Transkript
DYSPHAGIE
Schluckstörungen durch Milch?
LADINA CAJACOB UND ALEXANDRA SCHMID
Seit längerer Zeit besteht bei einem Teil der Bevölkerung die Überzeugung, dass Milch und Milchprodukte zu einer verstärkten Schleimproduktion führen und dies gewisse Symptome, wie sie bei Schluckstörungen typisch sind, auslöst.
Australische Studien haben gezeigt, dass etwa 30 Prozent der Bevölkerung der Meinung ist, Milch und Milchprodukte würden eine verstärkte Schleimproduktion im Atmungssystem hervorrufen. Gleichzeitig ist bei 38 Prozent dieser Personen ein Rückgang des Milchkonsums beobachtet worden. Eine andere Studie untersuchte die Prävalenz des «Milch-SchleimMythos» bei Eltern von gesunden Kindern und Kindern mit Allergien, Asthma oder Zystischer Fibrose. Von den 330 befragten Personen glaubten 58,5 Prozent an einen Zusammenhang zwischen Milch und einer verstärkten Schleimproduktion, 21,8 Prozent glaubten nicht daran, und 19,7 Prozent waren sich unsicher.
Symptome nach Milchkonsum
Personen, die an eine Verschleimung durch Milch glauben, beschreiben häufig das Auftreten von Schluckschwierigkeiten, verstärktem Räuspern, Husten und Spucken nach dem Konsum von Milch. Diese Symptome würden auf eine durch Milch ausgelöste Schluckstörung hinweisen. Kau- und Schluckstörungen werden in der Fachsprache als Dysphagie bezeichnet und können durch neurologische sowie mechanische Störungen verursacht werden. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten bisher keinen speziell durch Milch ausgelösten Effekt nachweisen. Eine experimentelle Studie hat den Einfluss des
Verzehrs von Milch mit jenem eines Drinks auf Sojabasis (Plazebo) verglichen. Dabei rapportierten die Teilnehmer beider Gruppen direkt nach dem Verzehr Symptome wie verdickten Speichel oder einen Belag in Mund und Rachen sowie Verhaltensveränderungen wie häufigeres Schlucken. Diejenigen Personen, die an einen Zusammenhang zwischen Milch und Schleimproduktion glaubten, gaben nach dem Verzehr beider Testgetränke stärkere Veränderungen an.
Mögliche Erklärungen
Eine Untersuchung zur Speichelwirksamkeit der Milch hat gezeigt, dass das Trinken von kalter und warmer Milch oder von kaltem und warmem Wasser zu einer schnelleren Speichelsekretion führt. Während des Trinkens sank jedoch der Anteil an Stoffen, der die Dickflüssigkeit des Speichels bestimmt. Nach dem Verzehr von Milch konnte somit keine signifikante Erhöhung des Schleimgehaltes im Speichel gezeigt werden. Vor einigen Jahren wurde eine andere Untersuchung durchgeführt, um zu erforschen, welche oralen Reaktionen durch verschiedene Emulsionen zustande kommen. Hierfür nahmen die Testpersonen Milch (1,5 und 3% Fett) sowie Schlagrahm (40% Fett) in den Mund, vermischten diese Flüssigkeiten mit ihrem eigenen Speichel und spuckten das entstandene Gemisch nach einer Minute wieder aus.
Dabei konnte festgestellt werden, dass das ausgespuckte Gemisch schleimig war und umso schleimiger wurde, je höher der Fettgehalt der eingenommenen Flüssigkeit war. Zurückgeführt wird das auf eine Tröpfchenaggregation, die durch das Glykoprotein Mucin herbeigeführt wird. Die Verdichtung, die durch die Vermischung von Speichel und einer Emulsion wie Milch zustande kommt, kann dazu führen, dass das Mundgefühl und andere sensorische Aspekte beeinflusst werden. Dieses Phänomen kann als mögliche Erklärung dienen, warum Milch und Milchprodukte ein Gefühl der stärkeren Schleimproduktion bewirken und damit verbundene Symptome von Schluckschwierigkeiten auslösen können.
Fazit
Obwohl ein Teil der Bevölkerung noch immer davon überzeugt ist, dass zwischen dem Konsum von Milch und Milchprodukten sowie einer verstärkten Schleimproduktion ein Zusammenhang besteht, fehlen bis anhin wissenschaftliche Studien, die dieses Phänomen erklären könnten. Milch und Milchprodukte sind wichtige Kalziumlieferanten und sollten in einer gesunden, ausgewogenen Ernährung nicht fehlen.
Korrespondenz: Ladina Cajacob und Alexandra Schmid Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras Schwarzenburgstrasse 161, 3003 Bern
Literaturangaben bei den Autorinnen erhältlich.
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