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DYSPHAGIE
Dysphagie: Diagnostik und Therapie
SABINA HOTZENKÖCHERLE
Nach Schätzungen leidet jeder fünfte Patient im Wartezimmer eines Hausarztes an Schluckschwierigkeiten. In der stetig wachsenden Gruppe der über 75-Jährigen gehen Hochrechnungen sogar von über 45 Prozent Dysphagiepatienten aus. An einer Schluckstörung, einer Dysphagie, zu leiden, führt oftmals zu Mangelernährung und Dehydratation, und in schweren Fällen kann es zu lebensbedrohlichen Folgen wie Aspirationspneumonie kommen. Der folgende Text bietet neben einem Überblick über Diagnostik und Therapie eine Einführung ins Thema Dysphagie und beleuchtet neben der normalen Schluckphysiologie die möglichen Ursachen, die gängigsten Anzeichen und die Folgen einer Dysphagie.
Schlucken ermöglicht Ernährung und Lebensqualität
Ein gesunder Mensch schluckt rund 1000bis 2000-mal pro Tag (1). Für die meisten Menschen läuft diese hochkomplexe Koordination von über 30 Muskelgruppen normalerweise unbemerkt ab. Im Alltag wird der Schluckakt meist nur dann wahrgenommen, wenn er nicht korrekt funktioniert, wenn wir uns verschlucken, wenn eine Tablette nicht runterrutschen will oder ein Bissen zu gross war, um ihn abschlucken zu können. Der Begriff Dysphagie wird vom griechischen Verb dys-phagein hergeleitet und bedeutet eine Störung des Schluckens. Dabei können nicht nur das Schlucken von Nahrungsmitteln, sondern auch das Trinken und das Abschlucken von Speichel oder Sekret beeinträchtigt sein. Aus der Sicht der Patienten steht häufig nicht die Funktionsstörung im Vordergrund; sie erleben die Einschränkungen, die eine Schluckstörung im sozialen Bereich mit sich bringt, als sehr viel einschneidender. So ist es bei einer schwerwiegenden Dysphagie nicht mehr mög-
lich, am Familientisch mitzuessen, gemeinsam auf das Geburtstagskind anzustossen oder sich auf einen Schwatz mit Kaffee und Kuchen zu treffen. Kurz: eine Dysphagie bedeutet eine massive Einschränkung der Lebensqualität.
Der normale Schluckakt – ein hoch komplexer Vorgang
Dysphagiefachleute unterteilen den Schluckakt in 4 Phasen (Tabelle 1), wobei die ersten beiden (orale Vorbereitungsphase und orale Phase) willkürlich gesteuert sind und die folgenden (pharyngeale und ösophageale Phase) unwillkürlicher Steuerung unterliegen. Dazu sind sensorische und sensible Hirnnervenleitungen nötig, die über Geschmacks-, Druck-, Berührungs-, Schmerz- oder Temperaturreize Informationen über Beschaffenheit oder Menge des Schluckgutes an Stammhirn und Grosshirn senden. In sogenannten «Pattern Generators» im Hirnstamm wird eine Software für den jeweils im Mund liegenden Bissen ausgelöst, die durch Aktivierung von motorischen Hirnnerven den schluckfertigen Bolus durch
Rachen und Speiseröhre in den Magen transportiert. So benötigt beispielsweise ein grosser Bissen Brot mehr Muskelkraft als ein Löffel Pudding. Oder das Timing der verschiedenen Muskelgruppen unterscheidet sich, je nachdem, ob eine kleine oder eine grosse Menge Flüssigkeit geschluckt wird (2).
Anzeichen für eine Dysphagie werden häufig übersehen
Nach wie vor liegt die Dunkelziffer von nicht erkannten und nicht behandelten Dysphagien hoch. So wies Greener nach, dass in England über 4 Millionen ältere Menschen ihre Tabletten nicht einnehmen, weil sie an nicht diagnostizierten Schluckschwierigkeiten leiden (3). Eine Schluckstörung kann sich je nach Ursache schleichend entwickeln oder sich wie nach einem Hirnschlag plötzlich einstellen. Da eine nicht erkannte Dysphagie schwerwiegende Folgen wie Malnutrition, Dehydratation oder Aspiration mit allfälliger Entwicklung einer Aspirationspneumonie nach sich ziehen kann, ist ein frühzeitiges Erkennen äusserst wichtig.
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Abbildung 1: Fiberendoskop in Home-Position.
Als direkte Anzeichen, die beispielsweise während der Nahrungsaufnahme oder beim Trinken beobachtet werden können, gelten: Husten, Räuspern, Stimmveränderungen wie eine gurgelnde oder feuchte Sprechstimme, Atemgeräusche oder Steckenbleiben von Nahrung im Hals. Verschiedene Kliniken verwenden auf der Stroke-Unit Dysphagie-Screeningverfahren, um rasch entscheiden zu können, ob der jeweilige Patient gefahrlos essen und trinken kann oder ob von oraler Ernährung abgesehen werden soll, bis diagnostische Abklärungen durch ein geschultes Dysphagieteam erfolgt sind. Das beliebte Daniels-Screening (4) ist auch als «2 aus 6» bekannt und ermöglicht in der Akutphase nach einem Schlaganfall bei einer Sensitivität von 92 Prozent und einer Spezifität von 67 Prozent eine Vorhersage über den Schweregrad einer Dysphagie sowie das Aspirationsrisiko. Die vorgeschlagenen klinischen Prädiktoren sind: • abnormaler willkürlicher Husten • abnormaler Würgreflex • Dysarthrie (Sprechstörung) • Dysphonie (Störung des Stimmklanges) • Husten nach dem Trinken von vorbe-
stimmten Wassermengen • Veränderung des Stimmklangs nach
einem Wasserschluck (nasse, gurgelnde oder feuchte Stimme).
Eine Dysphagie kann die Folge unterschiedlichster Grunderkrankungen sein
Eine Dysphagie kann die Folge unterschiedlichster Erkrankungen sein. Die häufigste Ursache ist ein zerebrovasku-
lärer Insult, wobei in der Akutphase etwa 50 Prozent der Patienten und in der chronischen Phase 25 Prozent der Patienten eine Dysphagie aufweisen. Bei den in der Schweiz gut 12 000 Schlaganfallpatienten pro Jahr rechnet man in der Akutphase mit etwa 6000 Dysphagiepatienten. Bei Morbus Parkinson geht man von zirka 50 Prozent und bei Multipler Sklerose von etwa 40 Prozent Dysphagiepatienten aus (5, 6). Eine weitere grosse Gruppe stellen die operierten oder bestrahlten Kopf-Hals-Tumor-Patienten dar. Sowohl ein chirurgischer Eingriff als auch eine organerhaltende Bestrahlung verändern die Schluckfunktion empfindlich, sodass nach der Tumortherapie je nach Lage und Grösse des Primärtumors mit einer milden bis schwerwiegenden Dysphagie gerechnet werden muss. Tabelle 2 listet weitere mögliche Ursachen auf.
Wie kann der Schluckablauf beurteilt werden?
Bei Verdacht auf eine Schluckstörung, sollte unbedingt eine professionelle Abklärung erfolgen. Dazu gehört die Anamnese, bei der mit gezielten Fragen auf das individuelle Schluckproblem, auf die Ausprägung, Entwicklung und Dauer der Schwierigkeiten eingegangen wird. Darauf folgt eine klinische Untersuchung aller am Schluckvorgang beteiligten Organe (Gesicht, Hals, Lippen, Zunge, Kiefer, Gaumen, Zähne, Kehlkopf ) und Funktionen (Stimmgebung, Atmung, Artikulation, Husten, Räuspern, Kognition, Wachheit, allenfalls Schluckversuche mit Speichel oder verschiedenen Konsistenzen). Aufgrund der Resultate der klinischen Untersuchungen wird beurteilt, ob weiterführende diagnostische Schritte nötig sind. Da ein grosser Teil des Schluckablaufes von aussen nicht einsehbar ist, können bildgebende Verfahren wertvolle Hilfe leisten zum präziseren Verständnis der vorliegenden Pathomechanismen. Je nach Fragestellung wird von einem geschulten Team aus Arzt und Dysphagietherapeutin eine fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes (FEES) oder eine Videofluoroskopie mit mindestens 25 Bildern pro Sekunde durchgeführt.
Abbildung 2: Funktionsprüfung mittels Fiberendoskop mit Penetration von Speichel → Beispiel einer FEES unter: www.dysphagie.ch/deutsch/diagnostik-therapie/fees/
Tabelle 1: Schluckphasen
Orale Vorbereitungsphase Nahrung in den Mund führen; wenn nötig kauen, mit Speichel vermischen; schluckfertigen Bolus formen
Orale Transportphase Transport des Bolus aus der Zungenschüssel in den Rachen durch Wellenbewegung der Zunge
Pharyngeale Phase Abschluss des Nasenrachens, Verschluss der unteren Luftwege, Transport durch den Pharynx (Dauer ca. 1 Sek.)
Ösophageale Phase Peristaltische Welle, Transport durch die Speiseröhre in den Magen, je nach Beschaffenheit des Bolus und nach Alter der Person dauert diese Phase zwischen 4 und 20 Sekunden
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Tabelle 2: Mögliche Ursachen
Neurologisch • Schlaganfall/Blutungen • Hirntumor • Schädel-Hirn-Trauma • M. Parkinson • MS • Myastenia gravis • amyotrophe Lateralsklerose • Hirnhautentzündung • Muskelerkrankungen • Demenz
Abbildung 3: Patientin während der Videofluoroskopie.
Beide Verfahren können das Vorliegen einer Aspiration nachweisen, wobei nur mittels Videofluoroskopie die Menge einer vorliegenden Aspiration eingeschätzt werden kann. Bei einer FEES wird ein flexibles Endoskop durch die Nase eingeführt (Abbildung 1). Damit kann eine anatomische Beurteilung von Velum, Zungengrund, Epiglottis, Pharynx und Larynx und deren Schleimhautbeschaffenheit vorgenommen werden, ebenso können Stimm-, Atem- und Hustenfunktion beurteilt werden. Schluckprüfungen erfolgen in der Regel erst mit Speichel und anschliessend mit verschiedenen Konsistenzen (flüssig, breiig, fest) in unterschiedlich grossen Portionen. Damit Flüssigkeiten und Nahrungsmittel im Pharynx und Larynx deutlich erkennbar sind, werden sie mit Lebensmittelfarbe eingefärbt. Es kann beobachtet werden, ob der Schluckakt rechtzeitig ausgelöst wird, ob Bolusteile in den Kehlkopfeingang (Penetration) oder sogar in die Luftröhre (Aspiration) gelangen. Auch Transportschwierigkeiten wie orale oder pharyngeale Residuen (Reste nach dem erfolgten Schluckakt) können beurteilt werden. Allerdings kann die pharyngeale Phase nicht eingesehen werden, da die Kamera an der Spitze des Endoskops durch die pharyngeale Kontraktion eingeklemmt wird. Abbildung 2 zeigt eine Penetration von Speichel. Da dieser vom Patienten nicht spontan weggeräuspert wird, ist von einer Sensibilitätseinschränkung auszugehen.
Bei einer Videofluoroskopie wird der Schluckakt mittels Durchleuchtung beobachtet. Es können ebenfalls verschiedene Konsistenzen und verschiedene Mengen getestet werden (Abbildung 3). Damit der Bolus in der Aufnahme erkennbar wird, muss das Testbrot, der Testpudding oder die Testflüssigkeit mit einem Kontrastmittel angereichert werden. Eine Videofluoroskopie kommt dann zum Einsatz, wenn alle Schluckphasen beurteilt werden sollen. Neben dem Nachweis typischer Symptome wie beispielsweise Residuen in den Valleculae (Reste nach dem Schlucken zwischen Zungenbasis und Kehldeckel) oder liegen gebliebene Bolusteile vor dem Eingang in die Speiseröhre kann so auch die Ursache der Störung bestimmt werden. Es sollten unter Bildgebung, also sowohl während einer FEES als auch während einer Videofluoroskopie, unbedingt auch therapeutische Techniken wie Schluckmanöver oder Haltungsänderungen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden und die am sichersten zu schluckende Konsistenz bestimmt werden.
Individuelle Therapie ist das A und O
Die Resultate der bildgebenden Verfahren liefern zusammen mit der Anamnese und der klinischen Untersuchung die Grundlagen für eine individuell angepasste Therapie. Therapeutisch relevant ist einerseits das Ausmass eines Symptoms. International hat sich zur Klassi-
HNO/Chirurgisch • Tumoren im Mund-, Hals- und Kopfbereich • Tumoren der Speiseröhre und Cardia • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten • Tonsillenhyperplasie • Zenker-Divertikel • Missbildungssyndrome • Struma • zervikale Osteophyten der Wirbelsäule • Aortenaneurysma • Druck durch atypisch verlaufende Gefässe • Fundoplikation • Fremdkörper
Internistisch • Ösophagitis (Reflux, Soor, CMV) • Xerostomie bei Morbus Sjögren • Ösophagospasmus • Sklerodermie • Chagas-Krankheit • ösophageales Divertikel • medikamentös • nach Strahlen- oder Chemotherapie
Psychogen • Verhaltensstörungen • Essstörungen • Phagophobie
und weitere Erkrankungen
fikation von Bolusteilen im Larynx die Penetrations-Aspirations-Skala von Rosenbek (7) durchgesetzt (Tabelle 3). Anderseits ist zur Planung der Therapie Wissen über die Ursache nötig. Denn je nach ursächlicher Störung kommen unterschiedliche therapeutische Techniken zum Einsatz: So kann beispielsweise einer laryngealen Penetration ein ungenügender oder verspäteter Verschluss der supraglottischen Strukturen, aber auch eine eingeschränkte Öffnung des oberen Speiseröhrensphinkters zugrunde liegen.
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Abbildung 4: Postdeglutitive Aspiration (rot) und Bolusreste → Beispiel der Videofluoroskopie einer gesunden Person unter: www.dysphagie.ch/deutsch/ dysphagie/normaler-schluckvorgang.
Für die Behandlung von Dysphagien liegen erst für neurologische Störungen Leitlinien (8) vor. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt je nach Art und Schweregrad der Störung konservative, pharmazeutische und/oder operative Massnahmen. Pharmakotherapie: Zum Beispiel bei Reflux, zu viel/zu wenig Speichel, bei Dysfunktion des oberen Speiseröhrensphinkters oder bei Motilitätsstörungen der Speiseröhre. Chirurgische Verfahren: Wie krikopharyngeale Myotomie (Durchtrennung des oberen Speiseröhrensphinkters), PEGSondeneinlage, Tracheotomie allenfalls mit gecuffter Kanüle zum Schutz der unteren Atemwege vor permanenter Speichelaspiration.
Abbildung 5: Dysphagieteam
Funktionell-orientierte Schlucktherapie: Dabei werden vorwiegend Massnahmen empfohlen, deren Wirksamkeit bei bestimmten Störungsmustern nachgewiesen wurde. Da die «funktionelle Dysphagietherapie» nach Bartolome (9) vorwiegend funktions- und problemorientiert vorgeht und im Gegensatz zu anderen Therapieschulen evidenzbasierte Methoden bevorzugt, wird in der Folge die Therapie nach Bartolome vorgestellt: Die funktionelle
Tabelle 3: Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek et al.
(deutsche Übersetzung durch Autorin)
Score 1 2 3 4 5 6
7
8
Beschreibung kein Material in den Luftwegen Material dringt in Luftwege ein, verbleibt oberhalb der Stimmlippen, wird ausgeworfen Material dringt in Luftwege ein, verbleibt oberhalb der Stimmlippen, wird nicht ausgeworfen Material dringt in Luftwege ein, Kontakt mit Stimmlippen, wird ausgeworfen Material dringt in Luftwege ein, Kontakt mit Stimmlippen, wird nicht ausgeworfen Material dringt in Luftwege ein, gelangt unterhalb Stimmlippen, wird in den Larynx oder höher ausgeworfen Material dringt in Luftwege ein, gelangt unterhalb Stimmlippen, kein Auswerfen aus der Trachea möglich, trotz Versuchen Material dringt in Luftwege ein, gelangt unterhalb Stimmlippen, keine Reinigungsversuche
Kurzform ohne Befund Penetration mit Reinigung
Penetration ohne Reinigung
Penetration mit Kontakt SL mit Reinigung Penetration mit Kontakt SL ohne Reinigung Aspiration mit Reinigung
Aspiration mit erfolglosem Reinigungsversuch
stille Aspiration
Dysphagietherapie verwendet restituierende, kompensierende und adaptierende Massnahmen, die individuell an die Schluckfähigkeit des einzelnen Patienten angepasst werden. Die restituierenden Übungen beinhalten sowohl Stimulationsbehandlungen wie auch Einheiten zum Training von Einzelfunktionen aus dem Schluckablauf. Diese Übungen sind vergleichbar mit Gewichtsoder Gleichgewichtstraining, die Skifahrer zur Verbesserung ihrer Wettkampfleistung durchführen. So werden die restituierenden Übungen ausserhalb der Mahlzeiten durchgeführt. Dabei werden Schnelligkeit, Beweglichkeit und Muskelkraft, wie sie beispielsweise vor einem Hirnschlag vorhanden waren, angepeilt. Ziel der restituierenden Verfahren ist eine Normalisierung aller am Schluckakt beteiligten Funktionen. Gerade bei grösseren neurologischen Defekten oder auch nach Tumoroperationen ist eine Rückkehr zu einem Schluckablauf, wie er vor der Erkrankung möglich war, nicht denkbar. Hier werden vorwiegend kompensatorische Massnahmen eingesetzt. Dazu gehören spezifische Schlucktechniken wie beispielsweise ein willkürliches Atemanhalten während des Schluckens, das Reinigen der Atemwege nach dem Schlucken oder auch bestimmte Haltungsveränderungen, die das Ab-
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schlucken erleichtern und die Gefahr von Aspiration verringern. Bei allen kompensatorischen Massnahmen wird der normale Schluckablauf verändert mit dem Ziel, den Transport der gesamten Bolusmenge unter Sicherung der Atemwege zu gewährleisten. Als dritte Möglichkeit werden adaptierende Verfahren angewandt. Dazu zählen Faktoren, die ausserhalb der Schluckarbeit modifiziert werden können wie: • Veränderung der Fliesseigenschaften
der Nahrung oder Flüssigkeit beispielsweise zum erleichterten Transport. • Anpassung der Diät des Patienten an seine momentanen Bedürfnisse – zum Beispiel hochkalorische Nahrung, wenn orale Ernährung möglich ist, der Patient jedoch dabei rasch ermüdet. • Einsatz von Hilfsmitteln wie Esshilfen oder spezielle Trinkgefässe, die das Aspirationsrisiko in Kombination mit einem kompensierenden Schluckmanöver reduzieren, das Eindringen von Flüssigkeit in die Nase verhindern oder das Dosieren der Menge erleichtern. Carnaby et al. (10) haben in einer randomisierten, kontrollierten Studie nachgewiesen, dass nach intensiver Schlucktherapie von 5 Therapieeinheiten pro Woche in der akuten Schlaganfallphase signifikant mehr Patienten wieder zu einer normalen Ernährung zurückkehren konnten als bei einer weniger hohen Therapiefrequenz. Zudem kommen Wilson und Howe (11) zum Schluss, dass der Einsatz bildgebender Verfahren kosteneffektiver ist als die billigere klinische Untersuchung eines Dysphagiepatienten. Denn durch die apparative Untersuchung kann in den meisten Fällen eine sicher zu schluckende Konsistenz bestimmt werden und die Therapie ursachengerecht angegangen werden: Beides verkürzt die Liegezeit im Spital oder die Dauer einer ambulanten Rehabilitation signifikant.
Dysphagietherapie ist Teamwork
In grösseren Kliniken haben sich die Zusammenarbeit und die regelmässigen Treffen von Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen in einem Dysphagieteam etabliert. Idealerweise werden dabei sowohl diagnostische als auch therapeutische
Entscheidungen im Team gefällt. Besonders wichtig während der Rehabilitationsphase eines dysphagischen Patienten sind die enge Zusammenarbeit und der intensive Austausch zwischen Arzt, Ernährungsberater und Dysphagietherapeut. Bei einem Patienten, bei dem durch intensive Therapie stets grössere Mengen oral eingenommen werden können, errechnen die Ernährungberater die Reduktion der Sondenkost. Oder bei einem Patienten, der zurzeit nur flüssige Kost einnehmen kann, sorgt die Ernährungsberaterin dafür, dass trotz raschem Sättigungsgefühl eine bedarfsdeckende Ernährung möglich wird. Die eingespielte Kooperation innerhalb eines multidisziplinären Dysphagieteams garantiert ein ursachengerechtes und nicht nur ein symptombekämpfendes Vorgehen bei der Behandlung von Dysphagien. Abbildung 5 zeigt die möglichen Teammitglieder rund um einen Dysphagiepatienten.
Patienten brauchen Fachleute mit dysphagiespezifischem Wissen
Die Zahl der Dysphagiepatienten wird in den kommenden Jahren aufgrund der Weiterentwicklung der Medizin und einer Verschiebung der Altersstruktur weiterhin stetig zunehmen. Das junge Forschungsgebiet der Dysphagiologie zeigt auf, dass eine rasche und individuelle Therapie von Schluckstörungen nicht nur zur Lebensqualität der Patienten beträgt, sondern auch von grossem ökonomischen Interesse ist. Schluckstörungen als Folge der unterschiedlichsten Erkrankungen sollen gemäss aktueller Leitlinie durch bildgebende Diagnostik mittels Endoskopie oder Videofluoroskopie beurteilt werden.
Korrespondenzadresse: Sabina Hotzenköcherle Klinische Logopädin MSc Logopädische Praxis Culmannstrasse 20, 8006 Zürich Tel. 079-414 05 59 E-Mail: sahotz@bluewin.ch Internet: www.shotzenkoecherle.ch
Weiterführende Links: • www.dysphagie.ch: Die Schweizer Plattform bietet
Informationen rund ums Thema Dysphagie für Fachleute und Laien. • www.dysphagie-suisse.ch: Die Schweizerische Gesellschaft für Dysphagie verbindet multidisziplinäre Arbeitsgruppen zum Thema Dysphagie. • www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030111_S1_Dysphagien__neurogene_10-2008_102013.pdf: Leitlinie Neurogene Dysphagien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. • www.springer.com/medicine/otorhinolaryngology/journal/455: «Dysphagia» is a multidisciplinary journal devoted to swallowing and its disorders. The journal's purpose is to provide an international source of information to physicians and other health professionals.
Literaturverzeichnis: 1. Hummel K, Frank U. Die Schluckfrequenz bei Gesunden in Seiten- vs. Rückenlage. Spektrum Patholinguistik (Band 3), Schwerpunktthema: Von der Programmierung zur Artikulation: Sprechapraxie bei Kindern und Erwachsenen, 2010. 3: 187. 2. Kendall KA et al. Timing of events in normal swallowing: a videofluoroscopic study. Dysphagia, 2000. 15 (2): 74–83. 3. Greener M. Gastroenterology-Dysphagia. Geriatric Medicine (London), 2009. 39 (8): 458. 4. Daniels SK et al. Clinical predictors of dysphagia and aspiration risk: outcome measures in acute stroke patients. Arch Phys Med Rehabil, 2000. 81 (8): 1030–1033. 5. Seidel S, Stanschus S. eds. Dysphagie – Diagnostik und Therapie. 2009, Schulz-Kirchner Verlag: Idstein. 6. Wilkins T et al. The prevalence of dysphagia in primary care patients: a HamesNet Research Network study. J Am Board Fam Med, 2007. 20 (2): 144–150. 7. Rosenbek J et al. A penetration-aspiration scale. Dysphagia, 1996. 11 (2): 93–98. 8. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Leitlinie Neurogene Dysphagien. 2008 Juni 2011; available from: www.dgn.org/component/finder/search. html?f=1&q=dysphagie. 9. Bartolome G, Schröter-Morasch H. eds. Schluckstörungen – Diagnostik und Rehabilitation. 4. Aufl. ed. 2010, Elsevier: München. 10. Carnaby G, Hankey GJ, Pizzi J. Behavioural intervention for dysphagia in acute stroke: a randomised controlled trial. Lancet Neurol, 2006. 5 (1): 31–37. 11. Wilson RD, Howe EC. A cost-effectiveness analysis of screening methods for dysphagia after stroke. PM R, 2012. 4 (4): 273–282.
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