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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Immunabwehr
Eine Impfung in den Oberarm schützt den ganzen Körper – Wie ist das möglich?
Erkenntnisse aus dem Tiermodell deuten darauf hin, dass die meisten Zellen des Immungedächtnisses nach einer Infektion nicht im Blut zirkulieren, sondern in den Organen ansässig werden und diese vor Ort schützen. Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben untersucht, ob dies auch nach einer Impfung bei Menschen der Fall ist. Dazu untersuchten die Forscher Gewebeproben aus verschiedenen Organen. Das Gewebe stammte von 61 Personen, die sich zuvor zwei- bis dreimal mit einem mRNA-Vakzin gegen das Coronavirus hatten impfen lassen. Die meisten Teilnehmer hatten aber noch keine Coronavirusinfektion durchgemacht. Das Forschungsteam konnte in mehreren Geweben CD4-positive T-Helferzellen nachweisen, die gegen SARS-CoV-2 gerichtet waren. Diese Immungedächtniszellen befanden sich nicht nur in der Milz und dem Knochenmark, also Geweben, in denen Immunzellen standardmässig reifen oder produziert werden,
sondern auch in Leber, Niere und Lunge. «Diese Daten bestätigen unsere Vermutung, dass der Körper nach einer Impfung ein über Monate stabiles Immungedächtnis auch in Geweben anlegt, die weit von der Injektionsstelle entfernt liegen», sagt Dr. Arne Sattler von der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der Charité. «Gezeigt haben wir dies jetzt für die mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus, wir nehmen aber an, dass ähnliche Prozesse auch nach anderen Impfungen stattfinden. Der Beleg dafür steht jedoch noch aus, hierzu sind weitere Studien nötig.» Im Rahmen der Studie zeigte sich ausserdem, dass in Niere, Leber und Lunge deutlich mehr Immungedächtniszellen vorhanden waren als im Blut. Die Botenstoffe, welche die organständigen Zellen ausschütteten, liessen zudem auf besonders ausgeprägte antivirale Eigenschaften schliessen. Dr. Sattler resümiert: «Unsere Daten zeigen, dass das Immungedächtnis in den Organen dem
im Blut funktionell überlegen ist. Was
das exakt für den Immunschutz der Or-
gane bedeutet, ist nicht einfach abzu-
leiten, weil sich die genaue Schutzwir-
kung einzelner Immunzellen beim
Menschen nicht gut bestimmen lässt.
Beobachtungen im Tiermodell deuten
aber darauf hin, dass solche lokal ver-
ankerten, potenten T-Zellen Krank-
heitserreger besser abwehren können.»
Die Anzahl der schützenden Immunzel-
len, die sich in den Organen niederlies-
sen, war unabhängig vom Alter der ge-
impften Person ähnlich hoch. Allerdings
zirkulierten bei Älteren im Blut weniger
Immungedächtniszellen als bei jünge-
ren Patienten. «Nach unseren Daten
überdauern die organständigen Ge-
dächtniszellen mindestens einige Mo-
nate. Ob das Immungedächtnis sogar
über Jahre im Gewebe stabil bleibt, ist
Gegenstand weiterführender Untersu-
chungen».
Charité/PS s
Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin vom 11. Oktober 2023.
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ARS MEDICI 24 | 2023