Transkript
ALLERGOLOGIE/DERMATOLOGIE
Wege zur Diagnose
Allergien gegen Pollen, Pilze, Milben …
Die Allergologie ist ein wichtiges Querschnittfach. Auch unter dermatologischen Patienten finde sich ein grosser Teil mit allergologischen Problemen im HNO-Gebiet, betonte Dr. Adam Chaker, HNO-Arzt und Allergologie, TUM München, an der Tagung «Dermatologie kompakt & praxisnah».
Die Diagnostik bei Allergien gegen Aeroallergene ist standardisiert und umfasst laut Chaker folgende Punkte: s Anamnese und Symptomerfassung s klinische Untersuchung (inkl. Nasenendoskopie) s Funktionsdiagnostik (Rhinomanometrie, Spirometrie,
fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid [FeNO]) s Allergiediagnostik s ggf. Bildgebung s Serodiagnostik (Immunglobulin E, Immundiagnostik),
Blutbild, ggf. Biopsien
Welche Fragen muss man stellen?
Bei der Erhebung der Anamnese ist es wichtig zu fragen, warum der Patient kommt, was ihn beziehungsweise sie am meisten stört und warum Sie heute konsultiert werden. Gerade bei den Aeroallergenen gilt es, obere und untere Atemwege zu erfassen. Chaker fragt deshalb immer auch nach komorbidem Asthma, chronischem Husten, Infektneigung und Sinusitiden, ausserdem auch nach atopischem Ekzem und urtikariellen Reaktionen. Ist auch die Lunge involviert (z. B. bei Asthma), besteht mehr Handlungsbedarf. Manche Patienten nehmen sich auch gar nicht als Asthmatiker wahr. Dann hilft die folgende Frage weiter: «Werden Sie manchmal in den frühen Morgenstunden wach durch Husten oder Atemnot?» Dieses betrifft auch Schimmelpilz- oder Milbenallergiker mit asthmatischen Reaktionen. Ausserdem ist es wichtig, die Manifestationsorte, also Nase und Nasennebenhöhlen, Konjunktiven, Bronchien, Mundhöhle, sowie die genauen Symptome (nasale Obstruktion, Juckreiz, Niesreiz, Riechstörungen, Sekretion,
KURZ & BÜNDIG
� Interagieren Sie mit anderen Fachdisziplinen, indem Sie auch das pharmakologische Management gezielt auf die einzelnen Etagen abstimmen.
� Versuchen Sie so gut wie möglich, die Sensibilisierungen und die Entzündungslast zu charakterisieren.
� Bieten Sie die Patienten wieder auf, um den Therapieerfolg zu kontrollieren.
� Vergessen Sie nicht die spezifische Immuntherapie als langfristige Option.
Tränen, Kurzatmigkeit, Giemen, Exazerbationen) abzufragen. Gehen Sie dabei auch explizit auf mögliche lokodiurnale Muster (z. B. Besserung am Wochenende, überwiegend Symptome bei der Arbeit oder nachts oder weniger Beschwerden am Meer oder in den Bergen), Saisonalität und offensichtliche und vermutete Auslöser ein. Um das Bild abzurunden, sollte man Lebensmittelallergien und ein orales Allergiesyndrom erfassen, weil dies als Kreuzreaktivität gerade bei den Birkenpollenallergikern klinisch relevant ist. Anaphylaxien in der Vorgeschichte sind ebenfalls wichtig, zum einen wegen der Versorgung mit einem Notfallset und auch, wenn später eine spezifische Immuntherapie geplant ist.
Untersuchung der Atemwege
Beim Endoskopieren der Nase sollte man zunächst die Mukosa, das Nasenseptum und die Nasenmuscheln beurteilen; eine gängige Differenzialdiagnose können zum Beispiel Nasenpolypen (chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen) sein. In seltenen Fällen gibt es auch Lymphome und Karzinome in der Nasenhaupthöhle. Eine Endoskopie der Nase erfordert HNO-ärztliche Expertise.
Hauttest
Den Skin-Pricktest könne man als das «working horse» der Allergiediagnostik bezeichnen, so Chaker. Er ist die billigste, sicherste und einfachste Methode, einen guten Überblick über Sensibilisierungsmuster zu bekommen. Idealerweise sollte er mit standardisierten zugelassenen Extrakten erfolgen. Bei seltenen Allergenen ist ein Prick-to-Prick-Test möglich. Es ist aber zu berücksichtigen, dass ein Prick-to-PrickTest viel gefährlicher sein kann, da das Allergen nicht standardisiert ist. Und das könnte schwere Anaphylaxien nach sich ziehen. Chaker favorisiert diese Methode daher nicht: «Wenn ich kein standardisiertes Aeroallergen zur Verfügung habe, würde ich die Labordiagnostik bevorzugen.» Vorteile des standardisierten Prick-Hauttests sind hohe Spezifität, Einfachheit und Schnelligkeit, der Nachteil: Er ist nur mässig sensitiv. Zudem können die Soforttypreaktionen durch diverse Einflussfaktoren wie Medikamente beeinflusst werden. In der Regel kommt es dann zu einer Unterdrückung der Reaktion. Glukokortikoide, Psychopharmaka (Trizyklika, Neuroleptika) und länger wirksame H2-Blocker (Astemizol [in der Schweiz nicht mehr im Handel]) sollten deshalb mehrere Wochen vor der Testung abgesetzt werden. Deshalb sollten
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vor einem Hauttest Anaphylaxien in der Vorgeschichte und Medikamenteneinnahmen erfragt werden, und eine schriftliche Aufklärung über Testverfahren sollte erfolgen. Was wird getestet? Es gibt ein europäisches Panel, das grösstenteils gut funktioniert, für Mittel- oder Nordeuropa aber nicht immer geeignet ist. Chaker orientiert sich an dem Vorschlag von Rueff et al. aus der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (1) (Tabelle). Leider gibt es aktuell immer wieder Einschränkungen bei der Lieferbarkeit einzelner Testallergene. Bei eindeutigen anamnestischen Angaben und dazu passendem Hauttest ist keine weitere Diagnostik nötig. Auf dieser Basis kann man sehr sauber therapieren. Meistens ist es aber nicht so eindeutig.
In-vitro-Diagnostik
Die In-vitro-Diagnostik hat viele Vorteile. Die extraktbasierte Testung von spezifischem Immunglobulin E (IgE) involviert sowohl allergenspezifische Komponenten als auch kreuzreaktive Allergenkomponenten. Allerdings ist die komponentenbasierte Testung mit molekularen Testallergenen wesentlich zielgenauer. Hierdurch lassen sich zum Beispiel spezifische IgE im Serum gegen Bet v1 und seine Homologe erfassen sowie primäre und sekundäre Sensibilisierungen und kreuzreaktive Muster diagnostizieren. Bei den gängigen respiratorischen Allergien, zum Beispiel gegen früh blühende Bäume, zeigen die Sensibilisierungsprofile gegen MajorAllergene ein potenzielles Ansprechen auf eine spezifische Immuntherapie an, während bei Profilin-Sensibilisierungen ein Ansprechen eher fraglich ist. Ähnlich ist es bei Gräserallergien mit den Major-Allergenen (z. B. Phl p1 und Phl p5), die auf eine relevante und gut immuntherapierbare Primärsensibilisierung hinweisen. Wichtig sei auch die Kreuzreaktivität zu Olive und zu Esche, betonte Chaker: Wenn zum Beispiel eine Immuntherapie gegen Birke versage, könne eine Kreuzsensibilisierung gegen Esche oder Olive eine Erklärung sein.
Allergenprovokation
Diese diagnostische Methode ist ein weiteres wichtiges Instrument. Bei der nasalen Allergenprovokation mit standardisierten Testallergenen werden Symptome beobachtet und eine Rhinomanometrie sowie eine Flow-Messung durchgeführt. Eine Abnahme des nasalen Flows von über 40 Prozent oder mehr als 3 Symptome gelten als positive Reaktion. Bei einer Abnahme von unter 40 Prozent und weniger als 3 Symptomen sollte der Test wiederholt werden. Konjunktivale Provokationen sind gut reproduzierbar, aber seltener etabliert. Bronchiale Allergenprovokationen sind zum Beispiel in der Arbeitsmedizin oder in klinischen Studien üblich und ebenfalls eher in spezialisierten Zentren etabliert. An Funktionsdiagnostik der Atemwege steht neben der Rhinomanometrie zur Beurteilung der Nasenatmung die Spirometrie zur Verfügung, um eine bronchiale Obstruktion aufzudecken. Die Messung von exhaliertem NO bei Asthma wird inzwischen häufig eingesetzt.
Tabelle:
Wichtige Aeroallergene für den Hauttest bei Erwachsenen (1)
Pollen ▲ Beifuss ▲ Birke ▲ Erle ▲ Esche ▲ Gräser ▲ Hasel ▲ Olive ▲ Parietaria (Glaskraut) ▲ Platane ▲ Ragweed (Beifussambrosie) ▲ Wegerich ▲ Zypresse Schimmelpilze ▲ Alternaria alternata ▲ Aspergillus fumigatus ▲ Cladosporium herbarum Milben, Epithelien u. a. ▲ Dermatophagoides farrinae ▲ Dermatophagoides pteronyssinus ▲ Hundehaare/-schuppen ▲ Katzenhaare/-schuppen ▲ Naturlatex ▲ Acarus siro ▲ Lepidoglyphus destructor ▲ Tyrophagus putrescentiae Kontrollen ▲ NaCl 0,9% ▲ Histamindihydrochlorid 1,0%
Als intermittierend gelten weniger als 4 Tage pro Woche
oder insgesamt weniger als 4 Wochen, als persistierend mehr
als 4 Tage pro Woche und mehr als 4 Wochen insgesamt.
Lebensqualitätsparameter sind die Schlafqualität, schulische
oder berufliche Leistungen, Alltagstätigkeiten und sportliche
Aktivitäten. Der Einfluss der Symptome ist entscheidend für
die Therapieentscheidung, also zum Beispiel für die Wahl
zwischen zunächst symptomatischer medikamentöser The-
rapie oder einer klaren Indikation zur spezifischen Immun-
therapie.
s
Vera Seifert
Quelle: Vortrag «Praxisnahe allergologische Diagnostik bei Allergie gegen Aeroallergene» von Dr. Adam Chaker, München, im Rahmen der Tagung «Dermatologie kompakt & praxisnah» am 18. Februar 2022 (virtuell).
Dieser Artikel erschien erstmals in «DERMAforum» 9/22. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin. Anpassungen an Schweizer Verhältnisse erfolgten durch die Redaktion von ARS MEDICI.
Lebensqualität beurteilen
Um die Beeinträchtigung durch die Symptome beurteilen zu können, sollte man nach der Dauer der Symptome fragen.
Literatur: 1. Rueff F et al.: Hauttests zur Diagnostik von allergischen Soforttypreak-
tionen: Allergo J. 2010;19:402-415.
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