Transkript
SCHWERPUNKT
Frühaborte und Abruptiones
Operative und medikamentöse Therapie
Aborte im ersten Trimenon und unerwünschte (Früh-)Schwangerschaften können sowohl medikamentös als auch chirurgisch angegangen werden; in ausgewählten Fällen kann beim Abort ein exspektatives Prozedere gewählt werden. Die Managements unterscheiden sich bezüglich möglicher Komplikationen und Resultate. Alle gelten als sichere Methoden, sodass die geeignete Vorgehensweise individuell festgelegt werden muss.
GIAN-PIERO GHISU, DANIEL FINK
Frühaborte
Bis zu 15% der klinisch feststellbaren Frühschwangerschaften enden als Abort. Verschiedene randomisierte Studien bestätigen, dass gerade bei oligooder asymptomatischen Patientinnen mit verifiziertem Frühabort ein exspektatives, medikamentöses oder chirurgisches Vorgehen als effektiv und sicher gelten.
Exspektatives Management Bei einer Grosszahl der Frühaborte folgt eine spontane, komplette Ausstossung des Schwangerschaftsproduktes (1). Im Vergleich zur Operation sind beim exspektativen Ansatz die Risiken einer inkompletten Entleerung, vermehrten Blutung und ungeplanten Kürettage erhöht (2). Randomisierte Studien, welche exspektatives und medikamentöses Vorgehen gegenüberstellen, berichten von vergleichbaren Expulsionsraten (3, 4). Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen hat das exspektative Vorgehen durchaus seine Berechtigung, wenn es von der aufgeklärten Patientin erwünscht ist.
Chirurgisches Management Jahrelang wurde der Frühabort chirurgisch angegangen, wodurch man sich weniger Infekte und Blutverlust durch das retinierte Gewebe erhoffte. In der Tat ist die komplette Uterusentleerung am schnellsten operativ, dann medikamentös und schliesslich exspektativ zu erzielen (5). Trotz der anästhesiologischen Risiken und der relativ seltenen Komplikationen wie uterine Perforation, Entstehung von intrauterinen Adhäsionen, Verletzungen des Gebärmutterhalses und Infektionen gilt die fachgerechte chirurgische Entleerung des Uterus als sicher und effektiv (5). Die Indikation wird auf Wunsch der Patientin gestellt oder aufgrund der Klinik, etwa bei starker vaginaler Blutung oder septischem Abort nach antibiotischer Vorbehandlung.
Medikamentöses Management Durch den inzwischen breit praktizierten Einsatz von Prostaglandinanaloga können Hospitalisationskosten gesenkt und Operationskomplikationen vermieden werden (6). Im Vergleich zur chirurgischen Therapie scheint das medikamentöse Vorgehen mit einer längeren Blutungsdauer und einem ausgeprägteren Hb-Abfall verbunden zu sein (7). Sicherheit und Effektivität des Prostaglandin-E1-Analogons Misoprostol, eine der am häufigsten eingesetzten Substanzen, sind zwar gut untersucht, der Wirkstoff ist für die Behandlung der Aborte jedoch nicht zugelassen (off label use). In einer repräsentativen, randomisierten Studie verglich Zhang bei 652 Frauen mit «missed abortion», Abortus incompletus oder incipiens im ersten Trimenon die chirurgische versus die Misoprostoltherapie (8): 30 Tage nach Therapiebeginn wurde eine komplette Entleerung des Uterus bei 84% der medikamentös und bei 97% der chirurgisch behandelten Patientinnen beschrieben (Abbildung 1). Die Erfolgsrate der Misoprostoltherapie ist von der Dosierung und dem Applikationsort abhängig: Eine Einmaldosis von 400 µg Misoprostol führt in nur 13% der Fälle zur Uterusentleerung (5), während mit wiederholten Applikationen von 400 µg eine Rate vollständiger Expulsion von 50 bis 70% erzielt wird (5). Bei Dosen von 600 bis 800 µg, vaginal appliziert, wurde sogar über Erfolgsraten von 70 bis 90% berichtet (5). Durch die vaginale Applikation ist ein direkter Effekt auf die Zervix und eine hohe Bioverfügbarkeit im Zielorgan zu erzielen (5). Die perorale Applikation scheint gleich effektiv zu sein, ist aber mit mehr Nebenwirkungen verbunden (5). Da weder die optimale Dosis noch der Applikationsweg und die -frequenz definiert sind, wurde durch Experten der WHO 2007 ein Konsensusblatt erarbeitet, in dem zwei verschiedene Misoprostolregime vorgeschlagen werden (9) (Tabelle 1).
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SCHWERPUNKT
Abbildung 1: Vergleich medikamentöses versus chirurgisches Management bei Frühabort
Tabelle 1:
Misoprostolanwendung beim Frühabort/zum Schwangerschaftsabbruch und Antibiotikaprophylaxe
Indikation Misoprostol: «missed abortion» (0–12 SSW) (9)
Abortus incompletus (0–12 SSW) (9) Induzierter Abort (0–12 SSW)
Zervixpriming vor instrumenteller Ausräumung (15) Antibiotikaprophylaxe: Chirurgische Abruptio (14)
Dosierung/Applikationsort/Dauer
■ 800 μg vaginal, Einmaldosis oder ■ 600 μg sublingual, Einmaldosis 600 μg oral, Einmaldosis
800 μg vaginal (Schweiz: 400 μg p.o.) Bemerkung: Vorbehandlung mit Mifepriston 200 mg, 48 h zuvor 400 μg vaginal, 3 Stunden vor Intervention
■ Doxycyclin 100 mg p.o., 24 h und 12 h präoperativ ■ Ofloxacin 400 mg p.o., 24 h und 12 h präoperativ ■ Ceftriaxon, 1 g i.v., 30 Minuten präoperativ
Weiterführen der Prophylaxe während mind. 3 Tagen postoperativ.
Für medikamentöse Abruptio keine Evidenz.
Andere Experten bevorzugen die Gabe von 400 µg Misoprostol vaginal alle 4 Stunden, mit einer Totaldosis von 1600 µg. Dieses Regime verbindet die Vorteile der gesteigerten Effektivität durch die vaginale Applikation mit der Minimierung der dosis- und applikationsortabhängigen Nebenwirkungen (5). Zwei Arbeiten, die den Einsatz von Mifepriston (ein Progesteronantagonist) bei Frühaborten (mit oder ohne Misoprostol) untersuchten, kamen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bezüglich Expulsionsrate zum relativen Risiko (RR): RR 9,50 (Mifepriston vs. Plazebo, Expulsion nach 5 Tagen) versus RR 1,08 (Mifepriston + Misoprostol vs. abwartendes Management, Expulsion nach 5 Tagen) (10). Langzeitraten in Bezug auf Eintreten und Ausgang von Folgeschwan-
gerschaften sind bei Frauen nach medikamentöser oder chirurgischer Behandlung eines Frühabortes vergleichbar (5). Bei gegebener Compliance und oligo- bis asymptomatischer Patientin ist die medikamentöse Abortbehandlung daher als durchaus geeignete Therapieoption anzusehen.
Sonografie zur Restmaterialdiagnostik Die Transvaginalsonografie zur Restmaterialdiagnostik stellt sich nicht selten als Herausforderung dar. Zur Frage, ab welcher Endometriumdicke Restmaterial vermutet werden soll, werden in der Literatur betreffend Cut-off verschiedene Empfehlungen abgegeben: eine Endometriumdicke von > 13 mm nach einem Frühabortgeschehen dürfte die beste Sensitivität und Spezifität (85 bzw. 64%) aufweisen (11). Geringere Endometriumdicken als Cut-off zeigen zwar eine höhere Sensitivität, aber auch eine merkliche Abnahme der Spezifität. Es gibt keine Endometriumdicke, unter der Restmaterial als sicher ausgeschlossen gilt. Die Echogenität der intrakavitären Befunde und dopplersonografische Zusatzinformationen könnten die Detektion von Restmaterial verbessern. Es sind allerdings weitere prospektive Studien mit dieser Fragestellung notwendig.
Kostenanalyse In der MIST-Studie (12) wurden 1200 Patientinnen mit «missed abortion» oder Abortus incompletus < 13 SSW randomisiert exspektativ, medikamentös oder chirurgisch angegangen. Die entstandenen Kosten wurden auf 1086, 1410 respektive 1585 englische Pfund geschätzt. In einer Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2009 wurden 24 Studien analysiert, die unter anderem Misoprostol gegenüber Plazebo und Operation sowie Misoprostolanwendungen bezüglich Dosierungen und Applikationsort verglichen. Die wichtigsten Erkenntnisse sind in der Tabelle 2 zusammengefasst. In den meisten analysierten Studien wurde der Einsatz von
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Misoprostol (v.a. vaginal appliziert) untersucht. Misoprostolanwendungen erwiesen sich in der Abortbehandlung als geeignete und günstige Methode. Zudem ist der Wirkstoff bei Raumtemperatur stabil, was gerade für den Einsatz in Ländern mit verminderter Infrastruktur von fundamentaler Bedeutung ist.
Schwangerschaftsabbrüche
Allgemeines Gemäss Zahlen der WHO aus dem Jahr 1997 werden weltweit jährlich rund 53 Millionen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Diese sind gerade in Entwicklungsländern für einen beachtlichen Teil der mütterlichen Sterblichkeit verantwortlich. In der Schweiz erfolgten 2011 11 079 Schwangerschaftsabbrüche. 95% davon wurden in den ersten 12 Schwangerschaftswochen durchgeführt (Fristenregelung). In 64% der Fälle erfolgte der Abbruch medikamentös (13). Nach einer chirurgischen Abruptio ist mit einer postoperativen Endometritisrate von 5% bis 20% zu rechnen; diese kann durch den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika um 50% gesenkt werden (14). Die gängigen Empfehlungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Für die Antibiotikaprophylaxe beim medikamentösen Abbruch besteht keine Evidenz. Die wichtigsten Punkte zu Inhalt und Prozedere hinsichtlich des Managements der Patientin mit erklärter Notlage sind in Abbildung 2 zusammengefasst.
Chirurgisches Verfahren (Saugkürettage) Die Morbidität des «sicheren» Schwangerschaftsabbruches durch eine erfahrene Fachperson hängt von Schwangerschaftsalter, Abbruchmethode, Patientinnenalter und Parität ab. Die tiefste Komplikationsrate besteht zwischen 49. und 56. Gestationstag. In 0,9% der Eingriffe kommt es zu Komplikationen wie Uterusperforationen und anästhesiologischen Problemen. Bei Frühstschwangerschaften ist mit einer erhöhten Therapieversagerrate (1–2%) zu rechnen. Im Gegensatz dazu ist der medikamentöse Abbruch gerade bei Frühstgraviditäten sehr effektiv, dagegen weniger bei fortgeschrittenerem Schwangerschaftsalter. Die der instrumentellen Kavumentleerung vorausgehende Zervixdilatation (meist mit Hegarstiften) kann durch den Einsatz von 400 µg Misoprostol vaginal drei Stunden präoperativ (15) erleichtert werden, dadurch reduzieren sich die Morbidität und Mortalität des Eingriffes. Mifepriston kann für das Priming ebenfalls verwendet werden, ist aber deutlich kostenintensiver. Die Implikationen bezüglich Folgeschwangerschaften: Nach einer Metaanalyse aus dem Jahr 2009 zeigt sich, dass ein vorausgegangener chirurgischer Schwangerschaftsabbruch mit signifikant erhöhten Risiken von niedrigerem Geburtsgewicht und Früh-
geburtlichkeit in der Folgeschwangerschaft assoziiert ist, jedoch nicht vermehrt mit «small for gestational age». Die Risiken nehmen mit der Anzahl vorausgegangener Abbrüche zu (16). Ältere Untersuchungen konnten diese Zusammenhänge allerdings nicht bestätigen. Eine dänische Studie zeigte zudem, dass keine Risikoerhöhung für Placenta praevia nach einer Abruptio besteht, allerdings wurde eine leichte Risikoerhöhung für Plazentaretentionen beschrieben (16).
Medikamentöse Verfahren Im letzten Jahrzehnt wurden verschiedene Methoden zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch eingeführt. Neben der bekannten MifepristonMisoprostol-Methode werden auch Mifepriston oder
Tabelle 2:
Misoprostol: verschiedene Anwendungen im Vergleich
Misoprostol vaginal versus Plazebo Ausstossung innert 24 h
Ausstossung innert 48 h
Komplette Ausstossung ohne Notwendigkeit einer Kürettage innert 7 Tagen Notwendigkeit einer Kürettage
Nebenwirkungen – Nausea – Diarrhö
Kostensenkung bei Therapiebeginn mit Misoprostol vs. dir. Kürettage Darauf folgende Fertilität Unterschiede Misoprostol vaginal versus sofortige Kürettage Senkung der Kürettagerate Nebenwirkungen – Nausea – Diarrhö Vaginales Misoprostol versus vaginales Prostaglandin E Vermeidung einer Nachkürettage Misoprostol: oral versus vaginal bzgl. kompletter Ausstossung – 400 μg Misprostol p.o. – 800 μg Misoprostol p.o. bzgl. Nebenwirkungen – Nausea – Diarrhö bzgl. Patientinnenzufriedenheit Misoprostol: sublingual versus vaginal bzgl. kompletter Ausstossung bzgl. Diarrhö Patientinnenzufriedenheit Würde gleiche Therapie bei gleichem Ereignis wählen – komplette Ausstossung nach Misoprostol – Abortus incompletus nach Misoprostol und Notwendigkeit einer OP
RR (95%-KI) 4,73 (2,70–8,28) 5,74 (2,70–12,19) 2,99 (1,80–4,99) 0,40 (0,26–0,60)
1,38 (0,43–4,40)* 2,21 (0,35–14,06)* *nicht signifikant 192 Euro (33–351)
Keine nennenswerte
RR (95%-KI) 0,42 (0,34–52)
21,85 (1,31–364,37) 40,85 (2,52–662,57) RR (95%-KI)
0,39 (0,21–0,72) RR (95%-KI)
0,29 (0,10–0,79) 0,96 (0,88–1,05)
0,29 (0,10–0,84) 1,05 (0,67–1,66) 0,96 (0,86–1,06) RR (95%-KI) 1,0 (0,85–1,18) 2,65 (1,48–4,38) % 58 76
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Abbildung 2: Schema des Vorgehens bei Schwangerschaftsabbruch. Überblick über Inhalt und Eckpunkte im Management der Patientin mit erklärter Notlage.
Prostaglandine als Monosubstanzen und Methotrexat mit Prostaglandinen als Abortiva eingesetzt. Der verhaltene Abort ist eine seltenere, aber nicht zu unterschätzende Komplikation des medikamentösen Vorgehens. Das teratogene Potenzial von Misoprostol oder Methotrexat muss beim Fortbestehen einer Schwangerschaft nach Anwendung dieser Substanzen bedacht werden. Das Antiprogestin Mifepriston ist zum medikamentösen Abbruch von Schwangerschaften bis zum 49. Gestationstag zugelassen. Der Einsatz zwischen dem 50. und 63. Gestationstag (off-label-use) ist mit einer geringeren, aber noch akzeptablen klinischen Wirksamkeit vergesellschaftet. Die alleinige Mifepristongabe führt zu einer unzureichenden Kavumsentleerungsrate von 64 bis 85%. Deshalb wird es in sequenzieller Anwendung mit einem Prostaglandinanalogon verabreicht, was zu einem kompletten Abort in 92 bis 98% der Fälle führt. Die übrigen Patientinnen benötigen eine Operation. Zudem muss jederzeit die Möglichkeit der chirurgischen Intervention im Fall einer stärkeren Blutung oder bei Abortus incompletus gegeben sein. Zum medikamentösen Abbruch mit Mifepriston/ Misoprostol sind zwei Protokolle in Gebrauch: ■ Das durch die FDA genehmigte, durch die Medi-
kamentenhersteller empfohlene und in der Schweiz gängige Schema umfasst den Einsatz von 600 mg Mifepriston p.o., danach 400 µg Misoprostol p.o., 36 bis 48 Stunden später unter dreistündiger medizinischer Beobachtung. ■ Eine alternative Empfehlung (evidence-based regime) sieht die Gabe von 200 mg Mifepriston p.o.
(Evidenzgrad IA), danach 800 µg Misoprostol vaginal nach 48 Stunden, vor. Vaginale Anwendungen des Misoprostols scheinen zwar wirksamer und nebenwirkungsärmer, werden aber mit einer erhöhten Infektgefahr in Verbindung gebracht. Berichtet wurde über einzelne Todesfälle nach medikamentöser Schwangerschaftsbeendigung durch Clostridieninfektionen nach vaginaler Misoprostolanwendung. Fehlende Meldungen solch dramatischer Fälle aus Europa werden mit der hier gängigen Praxis der oralen Applikation der Medikamente und dem verbreiteteren Antibiotikaeinsatz erklärt (17, 18). Insgesamt ist die Endometritisinzidenz nach medikamentöser Abruptio mit 1% deutlich geringer als nach einer chirurgischen, das Risiko einer tödlich endenden Sepsis wird auf 1:100 000 Abbrüche geschätzt (19). Obschon die Antibiotikaprophylaxe beim medikamentösen Vorgehen nicht auf Evidenz basiert, empfiehlt die amerikanische Gesellschaft Planned Parenthood (= bedeutendste Anlaufstelle bei Fragen um Abruptio in den USA) den Einsatz von Doxycyclin 100 mg p.o. zweimal täglich für 7 Tage (Beginn mit Mifepriston) zur Senkung der Endometritisrate. In Bezug auf das Intervall zwischen Mifepriston- und Misoprostolgabe scheint nach 24, 48 oder 72 Stunden Äquieffektivität zu bestehen. Für Gaben nach 72 Stunden finden sich keine Daten. Die häufigsten von Protokoll und Gestationsalter abhängigen Nebenwirkungen bei der sequenziellen Anwendung von Mifepriston und Misoprostol umfassen Bauchschmerzen und -krämpfe (häufig), verstärkte Blutungen (84–101 ml gegenüber 53 ml bei chirurgischer
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Methode; Hb-Abfall > 2 g/dl in knapp 8%), verlängerte Blutungsdauer (8–17 Tage). Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Nausea (34–72%), Erbrechen (12–41%) und Diarrhö (3–22%) müssen ebenfalls erwähnt werden (20). Längere Dauer der Prozedur und höherer Gesamtblutverlust, Wunsch nach Vermeidung des bewussten Wahrnehmens des Abbruchprozesses, Angst vor Schmerzen und emotionaler Belastung zählen zu den Gründen, weshalb Patientinnen den chirurgischen Abbruch vorziehen können, sofern beide Möglichkeiten, chirurgisch und medikamentös, aus medizinischer Sicht vertretbar sind. Allerdings würden nur 9% der Patientinnen, die einen medikamentösen Abbruch erlebten, im Falle einer erneuten unerwünschten Gravidität ein chirurgisches Vorgehen bevorzugen (20). Eine teratogene Wirkung des Misoprostols wird vermutet (20), beim Mifepriston kann sie nicht ausgeschlossen werden. Da bis zu 5% der Frauen die Nachkontrolltermine nicht wahrnehmen, muss auf das teratogene Potenzial obiger Medikamente bereits bei der Aufklärung hingewiesen werden. Bei fortbestehender Schwangerschaft (bei 1%), starker Blutung (bei 3%) und Abortus incompletus (bei 5%) muss in der Regel die Indikation zur instrumentellen Kavumentleerung gestellt werden. Eine operative Intervention ist insgesamt in 2 bis 10% der medikamentösen Abbrüche nötig. Eine zweite Misoprostolgabe kann bei vertretbarer Klinik versucht werden, womit in der Hälfte der Fälle noch eine Ausstossung bewirkt werden kann. Die Rate ist jedoch tiefer, wenn nach der ersten Misoprostolgabe noch eine positive fetale Herzaktion nachweisbar ist (20).
Abschliessende Bemerkungen
Die Antikonzeptionsberatung sollte präinterventio-
nell erfolgen, da eine Ovulation bereits zwei Wochen
nach der Abruptio und somit vor der nächsten Menst-
ruation möglich ist. Nach einer Abruptio lassen die
Schwangerschaftssymptome spätestens nach einer
Woche nach, die Menstruation tritt innert sechs Wo-
chen ein. Im gegenteiligen Fall sollten spätestens zu
diesem Zeitpunkt eine weiterhin bestehende Schwan-
gerschaft, eine (gleichzeitige) Extrauteringravidität
oder Restmaterial ausgeschlossen werden.
■
Dr. med. Gian-Piero Ghisu Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich E-Mail: gian-piero.ghisu@usz.ch
Prof. Dr. Daniel Fink Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich E-Mail: daniel.fink@usz.ch
merkpunkte
■ Medikamentöse Aborttherapien dauern länger, führen zu ausgeprägterem Hb-Abfall und erfordern mehrere Kontrollen im Vergleich zum chirurgischen Vorgehen; jedoch erlauben sie, Hospitalisationskosten zu senken und Operationskomplikationen zu vermeiden.
■ Zu optimaler Dosis, Applikationsort und –frequenz des Misoprostols gibt es zahlreiche Empfehlungen.
■ Der Vorteil einer Antibiotikaprophylaxe bei Durchführung einer chirurgischen Abruptio ist gut belegt; hingegen fehlt die Evidenz für eine entsprechende Prophylaxe beim medikamentösen Abbruch.
■ Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch hat eine hohe Akzeptanz: Nur 9% der involvierten Patientinnen würden im Falle einer erneuten unerwünschten Schwangerschaft ein chirurgisches Vorgehen wählen.
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