Transkript
ERNÄHRUNG BEI NIERENERKRANKUNG
Kalziumzufuhr bei Nierensteinleiden
ALEXANDRA SCHMID
Kalzium ist Hauptbestandteil der meisten Nierensteine. Trotzdem sollen Personen mit Nierensteinen kalziumreiche Lebensmittel wie Milchprodukte nicht meiden, sondern in ausreichender Menge konsumieren.
Die Prävalenz von Nierensteinen liegt in Industrieländern bei 4 bis 6 Prozent. Die Steine treten am häufigsten zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr auf, wobei Männer öfter betroffen sind als Frauen. Nierensteine finden sich in den Nierengängen oder den ableitenden Harnwegen und entstehen, wenn gewisse Substanzen in erhöhter Konzentration im Urin vorliegen und dadurch auskristallisieren. Die Mehrheit der Steine (rund 80%) besteht aus Kalziumoxalat, daneben gibt es Steine aus Kalziumphosphat, aus Struvit (Ammoniummagnesiumphosphat), aus Harnsäure und aus Zystin sowie Mischformen.
Ausreichende Kalziumzufuhr wichtig
Da der grösste Anteil der Nierensteine aus Kalziumverbindungen besteht, wurde in der Vergangenheit empfohlen, die Kalziumzufuhr einzuschränken. Grosse, prospektive Beobachtungsstudien haben jedoch gezeigt, dass eine hohe Kalziumaufnahme mit einem um 34 Prozent reduzierten Risiko für Nierensteine bei Männern einhergeht und das auch bei jungen Frauen der Fall ist (27% Risikoreduktion bei hoher Kalziumzufuhr). Das jedoch nur, wenn das Kalzium über Lebensmittel aufgenommen wurde – Kalziumsupplemente hatten keinen protektiven Effekt. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurde danach die Wirkung einer Ernährung mit viel oder wenig Kalzium überprüft. Über fünf Jahre hinweg ernährte sich die Hälfte von 120 Männern, welche erhöhte Kalziumspiegel im Urin (Hyperkalzurie) und wiederkehrende Nierensteine aufwiesen, mit einer kalziumarmen Diät (< 10 mmol Ca/Tag). Die andere Hälfte der Männer konsumierte eine Diät
mit normalen Kalziummengen (30 mmol Ca/Tag), aber reduzierten Mengen an tierischem Protein (52 g/Tag) und Salz (50 mmol NaCl/Tag). Nach 5 Jahren waren nur bei 12 der 60 Männer mit normaler Kalziumdiät wieder Nierensteine aufgetreten, jedoch bei 23 der 60 Männer mit kalziumarmer Diät. Seit ein paar Jahren wird deshalb Nierensteinpatienten geraten, neben einer grossen Flüssigkeitszufuhr (mind. 2 l/Tag), einer eingeschränkten Natriumzufuhr (< 2300 mg/Tag), einer Proteinzufuhr, welche die Menge von 0,8 bis 1,0 g/kg Körpergewicht nicht überschreitet, und einem eingeschränkten Konsum von oxalsäurehaltigen Lebensmitteln, auch die für Erwachsene empfohlenen Mengen an Kalzium (1000– 1200 mg/Tag) aufzunehmen. Vorzugsweise erfolgt die Kalziumaufnahme in Form von Lebensmitteln und nicht in Form von Supplementen.
Erklärung des positiven Effekts
Der protektive Effekt von Kalzium in Bezug auf Nierensteine wird darauf zurückgeführt, dass Kalzium im Darm mit Oxalsäure eine Verbindung eingeht, die nicht absorbiert werden kann. Dadurch geht vermehrt Oxalat über den Darm verloren und gelangt nicht ins Blut beziehungsweise in den Urin. Da Kalzium- und Oxalationen sich im Verhältnis 1:1 binden und die Oxalatkonzentration im Urin einiges geringer ist als die Kalziumkonzentration, ist Oxalat der limitierende Faktor in Bezug auf die Entstehung von Kalziumoxalat. Schon eine kleine Erhöhung oder eine kleine Reduktion der Oxalatkonzentration hat deshalb eine Auswirkung auf die Mengen an Kalziumoxalat im Urin. Ver-
mutlich liegt die im Vergleich zu Lebensmitteln schlechtere Wirkung von Kalziumsupplementen daran, dass sie meist nur einmal täglich und häufig zum Frühstück, einer eher oxalsäurearmen Mahlzeit, eingenommen werden. Dadurch gelangt das Kalzium nicht gleichzeitig mit der Oxalsäure in den Darm und kann deren Absorption nicht reduzieren.
Fazit
Auch wenn die meisten Nierensteine Kalziumverbindungen enthalten, ist das kein Grund, die Kalziumzufuhr einzuschränken. Neben anderen diätetischen Massnahmen ist bei erhöhtem Risiko für Nierensteine eine Kalziumzufuhr in der empfohlenen Menge wichtig. Die Kalziumaufnahme geschieht bevorzugt über Lebensmittel, wobei Milchprodukte aufgrund ihres hohen Kalziumgehalts im Vordergrund stehen.
Korrespondenzadresse: Alexandra Schmid Agroscope, Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM Schwarzenburgstrasse 161, 3003 Bern
Literatur bei der Autorin erhältlich.
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