeine Innere Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin in der Praxis, und zwar vonseiten der Ausbilder wie auch der Assistenzärzte und Assistenzärztinnen. Im Kanton Aargau wurde die Zahl der vom Kanton mitfinanzierten Stellen auf 35 pro Jahr erhöht. Ausserdem wurden Abwicklungsprozesse vereinfacht, und es wurde eine Umfrage finanziert. 4 neue Mentorenstellen wurden geschaffen. Hausärzte und Hausärztinnen beziehungsweise Kinderärzte und Kinderärztinnen machen Assistenzärzte und Assistenzärztinnen im Spital auf die Weiterbildung in der Haus- oder Kinderarztpraxis aufmerksam und begleiten die jungen Kollegen und Kolleginnen. Von ehemaligen Praxisassistenten und Praxisassistentinnen arbeiten später 80 Prozent als Haus- oder Kinderärzte, 40 Prozent bleiben in der Ausbildungspraxis.

Und was hat Sie am meisten geärgert?
Der TARMED ist alles andere als angemessen, und die Umstellung auf TARDOC und Pauschalen soll kostenneutral erfolgen. Der ambulante Bereich ist nicht lukrativ und wird im Spital mit dem stationären Bereich querfinanziert. Das alles passt nicht zur Strategie «ambulant vor stationär». Haus- und Kinderärzte sind das Rückgrat der medizinischen Versorgung, jedoch wird die Finanzierung des Praxisbetriebs zunehmend schwieriger. Die Löhne der angestellten Mitarbeitenden sowie die Kosten zur Erfüllung der Qualitätsanforderungen und für IT und anderes steigen, während der Umsatz gleich bleibt. Der Hausarztmangel verschärft sich weiter, und die Notfallstationen sind überlaufen. Medial wird momentan noch mehr über die Kosten der medizinischen Versorgung diskutiert. Dass diese Versorgung sehr gut ist, wird dabei häufig nicht erwähnt. Wenn wir weiterhin gute und bezahlbare Medizin möchten, sind Investitionen in die Förderung der Hausarztmedizin unumgänglich.

Was ist Ihre wichtigste «Message» für die

Kollegen in der Hausarztpraxis?

Sich für den Haus- oder Kinderarztberuf zu engagieren ist

nicht schwer. Mit einer Mitgliedschaft bei mfe Schweiz und

den kantonalen Hausarztvereinen wird das politische Engage-

ment der Vereine ermöglicht. Der Nutzen ist leider nicht für

jeden unmittelbar erkennbar. Wir können aber immer wieder

Erfolge erzielen wie zum Beispiel bei der Mitfinanzierung von

Weiterbildungsstellen in der Praxis, von Pilotprojekten zur

Förderung neuer Berufsbilder in der Hausarztpraxis sowie von

innovativen Hausarztpraxen. Deshalb bitte ich alle «Noch-

nicht-Mitglieder» beizutreten – und die Mitglieder um Wer-

bung für den Beitritt von Kollegen und Kolleginnen.

s

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