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Schlaganfall
Jede fünfte Studie wird nicht vollständig publiziert
Dass Studien mit unerwünschtem Ausgang gelegentlich in der Schublade verschwinden, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Kürzlich hat eine Arbeitsgruppe um Lora M. Gibson, Universität Edinburgh, noch einmal das Ausmass eines Publikationsbias ins Gedächtnis gerufen. Die Forscher fanden heraus, dass jede fünfte abgeschlossene Schlaganfallstudie anschliessend nicht vollständig publiziert wird. Damit gingen substanzielle klinische Erkenntnisse verloren, meint Gibson. Ihre Arbeitsgruppe hatte die Datenbank des Cochrane Stroke Group’s Specialized Register of Trials nach Medikamentenstudien bei ischämischem Schlaganfall durchsucht. Sie fanden heraus, dass 125 von 940 Studien nie vollständig in einer Fachzeitschrift mit Peer Review oder als Buchkapitel veröffentlicht wurden. An diesen Untersuchungen nahmen mehr
als 16 000 Patienten teil, 89 medikamentöse Interventionen standen zur Prüfung. Die grösste unpublizierte Studie umfasste 856 Patienten, daneben gab es auch sehr kleine Untersuchungen. «Die meisten Studien waren aber gross genug, um die klinische Praxis oder Metaanalysen beeinflussen zu können», sagt Professor Peter A.G. Sandercock, Neurologe an der Universität von Edinburgh und einer der Studienautoren. Zudem hätten Patienten und die Wissenschaft grundsätzlich ein Anrecht auf die Publikation der Ergebnisse. Sein Kollege Marc Fisher vom University of Massachusetts Memorial Health Center in Worcester, sieht den eingetretenen Erkenntnisschaden etwas weniger dramatisch. In einem Interview mit «Medscape Neurology» verweist er auf verschiedene nicht publizierte Phase-2-Studien, die ohne-
hin keine Aussagen über die Wirksamkeit
zuliessen. Die nachfolgenden Phase-3-Stu-
dien seien dann aber publiziert worden.
«Die randomisierten und kontrollierten Stu-
dien sind es, die uns Ärzte intereressieren»,
meint Fisher. Ausserdem gibt er zu beden-
ken, dass eine ausbleibende Publikation
nicht immer Ausdruck von absichtsvollem
Verschweigen oder von Nachlässigkeit sei;
manchmal sei es der schlichte Umstand,
dass ein Paper zwar eingereicht, aber nicht
akzeptiert würde. Wie viele der 125 nicht
publizierten Studien aus diesem Grund im
Dunkeln geblieben sind, wissen allerdings
auch die Studienautoren nicht zu sagen.
Fisher rät Kollegen, die an einer Studie teil-
nehmen wollen, vorher genau festzulegen,
wer die Kontrolle über die Daten nach Stu-
dienabschluss hat. «Wenn die Studie nega-
tiv ist, bricht die Firma womöglich die fi-
nanzielle Unterstützung ab, was bedeuten
kann, dass kein Statistiker mehr zur Verfü-
gung steht und der komplette Datensatz
nicht zugänglich ist.»
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U.B.
Quelle: www.medscape.com/viewarticle/721023
Nachlässige Handhabung
Rivastigminpflaster: Vorsicht vor Überdosierung
Demenzkranke haben nicht selten Schwierigkeiten mit der Einnahme von Tabletten. Für sie sind Medikamentenpflaster (TTS) eine willkommene Alternative. Rivastigmin transdermal kann so sicher und bei guter Verträglichkeit appliziert werden. Dies hat eine Doppelblindstudie mit fast 1200 Patienten vor wenigen Jahren bestätigt (Int J Geriatr Psychiatry 2007; 22: 456–467). Doch die eigentlich einfache Handhabung kann in der Praxis offenbar mitunter zu Nachlässigkeiten verleiten. So sind einige Fälle von Medikationsfehlern und unsachgemässer Anwendung bei den deutschen Gesundheitsbehörden gemeldet worden. Darauf hat nun die Herstellerfirma Novartis in Absprache mit der EMA (European Medicines Agency) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) mit einem Informationsbrief reagiert. Darin heisst es, dass in einigen Fällen verbrauchte Pflaster nicht entfernt und dadurch mehrere Pflaster gleichzeitig angewendet wurden. Weitere Fehler sind die Applikation auf nicht empfohlene Hautstellen oder auf demselben Areal über mehrere Wochen, gelegentlich wurden auch Pflaster zerschnitten und die Dosierung nicht eingehalten. Symptome einer Überdosierung sind Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Hypertonie und Halluzinationen. Bradykardie und/oder Synkopen, die mit Unwohlsein oder Stürzen verbunden sein können, können ebenfalls als Folge auftreten. «Wie bei Medikationsfehlern und -missbrauch generell der Fall, können schwerwiegende medizinische Folgen einschliesslich Tod des Patienten eintreten, wenn der Missbrauch
oder Fehler nicht zeitnah korrigiert wird und eine angemessene Überwachung und Nachbehandlung unterbleibt», heisst es in dem Informationsbrief. Ob und wie häufig schwerwiegende Folgen aufgetreten sind, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Die Ärzte werden jedenfalls aufgefordert, das Pflegepersonal zur sachgerechten Anwendung der Pflaster anzuhalten. Rivastigmin dürfe zudem nur verabreicht werde, wenn gewährleistet sei, dass eine Pflegekraft zur Verfügung steht, die die Medikation verabreicht und überwacht. Folgendes ist dabei zu beachten: Es darf nur ein Pflaster pro Tag auf einem gesunden Hautareal aufgeklebt werden. Empfohlene Körperstellen sind der obere oder untere Rückenbereich sowie Oberarm oder Brustkorb. Das Pflaster muss täglich durch ein neues ersetzt werden. Um Hautreizungen zu minimieren, sollten Pflaster möglichst nicht mehrfach innerhalb von 14 Tagen auf dieselbe Hautstelle appliziert werden. Pflaster dürfen zudem nicht zerschnitten werden. ■
U.B.
428 ARS MEDICI 11 ■ 2010