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Langzeitstudie aus Grossbritannien:
20-Jahres-Überleben mit angeborenen Missbildungen
Angeborene Anomalien sind in westlichen Ländern die führende Todesursache bei sehr jungen Kindern. Zwar haben medizinische Entwicklungen auch hier grosse Fortschritte gebracht, über das Langzeitüberleben ist aber nur wenig bekannt. Hier bietet eine Studie, die anhand der Daten eines britischen Registers von Geburtsfehlern (UK Northern Congenital Abnormality Survey, NorCAS)durchgeführt und die mit den verfügbaren Mortalitätsdaten in Verbindung gebracht wurden, reiches Zahlenmaterial. Die Studie benutzte verschiedene statistische Modelle um das 20-Jahres-Überleben bei 13 758 zwischen 1983 und 2003 registrierten Kindern mit angeborenen Anomalien zu berechnen, wovon knapp 11 000 Lebendgeburten waren. Nicht weiter überraschend hängt die Überlebenschance sehr stark vom kongenital betroffenen Organsystem und der Form der Missbildungen ab.
Gesamthaft betrug das 20-Jahres-Überleben bei mit mindestens einer Anomalie behafteten Individuen 85,5 Prozent, 89,5 Prozent betrug es für kardiovaskuläre Missbildungen, 79,1 Prozent für Chromosomenaberrationen, 93,2 Prozent für fehlerhafte Ausformungen des Urogenitalsystems und 83,2 Prozent für Magen-Darm-Missbildungen. Mit einem 20-Jahres-Überleben von 97,6 Prozent hatten Kinder mit Lippen-Gaumen-Missbildungen eine sehr gute Lebenschance. Anomalien des Nervensystems beeinträchtigten die Prognose hingegen entscheidend, hier errechneten die Autoren ein 20-JahresÜberleben von 66,2 Prozent. Einem gesellschaftlichen Trend folgend nahm der Anteil von Schwangerschaftsabbrüchen im Verlauf der Beobachtungsperiode von 12,4 auf 18,3 Prozent signifikant zu. Die ausführlichen Tabellen der Originalpublikation zum Überleben kongenitaler Anomaliegruppen
und ihrer Untergruppen dürften für die
Beratung betroffener Familien und die
Planung des zukünftigen Pflegebedarfs
wichtige Hinweise liefern.
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H.B.
Quelle: Lancet 2010; 375: 649–656. DOI: 10.1016/S01406736(09)61922-X
Inoperables Pankreaskarzinom: neoadjuvante Therapie hilft
EMA fordert Verbot von Bufexamac
Das Pankreaskarzinom zählt zu den hochmalignen Tumorkrankheiten. Lange verläuft der Krebs symptomlos und ist dann bei Diagnosestellung oft bereits so weit fortgeschritten, dass eine chirurgische Entfernung bei mindestens 80 Prozent der Betroffenen nicht mehr möglich ist. Die Operation ist aber die einzige wirksame Therapieoption, ohne den Eingriff sterben die Patienten durchschnittlich nach etwa einem halben Jahr. Allerdings kann einigen Patienten mit primär inoperablem Tumor durch eine neoadjuvante Therapie noch geholfen werden. Das hat eine Arbeitsgruppe um Jörg Kleeff vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München anhand einer systematischen Analyse von mehr als 100 Studien bei mehr als 4300 Patienten zeigen können. Die Ergebnisse, die kürzlich im «open access»-Journal «PLoS Medicine» (doi:10.1371/journal.pmed.1000267) publi-
ziert wurden, zeigen, dass es durch Chemo-
therapie und/oder Strahlentherapie bei etwa
einem Drittel der Patienten gelingt, den
Tumor so zu verkleinern, dass anschliessend
doch noch eine Tumorresektion vorgenom-
men werden kann. Diese Patienten haben
postoperativ eine fast genauso hohe Überle-
bensrate wie die Leidensgenossen, die sofort
operiert werden können. Aber auch die
Operation ist letztlich oft nicht kurativ. Die
Patienten sterben etwa durchschnittlich
knapp zwei Jahre nach dem operativen Ein-
griff. Fazit der Autoren: Bei inoperablem
Pankreaskarzinom sollte eine neoadjuvante
Therapie angeboten werden und bei An-
sprechen die Frage der Operabilität neu
geprüft werden. Allerdings müssten die
Ergebnisse noch in randomisierten Studien
bestätigt werden; auch gilt es noch, die best-
mögliche neoadjuvante Therapie für diese
Patientengruppe zu definieren.
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U.B.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat empfohlen, Medikamenten mit dem Wirkstoff Bufexamac die Zulassung zu entziehen. Als Grund nennt die EMA, die auf Anfrage des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) tätig wurde, das hohe Risiko von Kontaktallergien, die zum Teil schwer und generalisiert verlaufen. Dem steht ein bis heute nicht zuverlässig nachgewiesener Nutzen gegenüber. Bufexamac gehört zu den nichtsteroidalen Antiphlogistika und wird seit den Siebzigerjahren in verschiedenen dermatologischen und proktologischen Externa eingesetzt. In einigen EUMitgliedstaaten sind bufexamac-haltige Externa allerdings schon seit Jahren nicht mehr auf dem Markt oder stehen unter Rezeptpflicht. In der Schweiz ist Bufexamac noch als Parfenac® Creme und Salbe im Handel.
380 ARS MEDICI 10 ■ 2010