Transkript
EDITORIAL
Die Prävalenz von Patienten mit Nierenerkrankungen steigt seit Jahren kontinuierlich an. In entwickelten Ländern leiden 10 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Nierenerkrankung. Die Ursachen sind die steigende Lebenserwartung, die Zunahme von Adipositas und Diabetes sowie die stetig wachsende Zahl von Dialysepatienten und Nierentransplantierten. Die Niereninsuffizienz verändert den Eiweiss-, den Kohlenhydrat- und den Fettstoffwechsel. Die Toxizität der Urämie hemmt den Appetit, beeinflusst den Stoffwechsel und führt zu einer chronischen Entzündungsreaktion mit ausgeprägtem Katabolismus. Diese Phänomene werden als Protein-Energy-Wasting (PEW) zusammengefasst. Die eingeschränkte Ausscheidung von Säuren, Elektrolyten und Flüssigkeit bei Nierenkranken ist schon seit Jahren ein wichtiges Thema in der Ernährungsmedizin; das gilt inzwischen auch für den Kalzium-, den Phosphat- und den Vitamin-D-Stoffwechsel, der vermehrt im Fokus der klinischen Forschung steht. Bei sämtlichen klinischen Manifestationen, wie dem akuten Nierenversagen, der chronischen Niereninsuffizienz, der Nierenersatztherapie mit Hämo- oder Peritonealdialyse sowie der Nierentransplantation, spielt die Ernährung eine zentrale Rolle. Bei allen Nierenerkrankungsformen muss also das Thema Ernährung mit den Patienten jeweils ausführlich besprochen und diskutiert werden. In den folgenden Beiträgen werden die verschiedenen klinischen Aspekte der Ernährung bei Nierenerkrankungen vorgestellt: Im ersten Beitrag werden die wesentlichen Aspekte der Ernährung bei progredienter Niereninsuffizienz anhand der pathophysiologischen Grundlagen dargelegt. Wert gelegt wird dabei besonders auf die sorgfältige, regelmässige Erfassung des Ernährungsstatus, da sich daraus zielgerichtete Ernährungsmassnahmen ableiten lassen. Oberstes Ziel ist es, den guten Ernährungsstatus des Patienten zu erhalten und allfällige Komplikationen zu verhindern. Im Beitrag zur Ernährung von Hämo- und Peritonealdialysepatienten von Frau Dr. med. Ineke Grendelmeier wird besonderes Gewicht auf die qualitative Fehlernährung und die quantitative Mangelernährung gelegt. Wie erfahrene Kliniker wissen, haben Dialysepatienten, die kaum noch essen, die «besten» Laborwerte. Deshalb müssen auch hier der Ernährungsstatus und die physische Leistungsfähigkeit dieser
Patienten systematisch erfasst und longitudinal ausgewertet werden. Aus diesen Parametern können die notwendigen und sinnvollen Massnahmen in die Wege geleitet werden, damit ernsthafte Folgeschäden verhindert werden und die Lebensqualität chronischer Dialysepatienten möglichst erhalten bleibt. In seinem Beitrag zur Ernährung nach Nierentransplantation – ein leider oft vernachlässigtes Thema – geht Dr. med. Michael Girsberger auf die klinischen Besonderheiten bei den betroffenen Patienten ein. Neben den Interaktionen zwischen gewissen Nahrungsmitteln und den Immunsuppressiva wird das Hauptgewicht auf die Problematik der Gewichtszunahme und den sogenannten Posttransplantationsdiabetes gelegt. Diese besondere Form des Diabetes mellitus wird massgeblich durch die immunsuppressive Therapie mit Calcineurininhibitoren und Kortikosteroiden verursacht. In der Betreuung Nierentransplantierter stellt dieses Problem eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten dar. Durch gezielte therapeutische Massnahmen lassen sich das Transplantatüberleben und damit die Lebensqualität dieser Patienten massgeblich verbessern.
Ich hoffe, dass Ihr Interesse geweckt wurde und Sie dadurch motiviert sind, die Beiträge zu diesem wichtigen Thema «Ernährung bei Nierenerkrankungen» zu lesen. Sicherlich werden einzelne Aspekte Ihren Alltag bei der Betreuung dieser Patienten positiv beeinflussen. Und ganz gewiss werden Ihre Patienten davon profitieren.
Dr. med. Denes Kiss FMH für Innere Medizin und Nephrologie
Leitender Arzt für Nephrologie Med. Universitätsklinik, Kantonsspital
4410 Liestal
1 3/14