Transkript
KONGRESSBERICHT
SGDV
Psoriasis
Strategien zur weiteren Optimierung der Therapie
Eine echte Renaissance in der Dermatologie – so empfindet Prof. Jo Lambert aus Gent (Belgien) die derzeitige rasante Entwicklung an Therapiemöglichkeiten bei dermatologischen Krankheitsbildern. Die Psoriasis ist dafür ein Musterbeispiel. Doch es gibt immer noch Möglichkeiten zur Verbesserung.
Die Erforschung der Pathogenese und der immunologischen Mechanismen, die den entzündlichen Hauterscheinungen zugrunde liegen, hat zur Entwicklung sehr wirksamer Therapien geführt, die in die beteiligten Signalwege eingreifen. Als Beispiel nannte Lambert den TH17-Signalweg wie auch die neuen oralen Therapien mit «small molecules». Das bedeute aber nicht, dass man mit der Erforschung der Psoriasis fertig sei, betonte die Expertin: «Wir können das immer noch optimieren.» Die Wirksamkeit der verschiedenen innovativen Therapieprinzipien ist mittlerweile sehr gut dokumentiert. In einer aktuellen Metaanalyse wurden die Wirksamkeitsdaten vergleichend zusammengestellt (1). Diese Analyse macht deutlich, welchen Effekt und welche Therapiesicherheit man in etwa von welchem Therapieprinzip erwarten kann. Daneben sollte das Profil der jeweiligen Therapie bei der individuellen Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Dazu gehöre beispielsweise, dass man einen IL-17-Inhibitor nicht bei Patienten mit Morbus Crohn einsetzen sollte, betonte Lambert. Eine immer wieder aktualisierte Leitlinie mit Empfehlungen, welche Therapie man unter Nutzen-Risiko-Aspekten welchem Patienten verschreiben sollte, findet sich in der «EuroGuiDerm Guideline» des European Dermatology Forum (2).
Optimale Therapie gleich zu Beginn
Üblicherweise beginne man mit einer bestimmten Therapie in Abhängigkeit von Studiendaten zur Wirksamkeit, eventuell unter Berücksichtigung von Komorbiditäten sowie persönlichen Erfahrungen und Präferenzen, so Lambert. Das könne allerdings in ein «Versuch-und-Irrtum»-Szenario münden, warnte die Expertin, und bei manchen Patienten müsse die Therapie nach einer Weile geändert werden. In einer eigenen Studie wertete die Arbeitsgruppe von Lambert die Daten ihrer mit IL-17-Blockern be-
handelten Patientenkohorte aus (3). Bei vielen Patienten war eine Therapiemodifikation notwendig geworden, und das aus unterschiedlichen Gründen: Bei einigen Patienten wurde ein primäres Nichtansprechen auf die Therapie beobachtet; viel häufiger trat allerdings ein sekundäres Nichtansprechen auf, bei dem es erst mit zeitlicher Verzögerung nach einem ursprünglichen Ansprechen zum Wirkungsverlust kam. Während das primäre Nichtansprechen bei Brodalumab häufiger beobachtet wurde, war das sekundäre Nichtansprechen bei Secukinumab und Ixekizumab häufiger.
Prädiktive Marker gesucht
Diese Erfahrungen machen deutlich, wie wichtig es wäre, prädiktive Marker zu haben, um die Erfolgsraten der Ersttherapie zu verbessern. Nach entsprechenden Biomarkern wird daher in entsprechenden Studien gesucht. Lambert präsentierte dazu ein aktuelles Review, in dem die therapierelevante Aussagefähigkeit von RNA- und Proteinanalysen untersucht wurde (4). Die Analyse solcher aus Hautproben gewonnenen Marker ist nach Einschätzung von Lambert die Zukunft, um die Therapieentscheidung zu verbessern. Die RNA- oder Proteinlevel verschiedener immunologisch aktiver Moleküle können für eine rationale Selektion der Therapie mit Biologika oder «small molecules» herangezogen werden und auch die Diagnostik bei unklaren Ekzemen verbessern. Entsprechende Tests seien in den USA bereits auf dem Markt und würden wohl in naher Zukunft auch in Europa verfügbar sein, berichtete Lambert.
Berücksichtigung der patientenspezifischen Pharmakokinetik
Bisher werden Medikamente in einer bestimmten, vom Hersteller sowie von der Zulassung vorgeschriebenen Dosierung verschrieben. Allerdings kann die Pharmakokinetik individuell sehr unterschiedlich aus-
16 SZD 5/2023
KONGRESSBERICHT
SGDV
Tabelle:
Therapeutische Fenster und Zielwerte
Adalimumab Ustekinumab Secukinumab Guselkumab Ixekizumab Risankizumab Tildrakizumab Brodalumab
therapeutisches Fenster Talspiegel Cut-off-Konzentration in Woche 4 nach Injektion minimal wirksamer Talspiegel minimal wirksamer Talspiegel minimal wirksamer Talspiegel in Entwicklung
Quelle: Jo Lambert und PsoGent-Gruppe, Belgien
3,5–7,0 µg/ml 3,6 µg/ml 39,1 µg/ml 1,6 µg/ml 3,4 µg/ml
fallen. Es kann also sein, dass man entsprechend dem Zytokinprofil sehr wohl die richtige Therapie ausgewählt hat, diese aber aufgrund einer für den individuellen Patienten suboptimalen Dosierung trotzdem nicht wirkt. Die Arbeitsgruppe von Lambert in Gent beschäftigt sich mit der Pharmakokinetik zur Dosiskontrolle der Biologika bei Psoriasis. Das erfolgt mit dem therapeutischen Drug-Monitoring (TDM), wie es zum Beispiel bei Antiepileptika bereits etabliert ist, erläuterte Lambert: «Man kann das Gleiche mit Biologika machen.» Damit lassen sich auch in der Psoriasistherapie durch die Bestimmung der Blutkonzentrationen Unter- und Überdosierungen vermeiden. Zusätzlich sollte man auch Antikörper gegen die verwendeten Biologika bestimmen, empfahl Lambert. Wenn diese nicht nachweisbar sind, kann man bei ungenügendem Therapieansprechen die Dosis des verwendeten Biologikums auch erhöhen, denn es ist möglich, dass es in einer höheren Dosis wirksam ist.
Klinische und ökonomische Vorteile
«Wir arbeiten seit 6 Jahren daran, für jedes Biologikum das therapeutische Fenster zu finden», berichtete Lambert. Die Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der gemessenen Konzentration der Biologika und dem klinischen Ansprechen gibt. Ausserdem wurde gezeigt, dass bei 30 Prozent der mit Adalimumab behandelten Patienten eine Überdosierung vorliegt. Bei vielen Patienten konnte man daher von der 2-wöchigen zu einer 3-wöchigen oder sogar zu einer 4-wöchigen Applikation übergehen und trotzdem noch einen guten Therapieeffekt erzielen. Hier habe sich gezeigt, dass das TDM nicht nur klinische, sondern auch ökonomische Vorteile bringe, betonte Lambert. Deshalb werden die TDM-Studien in Gent auch staatlich gefördert.
Mittlerweile konnte die Arbeitsgruppe ausser für Adalimumab auch für Ustekinumab, Secukinumab, Guselkumab und Ixekizumab die Zielwerte definieren (siehe Tabelle); Zielwerte für Risankizumab, Tildrakizumab und Brodalumab sind noch in der Erforschung. Verschiedene Unternehmen arbeiten derzeit an der Entwicklung der entsprechenden ELISA-Tests, mit denen das TDM ermöglicht werden soll. Um die Vorteile des TDM auf die Therapieergebnisse bei Psoriasis zu dokumentieren, wird derzeit die Studie HELIOS aufgesetzt. Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis erhalten darin die Biologika Secukinumab, Ixekizumab oder Guselkumab für mindestens 6 Monate. Bei jeweils der Hälfte der Patienten erfolgt die Dosierung nach den TDM-Resultaten mit einer schrittweisen Dosisanpassung, während die andere Hälfte mit den Standarddosierungen behandelt wird. Die Studie soll zeigen, ob ein proaktives TDM mit Dosisanpassung der Standarddosierung bezüglich Krankheitskontrolle (PASI ≤ 2) überlegen ist. Die Studiendauer ist auf 18 Monate angesetzt. Für Infliximab liegt bereits eine entsprechende Studie bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen oder Psoriasis vor, in der mit TDM die Krankheitskontrolle signifikant gesteigert werden konnte: Eine anhaltende Krankheitskontrolle über 52 Wochen wurde in dieser Studie bei 73,6 Prozent der TDM-Patienten erzielt, verglichen mit 55,9 Prozent unter Standardtherapie (5). Darüber hinaus sollten Dermatologen heute mehr als die Haut im Blick haben. Neben der Therapieoptimierung in Bezug auf die Psoriasis sollten auch Komorbiditäten berücksichtigt und in das therapeutische Konzept einbezogen werden, betonte Lambert abschliessend. So bringe man insgesamt mehr Qualität in das Management der Psoriasis-Patienten. s
Adela Žatecky
Quelle: Session «What’s new 4» bei der Jahrestagung der Schweizer Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV), am 8. September 2023, in Lausanne.
Referenzen: 1. Vicic M et al.: Current Concepts of Psoriasis Immunopathogenesis. Int J Mol Sci.
2021;22(21):11574. 2. Living EuroGuiDerm Guideline for the systemic treatment of psoriasis vulgaris. On-
line unter https://www.guidelines.edf.one/guidelines/psoriasis-guideline. 3. Schots L et al.: Blocking interleukin-17 in psoriasis: Real-world experience from the
PsoPlus cohort. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2023;37(4):698-710. 4. Mortlock RD et al.: Assessment of Treatment-Relevant Immune Biomarkers in Pso-
riasis and Atopic Dermatitis: Toward Personalized Medicine in Dermatology.J Invest Dermatol. 2023;143(8):1412-1422. 5. Syversen SW et al.: Effect of Therapeutic Drug Monitoring vs Standard Therapy During Maintenance Infliximab Therapy on Disease Control in Patients With Immune-Mediated Inflammatory Diseases: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2021; 326(23):2375-2384.
18 SZD 5/2023