Transkript
BERICHT
Highlights vom Heart-Failure-Kongress 2023
Herzinsuffizienz: Stellenwert innovativer und experimenteller Therapien
Heart Failure
& 2023World Congress on Acute Heart Failure
Die Kombination aus einem Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), einem Betablocker, einem SGLT2-Inhibitor und einem Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA) bildet die Basis einer modernen Herzinsuffizienztherapie. Allerdings gibt es Situationen und Pathologien, bei denen diese Therapien nicht ausreichen. Innovative Ansätze im Management der Herzinsuffizienz und deren klinischer Stellenwert wurden in einer Sitzung des Heart-Failure-Kongresses 2023 in Prag diskutiert.
20-23 M AY PRAGUE & ONLINE
Annual Congress of the Heart Failure Association of the ESC
www.escardio.org/heartfailure #HeartFailure2023
Eine Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) beginne typischerweise mit einer Phase sehr hohen Risikos, so Prof. Dr. Javed Butler von der University of Mississippi. Mit dem Auftreten respektive der Zunahme massgeblicher Risikofaktoren nimmt die Leistungsfähigkeit des Herzens über die Jahre ab. Eine Diagnose liegt dann in aller Regel noch nicht vor – und ohne Diagnose haben die Betroffenen folglich keine risikoreduzierende Therapie. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Therapie begonnen wird, nimmt das Risiko ab, erreicht dabei aber niemals das Niveau von Gesunden. Diese Phase dauert bei guter Einstellung unter Umständen viele Jahre. Langfristig kommt es jedoch trotz optimaler medizinischer Therapie zur Progression der Herzinsuffizienz. Diese Phase ist durch abnehmende Lebensqualität und häufige Hospitalisierungen geprägt, bis schliesslich die Therapie ihre Wirkung verliert. Ist dieser Zustand erreicht, bleiben, je nach zugrunde liegender Pathologie, nur noch die Herztransplantation, unter Umständen inotrope Massnahmen oder die Palliation (1). Butler wies darauf hin, dass auch in den Studien zu wirksamen Therapien wie den SGLT2-Inhibitoren oder Sacubitril/Valsartan das Risiko ungeachtet der erfolgreichen Behandlung nach wie vor hoch bleibe – wenn auch nicht so hoch wie in den Plazeboarmen. Aus diesen Daten ergebe sich eine klare Forderung: «Wir benötigen mehr und bessere Therapien.»
Relaxation des Myokards über den NO-Pathway
Eine der neuen Therapien ist Vericiguat, ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC). Die sGC katalysiert die Umwandlung von Guanosintriphosphat (GTP) in zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP). Physiologisch wird die sCG durch NO aktiviert, das jedoch bei hohem oxidativen Stress nicht mehr in ausreichender Menge vorhanden ist.
Damit bewirkt Vericiguat auch in Abwesenheit von NO über den NO-Pathway eine Vasodilatation und verbessert damit die Relaxation des Myokards. Antiproliferative und antifibrotische Effekte werden diskutiert (2). Die Wirksamkeit von Vericiguat bei sich verschlechternder Herzinsuffizienz wurde in der VICTORIA-Studie demonstriert, die eine signifikante Reduktion des Risikos von Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod in einer Population von Patienten nach akuter Dekompensation zeigte (3). Angesichts des relativ kleinen Vorteils von 10 Prozent im Vergleich zu Plazebo (vor dem Hintergrund einer optimierten Standardtherapie) stellt sich nun die Frage, welche Rolle Vericiguat im klinischen Alltag spielen kann. Eine Antwort könnte eine Analyse der VICTORIA-Studie geben; sie schlüsselte die Effekte der Therapie nach dem NTproBNP-Spiegel auf. Dabei zeigte sich, dass die Patienten in der höchsten Quartile nicht von Vericiguat profitieren. Eine weitere Analyse, die den NTproBNP-Wert nicht in Quartilen, sondern als Kontinuum auswertete, fand eine signifikante Wirkung von Vericiguat bis zu einem NTproBNP von 8000 pg/ml. Butler betont jedoch, dass das NTproBNP nicht zum Zeitpunkt des akuten Ereignisses, das zum Einschluss in die Studie geführt habe, sondern einige Wochen danach gemessen worden sei. Seiner Ansicht nach bedeutet dies, dass Patienten, bei denen nach einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz das NTproBNP auch unter optimierter Therapie extrem erhöht bleibt, keine Kandidaten mehr für eine Therapie mit Vericiguat sind. Im Gegensatz dazu ist bei Patienten, bei denen es nach Akutbehandlung und Optimierung der konventionellen Therapie zu einer leichten Verbesserung kommt, mit einem zusätzlichen Nutzen durch die Behandlung mit Vericiguat zu rechnen. Bei Patienten mit niedrigerem NTproBNP betrug die Risikoreduktion deutlich mehr als die 10 Prozent in der Gesamt-
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population und reichte bis zu signifikanten 27 Prozent (4). Butler unterstrich auch, dass Verciguat keine der 4 Säulen der HFrEF-Therapie ersetzen könne und solle. Die relativ neue Substanz habe ihren Platz als fünfte Säule neben ARNI, Betablocker, SGLT2-Inhibitor und MRA in der Therapie von Patienten mit sich verschlechternder HFrEF.
Sonderform der Herzinsuffizienz: ATTR-Amyloidose
Eine Sonderform der Herzinsuffizienz tritt infolge einer ATTR-Amyloidose auf, die durch Bildung und Ablagerung von Amyloidfibrillen charakterisiert ist. Amyloidfibrillen entstehen, wenn in der Leber gebildetes und physiologischerweise als Tetramer sezerniertes Transthyretin (TTR) in Monomere dissoziiert, die in weiterer Folge zu Amyloidfibrillen aggregieren. Die Ablagerung der abnormen TTR-Varianten kann beispielsweise im Nervensystem, im Herzen oder im Magen-Darm-Trakt erfolgen. Es werde zwischen hereditären Formen der ATTR-Amyloidose, denen eine Mutation im TTR-Gen zugrunde liege, sowie erworbenen Formen der Krankheit unterschieden, so Dr. Pablo Garcia-Pavia vom Hospital Universitario Puerta de Hierro in Madrid. Er erläuterte, dass die pathophysiologische Kaskade theoretisch an 3 Stellen unterbrochen werden könne: durch Blockade der TTR-Synthese, durch Stabilisierung der TTR-Tetramere sowie durch Abbau des abgelagerten Amyloids. Für alle diese Angriffspunkte befinden sich Therapien in Entwicklung (5).
Tafamidis verlängert das Überleben auch in Langzeitanalysen
Seit einigen Jahren kann die ATTR-Kardiomyopathie mit dem selektiven TTR-Stabilisator Tafamidis behandelt werden. Tafamidis bindet an die Thyroxinbindungsstellen des TTR und verlangsamt damit die Dissoziation des Tetramers. Dass dies klinisch hochrelevant ist, wurde in der Zulassungsstudie ATTR-ACT mit einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 30 Prozent über 1,5 Jahre demonstriert (6). Dieser Nutzen ist nicht nur über längere Zeit nachweisbar, er nimmt mit fortlaufender Therapie sogar zu. Mit einem medianen Follow-up von knapp 5 Jahren zeigen aktuelle Daten eine Reduktion der Mortalität durch Tafamidis um 40 Prozent (wobei alle Plazebopatienten nach dem Ende der kontrollierten Studienphase auf Tafamidis umgestellt wurden) (7). Mittlerweile zeigen weitere Analysen der Studie, dass Tafamidis durch alle Subgruppen wirksam ist. Dies betrifft Patienten in NYHA-Klasse 3 ebenso wie Patienten über 80 Jahre, bei denen mit Tafamidis eine Verlängerung der Sechs-Minuten- Gehstrecke und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden konnten. Die Mortalität war auch in dieser Altersgruppe zumindest dem Trend nach reduziert (8). Ebenso zeigte sich, dass Patienten mit der Zufallsdiagnose einer ATTR-Amyloidose und noch normaler Herzfunktion einen besonders deutlichen Vorteil durch die Behandlung mit Tafamidis haben (9).
Keine Zulassung für neue inotrope Therapie
Eine weitere Substanz mit einem alternativen Wirkmechanismus ist der Myosinaktivator Omecamtiv-Mecarbil, der trotz einer statistisch signifikanten Wirkung in der Zulassungsstudie nicht die Zulassung durch die FDA erhielt. Ob und in
welcher Form die klinische Entwicklung dieser Therapie wei-
terlaufen wird, ist aktuell unklar. Prof. Dr. John R. Teerlink
von der University of California in San Francisco unterstrich
jedenfalls, dass Omecamtiv-Mecarbil die erste Substanz sei,
die spezifisch für die Behandlung der HFrEF entwickelt wor-
den sei. Omecamtiv-Mecarbil bindet direkt an β-Myosin und
erhöht die Anzahl an Querbrückenzyklen. Damit wirkt es
inotrop und erhöht die Auswurffraktion. Ein günstiger Ef-
fekt auf die systolische Funktion konnte nachgewiesen wer-
den (10). Diese und einige weitere Studien führten zur Pla-
nung der Phase-III-Studie GALACTIC-HF mit mehr als 8000
Patienten. Die Behandlung mit Omecamtiv-Mecarbil redu-
zierte in dieser Studie in einem sehr kranken Kollektiv von
Patienten mit HFrEF den kombinierten primären Endpunkt
aus Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und kardiovas-
kulärem Tod signifikant – dies allerdings nur um 8 Prozent
(11). Teerlink verwies auf Subgruppena nalysen, die zeigen,
dass die Patienten umso mehr profitierten, je niedriger ihre
linksventrikuläre Auswurffraktion war. Kamen weitere pro-
gnostisch ungünstige Parameter (wie hohes NTproBNP)
hinzu, nahm die Effektgrösse weiter zu. Im Gegensatz dazu
war ein Vorhofflimmern oder -flattern mit einem schlechten
Ansprechen assoziiert. Patienten, die unter Vorhofflimmern
litten und Digoxin erhielten, hatten sogar einen signifikanten
Nachteil durch Omecamtiv-Mecarbil. Die Hintergründe die-
ser Assoziation seien unklar, so Teerlink, der auch die gute
Verträglichkeit der Substanz betont, die sich im Gegensatz zu
anderen inotropen Substanzen nicht als arrhythmogen er-
wiesen habe.
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Reno Barth
Referenzen: 1. Greene SJ et al: Risk Profiles in Heart Failure: Baseline, Residual, Worse-
ning,andAdvanced HeartFailure Risk. CircHeartFail. 2020;13(6):e007132. 2. Butler J et al.: Soluble guanylate cyclase stimulators in patients with
heart failure with reduced ejection fraction across the risk spectrum. Eur J Heart Fail. 2022;24(11):2029-2036. 3. Armstrong PW et al.: Vericiguat in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction.N Engl J Med. 2020;382(20):1883-1893. 4. Ezekowitz JA et al.: N-Terminal Pro-B-Type Natriuretic Peptide and Clinical Outcomes: Vericiguat Heart Failure With Reduced Ejection Fraction Study. JACC Heart Fail. 2020;8(11):931-939. 5. Garcia-Pavia P et al.: Diagnosis and treatment of cardiac amyloidosis: a position statement of the ESC Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J. 2021;42(16):1554-1568. 6. Maurer MS et al.: Tafamidis Treatment for Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. N Engl J Med. 2018;379(11):1007-1016. 7. Elliott P et al.: Long-Term Survival With Tafamidis in Patients With Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. Circ Heart Fail. 2022;15(1):e008193. 8. Garcia-Pavia et al.: Efficacy of tafamidis in patients 80 years and older with transthyretin amyloid cardiomyopathy in ATTR-ACT. ACC 2023; Moderated Poster: Presentation 1065-5. 9. Gonzalez-Lopez E et al.: Prognosis of Transthyretin Cardiac Amyloidosis Without Heart Failure Symptoms. JACC CardioOncol. 2022;4(4):442454. 10. Cleland JG et al.: The effects of the cardiac myosin activator, omecamtiv mecarbil, on cardiac function in systolic heart failure: a double-blind, placebo-controlled, crossover, dose-ranging phase 2 trial. Lancet. 2011;378(9792):676-83. 11. Teerlink JR et al.: Cardiac Myosin Activation with Omecamtiv Mecarbil in Systolic Heart Failure. N Engl J Med. 2021;384(2):105-116. 12. Solomon SD et al.: Influence of atrial fibrillation on efficacy and safety of omecamtiv mecarbil in heart failure: the GALACTIC-HF trial. Eur Heart J. 2022;43(23):2212-2220.
Quelle: Heart Failure 2023, Session «Where to position the new HF drugs?» am 20. Mai 2023 in Prag.
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