Transkript
Editorial
Die Redaktion von ARS MEDICI hat seinerzeit – lange ists her – über Jahre und am Ende leider vergebens vor dem Tarmed gewarnt. Nichts gegen ein betriebswirtschaftlich begründetes Abrechnungssystem, aber es hätte eigentlich jedem und jeder nach kurzer Zeit klar sein müssen, wozu der Tarmed missbraucht werden würde: zur Kostendämpfung der Krankenkassen auf Kosten der «Leistungserbringer». Und da die Kassen mit einer exorbitant guten Lobby in den Parlamenten vertreten sind, gelang es ihnen auch, den Tarmed in der ihnen genehmen Form politisch durch-
wird bei politischen und wirtschaftlichen Zwängen enden. Was als Rettung des Hausarztsystems verkauft wird, droht, wenn die Ärzte nicht aufpassen und darauf beharren, in erster Linie Ärzte zu sein und eben nicht nur «Leistungserbringer»,
Wiederholt sich die Geschichte?
zudrücken. Mit dem wenig erfreulichen Resultat müssen vor allem die mit einer Besserstellung gegenüber ihren besser verdienenden Facharztkollegen geköderten Hausärzte leben. Sie haben sich nolens volens daran gewöhnt – die jungen Kollegen haben eh nie etwas anderes gekannt. Angesichts dieser Geschichte erstaunt die kritikarme Bereitschaft der standesorganisierten Ärzteschaft, auf die Forderungen der Politik (der zum Teil gleichen PolitikerInnen wie beim Tarmed) nach Managed-Care-Modellen einzugehen, schon etwas. Nichts gegen bessere Qualität (hatten wir bisher eine schlechte?) und niedrigere Kosten (bei gleicher oder gar mehr Leistung?), aber was hier droht, ist eine Wiederholung der Geschichte. Den Kassen und «der Politik» geht es mitnichten um eine bessere, angemessen honorierte Leistung, sondern darum, die Kosten zu senken. Auf Kosten der «Leistungserbringer» und in letzter Konsequenz der Patienten. Vorhersagbar ist auch: Was mit Anreizen und Steuerungsmassnahmen beginnt,
zum Ende des Hausarztsystems in der bisherigen Form zu werden. Dass auch Managed-CareModelle, wie immer sie ausgestaltet sein mögen, nicht in der Lage sein werden, bessere Leistung zu gleichen Preisen (bzw. Kosten) oder gleiche Leistung zu niedrigeren Preisen oder, wie erwartet, gar bessere Qualität zu niedrigeren Preisen zu liefern, muss eigentlich jedem und jeder einleuchten. Tut es den Kassenverantwortlichen auch. Nur logisch, dass sie erwarten, dass wir in diesen von ihnen diktierten marktwirtschaftlichen Systemen auch noch Budgetverantwortung übernehmen. Dann ist auch gleich klar, wer am Ende Schuld daran ist, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden konnten. Und wer die Folgen trägt. Einmal mehr.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 12 ■ 2010 465