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LIFESTYLE
Gummi arabicum E414
Bild: www.kau.edu.sa
HEIDI ROHDE GERMANN
In meiner Kinder- und Jugendzeit stand ein braunes Fläschchen mit einem am Deckel fixierten Pinsel bei den Bastelsachen. Es war Gummi arabicum, eine trübe, dickflüssige, klebrige Flüssigkeit, die wir als Leim verwendeten.
Der Titel dieses Artikels weist schon darauf hin: eine E-Nummer in Verbindung mit einer Substanz bedeutet, dass diese auch in Lebensmitteln enthalten sein kann. Sie kommt in Esswaren natürlicherweise nicht vor, darf ihnen aber zugesetzt werden, um sie schmackhafter, ansehnlicher oder haltbarer zu machen. Solche Lebensmittelzusatzstoffe werden Nahrungsmitteln vor allem als Emulgatoren, Verdickungsmittel, Konservierungsmittel, Stabilisatoren, Süssstoffe, Geschmacksverstärker und Farbstoffe zugefügt. Gummi arabicum gehört in die Gruppe der Gelier- und Verdickungsmittel. Gummi arabicum wird aus dem Harz des Stamms und der grossen Äste vornehmlich zweier Akaziensorten gewonnen, die vor allem im Sudan wachsen. Diese Bäume können bis zu zehn Meter hoch werden und tragen gelbe Blüten. Das Harz tritt durch einen Schnitt in der Rinde aus. Der jährliche Ertrag pro Baum ist sehr unterschiedlich und kann je nach Klima zwischen einem Kilo bis mehrere Kilos betragen; nach der Ernte benötigt der Baum eine Erholungszeit. Bei dem Harz handelt es sich um ein wasserlösliches Polysaccharid, das getrocknet als kleine Klumpen in den Handel kommt.
Schon die alten Ägypter verwendeten Gummi arabicum zur Einbalsamierung ihrer Verstorbenen, zur Herstellung von Tinte aus Russ und als Heilmittel. Über die Handelsrouten kam es nach Europa, wo es im Mittelalter, ähnlich wie bei den Ägyptern, zur Stabilisierung der Farbe bei der Illustrierung von Büchern und als Medizin verwendet wurde. Die heutige Verwendung hat ein enormes Spektrum. Briefmarken, Couverts und Etiketten, die damit beschichtet sind und nach Befeuchten kleben, aber auch bei Wasserfarben dient Gummi arabicum als Bindemittel und zur Stabilisierung der Farbpigmente. Lithosteine werden damit vor dem Farbauftrag behandelt. In der Lebensmittelindustrie dient es vorwiegend als Emulgator, Stabilisator (vor allem Aromastabilisator) und Verdickungsmittel und wird in Getränken wie Limonaden und Coca-Cola ebenso verwendet wie in Bier und Wein. Beim Bier ist vor allem die schaumstabilisierende Wirkung gefragt. Der Zusatz von Gummi arabicum bei Wein wirkt vornehmlich auf die Wahrnehmung der Gerbstoffe; der Wein wird weicher und hat mehr Körper. Auch Bioweine dürfen Gummi arabicum enthalten. Bei Süsswaren und Glaces kann es das Kristallisieren von Zucker ver-
zögern, in Cremen wirkt es als Stabilisator, und in Gebäck und Brot wird es als Bindemittel und Emulgator verwendet, was die Wasserbindungsfähigkeit erhöht und das Austrocknen verzögert. Aus diesem Grund wird es auch als Glasur für Lebkuchen, Biber und Konfekt eingesetzt. Auch die bekannten Gummibärchen verdanken ihre lang dauernde Geschmeidigkeit dem Zusatz von Gummi arabicum, ebenso wie Hustenbonbons und andere Schleckereien. In Saucen und vielen Fertiggerichten ist seine stabilisierende und emulgierende Wirkung von grosser Bedeutung. Schliesslich wird es auch in der Kosmetikindustrie als Emulgator und in der Arzneimittelindustrie beim Überzug von Dragees verwendet. Weitere Verwendung findet es als Haftpulver für Zahnprothesen und in Zahnpasta. Da Gummi arabicum auch Wasser bindet, wird es in der Lebensmittelindustrie auch verwendet, um den Nährwert herabzusetzen. Es gilt gesundheitlich als unbedenklich und darf daher auch in Säuglingsnahrung enthalten sein. Ein ADI-Wert (acceptable daily intake) ist dafür nicht festgelegt. Bei empfindlichen Menschen kann es allerdings allergische Symptome auslösen.
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