Transkript
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Schutz von Risikopersonen
Update zu den aktuellen Impfempfehlungen
Im Fokus des Vortrags von PD Dr. med. Christoph T. Berger, Basel, standen diejenigen Impfungen, bei denen in der letzten Zeit Anpassungen der offiziellen Empfehlungen vorgenommen wurden. Diese beeinflussen nicht zuletzt auch das Vorgehen bei Menschen mit Immunsuppression.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erarbeitet und veröffentlicht zusammen mit der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) regelmässige Aktualisierungen ihrer Impfempfehlungen (siehe Linktipp) (1). Zu Beginn seines Vortrags griff PD Dr. med. Christoph T. Berger, Universitäres Zentrum für Immunologie, Universitätsspital Basel, einige aktuelle Punkte in Bezug auf die Basisimpfungen im Erwachsenenalter auf: «Bei Personen unter 40, die wissentlich keine Varizellen durchgemacht haben, ist eine Nachholimpfung mit 2 Dosen im Abstand von 4 Wochen empfohlen.» Grund für diese Empfehlung sei, dass eine Infektion mit Varizellen im Erwachsenenalter schwer verlaufen kann. Zu den besonders gefürchteten Komplikationen gehören Pneumonie und Meningoenzephalitis. Da ein Lebendimpfstoff eingesetzt wird, ist diese Impfung bei Immunsupprimierten jedoch kontraindiziert.
Impfungen gegen Tetanus, Pertussis, FSME ...
Eine Auffrischimpfung mit Tetanus/Diphtherie (+/- Polio) wird aktuell für grundimmunisierte Personen bis zu einem Alter von 65 nur noch alle 20 Jahre empfohlen (also z. B. mit 25, 45 und 65 Jahren), danach alle 10 Jahre (1). Eine Pertussis-Impfung (nur mit Diphtherie und Tetanus zusammen) ist für Schwangere am Ende des 2. Trimenons empfohlen, damit eine Übertragung der Antikörper auf das ungeborene Kind erfolgen kann. Erwachsene Personen mit engem Kontakt zu Säuglingen im Alter von weniger als 6 Monaten (Grosseltern, Väter) sollten eine einmalige Pertussis-Auffrischimpfung erhalten. Wie Berger weiter erläuterte, wird die Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME)-Impfung heute breit empfohlen, da mittlerweile praktisch die gesamte Schweiz, mit Ausnahme der Kantone Tessin und Genf, als Risikogebiet angesehen werden muss. Beide verfügbaren Impfstoffe (Encepur® N und FSME-Immun® CC) können sowohl in einem normalen Rhythmus (3 Dosen, Auffrischung nach 10 Jahren) als auch in einem Schnellschema verabreicht werden. «Für Encepur entspricht das Schnellschema einer Gabe an den Tagen 0, 7 und 21 sowie nach 12 bis 18 Monaten. FSME-Immun CC wird an den Tagen 0 und 14 sowie nach 5 bis 12 Monaten verabreicht», so Berger.
Indikationen für Herpes-zoster-Impfung
Steigendes Alter ist ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten eines Herpes zoster. «Die Zoster-Inzidenz nimmt etwa ab einem Alter von 50 Jahren zu. Mit zunehmendem Alter steigt zudem der Anteil der Erkrankten, die eine postherpetische Neuralgie entwickeln», sagte Berger. Einen weiteren Risikofaktor für eine Gürtelrose stellt eine Immunsuppression dar. «Die Zoster-Inzidenz bei Gesunden liegt etwa bei 5 von 1000 Personen. Unter Therapie mit einem JAK-Hemmer, einem Hemmer der Januskinase, steigt die Inzidenz auf 40 pro 1000 an und beträgt bei einer schweren Immunsuppression, zum Beispiel im Transplantationssetting, bis zu 100 pro 1000», so der Experte. In solchen Situationen sei es daher besonders wichtig zu impfen. Aktuell wird empfohlen, alle immunkompetenten Personen ab einem Alter von ≥ 65 Jahren mit dem adjuvantierten Subunit-Impfstoff Shingrix® (2 Dosen im Abstand von 2 Monaten) zu impfen, dies unabhängig von der individuellen Vorgeschichte bezüglich Varizellen und Herpes zoster (d. h. ohne Serologie vor der Impfung) (1). Für Personen, die zuvor Zostavax® erhalten haben, wird ein Mindestabstand von zwei Monaten bis zur ersten Dosis Shingrix® empfohlen. Bei akuter Erkrankung sollte mit einer Impfung bis zur Abheilung gewartet werden, ergänzte Berger. Empfohlen ist die Impfung auch für Personen ≥ 50 Jahren mit einer aktuellen oder zukünftigen (insbesondere zellulären) Immunschwäche, die mit einem erhöhten Risiko für Herpes zoster assoziiert ist. Dazu gehören unter anderem Personen mit einer rheumatoiden Arthritis sowie Patienten unter einer Therapie mit Biologika, Azathioprin, niedrig dosiertem Methotrexat oder unter einer niedrig dosierten Kortikosteroiderhaltungstherapie (1). Schliesslich sollen Personen ≥ 18 Jahre, die derzeit an einer schweren Immunschwäche leiden oder die aktuell beziehungsweise in absehbarer Zeit eine stark immunsuppressive Behandlung, inklusive einem JAK-Hemmer, erhalten, mit Shingrix® geimpft werden. In klinischen Studien lag die Wirksamkeit des Impfstoffes unabhängig vom Alter bei > 89 Prozent (2). Real-WorldDaten aus den USA ergaben unter Alltagsbedingungen eine Wirksamkeit von 70 Prozent, wenn beide Dosen verabreicht
8 CongressSelection Rheumatologie | November 2023
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Linktipps
Die Richtlinien und Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit zu Impfungen und Prophylaxe (1) erreichen Sie direkt via QR-Code oder unter:
hhtps://www.rosenfluh.ch/qr/bag-impfen
Wann, wer und wie gegen COVID-19 geimpft werden sollte und wie die verschiedenen Impfstoffe wirken, lässt sich auf der Website des BAG ausführlich nachlesen direkt via QR-Code oder unter folgendem Link:
https://www.rosenfluh.ch/qr/bag-covid-19
wurden (56,9 % bei nur einer Impfdosis) (3). Gemäss bisheriger Daten hält der Impfschutz über mehrere Jahre an (4). Hinsichtlich der Sicherheit der Zoster-Impfung bei Personen mit einer rheumatologischen Erkrankung ergab eine Untersuchung mit 403 Teilnehmern, darunter 60 Prozent mit einer rheumatoiden Arthritis, dass es bei 6,7 Prozent nach der Impfung zu einem Flare kam (5,7% nach 1. Dosis, 2,3% nach 2. Dosis) (5).
Neue Option zum Schutz vor Pneumokokken
Im nächsten Teil seines Vortrags ging Berger auf Impfungen gegen Pneumo- und Meningokokken ein. «Pneumokokkeninfekte betreffen nicht nur kleine Kinder, sondern auch ältere Menschen. Dabei kommt es zu einer Zunahme der invasiven Infekte und Todesfälle ab einem Alter von etwa 65 Jahren», erklärte er einleitend. Ausserdem erhöhe auch hier eine Immunsuppression das Risiko für schwere Verläufe. Bereits seit 2011 wird für alle Kinder bis 5 Jahre eine Impfung mit dem 13-valenten Konjugat-Impfstoff (Prevenar 13®) empfohlen (6). Seit Februar 2023 ist in der Schweiz nun ein neuer 15-valenter Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (Vaxneuvance®) verfügbar (7). «Für nächstes Jahr wird zudem die Zulassung eines 20-valenten Impfstoffs erwartet, der etwa 65 bis 78 Prozent der zirkulierenden Pneumokokkenstämme abdecken soll», berichtete der Referent. Empfohlen werde aktuell eine Impfung von Personen mit einem erhöhten erkrankungs- oder behandlungsbedingten Risiko für eine schwere Pneumokokkeninfektion, unabhängig vom Alter (1). «Dazu gehören insbesondere Personen unter Behandlung mit einem komplementblockierenden Medikament oder einer Asplenie, aber auch Erkrankte mit Antikörpermangelsyndrom sowie alle Personen mit Lungenerkrankungen», ergänzte er.
Beim Thema Meningokokken wies Berger auf die neu verfügbare Serotyp-B-Impfung (Bexsero®) hin. Der Serotyp B sei in der Schweiz für 25 bis 30 Prozent der Meningitisfälle verantwortlich, sagte er. Der Impfstoff ist zur aktiven Immunisierung gegen Neisseria meningitidis der Serogruppe B bei Personen im Alter von 11 bis 24 Jahren im Rahmen epidemischer Situationen zugelassen (8). «Diese Indikation beruht darauf, dass solche Ausbrüche vor allem in Schullagern, im Militärdienst oder an Universitäten auftreten», erläuterte er. «Geimpft werden sollten aber auch Personen mit Asplenie, Patientinnen und Patienten unter Behandlung mit dem C5-Hemmer Eculizumab sowie Personen, die nach Mekka oder nach Afrika in den sogenannten Meningitisgürtel reisen wollen.»
Update zu COVID
Den Abschluss des Vortrags bildete ein kurzes Update zur
COVID-Situation. Anhand der Viruslast im Abwasser machte
Berger deutlich, dass das SARS-CoV-2 Virus weiterhin in der
Schweiz präsent ist (9). Seit Frühjahr zirkuliere hauptsächlich
eine zur Omikron-Gruppe gehörende XBB1-Variante. Eine
definitive Empfehlung bezüglich Impfung im Herbst 2023 ist
zwischenzeitlich publiziert (siehe Linktipp, Anmerkung der
Redaktion). «Empfohlen wird eine Auffrischimpfung für Per-
sonen mit einem Risiko für einen schweren Verlauf, zumal es
jetzt auch zwei neue, monovalente XBB1-Impfstoffe gibt»,
schloss er.
s
Therese Schwender
Quelle: Rheuma Top – Symposium für die Praxis, 24. August 2023, Pfäffikon/ SZ und online.
Referenzen: 1. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Richtlinien und Empfehlungen zu
Impfungen und Prophylaxe. Verfügbar unter: https://www.bag.admin. ch/bag/de/home/gesund-leben/gesundheitsfoerderung-und-praevention/impfungen-prophylaxe/richtlinien-empfehlungen-impfungen-prophylaxe.html. 2. Cunningham AL et al.: Efficacy of the Herpes Zoster Subunit Vaccine in Adults 70 Years of Age or Older. N Engl J Med. 2016;375:1019-32. 3. Izurieta HS et al.: Recombinant Zoster Vaccine (Shingrix): Real-World Effectiveness in the First 2 Years Post-Licensure. Clin Infect Dis. 2021;73:941-948. 4. Hastie A et al.: Immunogenicity of the Adjuvanted Recombinant Zoster Vaccine: Persistence and Anamnestic Response to Additional Doses Administered 10 Years After Primary Vaccination. J Infect Dis. 2021;224: 2025-34. 5. Stevens E et al.: Safety of the Zoster Vaccine Recombinant Adjuvanted in Rheumatoid Arthritis and Other Systemic Rheumatic Disease Patients: A Single Center›s Experience With 400 Patients. ACR open. 2021;2:357-61. 6. Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF). Empfehlungen zur Pneumokokkenimpfung bei Kindern unter 5 Jahren: Wechsel vom 7- zum 13-valenten konjugierten Impfstoff. Bull BAG. 2010;51:1202–5. 7. Fachinformation Vaxneuvance®, www.swissmedicinfo.ch, Stand Februar 2023. 8. Fachinformation Bexsero®, www.swissmedicinfo.ch, Stand September 2022. 9. Bundesamt für Gesundheit BAG. Covid-19 Schweiz. Informationen zur aktuellen Lage. Stand 22. August 2023. Viruslast im Abwasser. https:// www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/waste-water
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