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Evidenzbasierte Dermokosmetika
Sind Anti-Aging-Kosmetikprodukte nachweislich wirksam?
Der Hautpflege kommt heutzutage eine immense Bedeutung zu – oft mit dem Ziel, möglichst lang attraktiv und jugendlich auszusehen. Dermokosmetische Produkte gegen Hautalterung sind begehrt und in allen Preisklassen erhältlich. Obschon einige evidenzbasierte Daten zu AntiAging-Dermokosmetika vorlägen, sei es schwierig zu beurteilen, welches Produkt das Geld tatsächlich wert sei, das Konsumenten dafür auslegen müssten, sagte Dr. med. Tatjana Pavicic, München, im Rahmen des 23. EADV-Kongresses an der EADV-Pressekonferenz und am Symposium «Can we really fight skin ageing?».
Die aktiven Inhaltsstoffe von Dermokosmetika, die der Hautalterung entgegenwirken, können in die beiden Hauptgruppen der Antioxidanzien und der Zellregulato-
ren eingeteilt werden. Antioxidanzien (z.B. die Vitamine C, E
und B3) verringern als Radikalfänger die Konzentration freier
Radikale, reduzieren die Aktivität der Matrixmetalloproteinase
und schützen vor Kollagenabbau. Zellregu-
latoren (z.B. Retinol, Peptide, Wachstums-
faktoren) aktivieren die Fibroblasten und
steigern die Produktion von Kollagen und
von extrazellulären Matrixbestandteilen.
Die in der Werbung von Anti-Aging-Kosme-
tika gemachten Versprechen sollten durch
wissenschaftliche Evidenz zur Galenik,
Wirksamkeit und Verträglichkeit untermau-
ert sein. Durch plazebokontrollierte Dop-
pelblindstudien sollte in vivo nachgewie-
Tatjana Pavicic
sen sein, dass das Produkt mit aktivem
Drei Kategorien von kosmetischen Wirkstoffen, die gegen Hautalterung eingesetzt werden
Kategorie I: Wirkstoffe mit Wirksamkeitsbelegen in vivo • Unterkategorie IA: Wirksamkeitsnachweis in plazebokontrollierten Dop-
pelblindstudien. Beispiele: Retinol und Derivate, Vitamin C, Alpha-Liponsäure, Salicyloyl-Phytosphingosin, Polypeptide, niedermolekulare Hyaluronsäure • Unterkategorie IB: Wirksamkeitsnachweis in Studien, die mit objektivierbaren Methoden in vivo durchgeführt wurden, aber nicht dem Design von plazebokontrollierten Doppelblindstudien entsprachen. Beispiele: Vitamin E, Niacinamid (Vitamin B3), Phytohormone
Kategorie II: Wirkstoffe mit Wirksamkeitsbelegen nur in vitro. Beispiele: Coenzym Q10, Polyphenole, Phytosterole
Kategorie III: Andere Wirkstoffe ohne evidenzbasierte Wirksamkeitsbelege (z.B. viele patentierte firmeneigene Substanzen)
(nach Dr. T. Pavicic und Referenz [1])
Wirkstoff im Vergleich zum Vehikel bessere Resultate erzielt. Mit einer Suche in der Datenbank PubMed erarbeitete die Fachgruppe Dermokosmetik der GD Gesellschaft für Dermopharmazie einen umfassenden Überblick über evidenzbasierte Anti-Aging-Dermokosmetika (1). Aufgrund der vorliegenden Evidenz wurde eine Klassifizierung in drei Kategorien vorgenommen (Kasten).
Retinol noch immer Goldstandard Die biologisch aktive Form von Vitamin A (Retinol) ist die AllTrans-Retinsäure (Tretinoin, Retin A, Vitamin-A-Säure), die als potenter verschreibungspflichtiger Arzneistoff nicht in Kosmetika eingesetzt wird. Zu den weniger potenten Retinoiden, die in der Haut in die biologisch aktive All-Trans-Retinsäure umgewandelt werden und in Dermokosmetika in Konzentrationen bis 0,3 Prozent anzutreffen sind, gehören freies Retinol, der Ester Retinylpalmitat sowie Retinylaldehyd. In einer Studie konnte beispielsweise bei dreimal wöchentlicher Anwendung einer retinolhaltigen Lotion nach 6 Monaten klinisch eine signifikante Verminderung feiner Fältchen und biochemisch eine signifikante Synthesesteigerung von Prokollagen-1 und Glykosaminglykan nachgewiesen werden. Es ist auch sinnvoll, verschiedene Vitamin-A-Derivate zu kombinieren. Ein Dermokosmetikum, das Retinol, Retinylacetat und Retinylpalmitat enthält, erwies sich als gleich wirksam wie eine rezeptpflichtige Tretinoincreme (0,025%). Neue Daten weisen darauf hin, dass für die Anti-Aging-Wirkung von Retinol neben der Steigerung der epidermalen Proliferationsrate und der Kollagensynthese auch eine Zunahme der Synthese elastischer Fasern verantwortlich ist. Das wasserlösliche Vitamin C (L-Ascorbinsäure) wirkt nicht nur als Antioxidans (Radikalfänger), sondern steigert auch die Synthese von Kollagen und elastischen Fasern und beeinflusst überdies die Melanozytenproliferation. Die entsprechenden Anti-Aging-Effekte (Faltenreduktion, Verbesserung der Hautelastizität, Reduktion von Pigmentunregelmässigkeiten) wurden in mehreren plazebokontrollierten Studien, zumeist mit Vitamin-C-Konzentrationen von 5 und 10 Prozent, nachgewiesen. Das Antioxidans Alpha-Liponsäure wird dermokosmetischen Produkten häufig zugesetzt. Es handelt sich um ein lipophiles Coenzym, das freie Sauerstoffradikale neu-
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Abbildung: Ein genauer Blick auf die Inhaltsstoffe lohnt, bevor man viel Geld für Hautpflegeprodukte ausgibt.
tralisiert und die Kollagensynthese in Fibroblasten verbessert. Das Sphingolipidderivat Salicyloyl-Phytosphingosin regeneriert die epidermale Hautbarriere, hemmt den Kollagenabbau und steigert die Kollagensynthese. Bereits in geringer Konzentration (0,2%) reduziert dieser Anti-Aging-Wirkstoff Zeichen der lichtgeschädigten Haut.
Polypeptide und niedermolekulare Hyaluronsäure in Anti-Aging-Dermokosmetika Als Zellregulatoren wirkende Polypeptide (z.B. Palmitoyl-Pentapeptid-4, Tetrapeptid-21) stellen eine neue, besonders Erfolg versprechende Gruppe von Wirkstoffen mit Anti-Aging-Effekten dar. Polypeptide steigern die Synthese von Kollagen und Glykosaminglykan, reduzieren Falten und vermindern die Hautrigidität. Der Anti-Aging-«Star» Hyaluronsäure wird nicht nur zum Unterspritzen von Falten verwendet, sondern ist auch beliebter Wirkstoff in Dermokosmetika. Mit zunehmendem Alter nimmt die Hyaluronsäureproduktion in der Haut ab. Topisch applizierte Hyaluronsäurefragmente bewirken bei altersbedingter Hautatrophie eine Zunahme der Hautdicke. Im Rahmen einer Studie testete Pavicic bei 76 Frauen mit periokulären Fältchen (Krähenfüsse) Hyaluronsäurefragmente mit verschiedenem Molekulargewicht (50, 130, 300, 800, 2000 kDa), die in derselben Konzentration (0,1%) zweimal täglich während 60 Tagen topisch appliziert wurden (2). Auf der Gegenseite wurde nur die Cremegrundlage ohne Hyaluronsäure verwendet. Mit allen Hyaluronsäureformulierungen konnten die Hydrierung und die Elastizität der Haut im Vergleich zur Cremegrundlage signifikant verbessert werden. Aber nur mit niedermolekularer Hyaluronsäure (50 oder 130 kDa) konnten die Fältchen im Vergleich zur Cremegrundlage signifikant verringert werden. Niedermolekulare Hyaluronsäure (50 kDa) weist bessere Penetrationseigenschaften auf und beeinflusst die Expression von Genen, welche die Keratinozytendifferenzierung steuern.
Vitamin E, Niacinamid und Phytohormone in Anti-Aging-Dermokosmetika In Dermokosmetika wird das lipophile Antioxidans Vitamin E meist in Konzentrationen von 2 bis 25 Prozent eingesetzt. Mit topischem Vitamin E war in einer Studie nach 4 Wochen eine hautglättende Wirkung feststellbar. Sinnvoll ist die Kombination der antioxidativ wirksamen Vitamine E und C in Dermokosmetika. Vitamin C unterstützt die Regeneration von Vit-
amin E aus seiner oxidierten Form, wobei die antioxidative Gesamtkapazität erhöht wird (1). Mit Niacinamid (Vitamin B3) können feine Falten, Hyperpigmentationen, Rötungen und Gelbverfärbungen als Zeichen der Altershaut reduziert werden. Niacinamid steigert die Synthese von Ceramiden, deren Gehalt in der Haut mit zunehmendem Alter abnimmt. Als AntiAging-Wirkstoff wird Niacinamid oft in Konzentrationen bis 5 Prozent in Dermokosmetika eingesetzt. Die hormonell bedingte Reduktion von Kollagen, elastischen Fasern und Hyaluronsäure in der Haut postmenopausaler Frauen macht den topischen Einsatz von Phytohormonen (Cumestane, Lignane, Isoflavone wie Genestein und Daidzein) in Dermokosmetika attraktiv. Phytohormone bewirken in der Haut östrogenähnliche Effekte ohne unerwünschte hormonelle Nebenwirkungen. In einer offenen, kontrollierten Studie mit 234 Probandinnen verbesserte eine isoflavonhaltige Creme das Erscheinungsbild der postmenopausalen Haut (Reduktion der Falten, Erhöhung der Tonizität) (1). Weil der Gehalt an Coenzym Q10 (Ubiquinon), einem lipophilen Antioxidans, im Alter abnimmt, kommt Coenzym Q10 als dermokosmetisches Anti-Aging-Mittel in Betracht. Nach topischer Applikation konnte allerdings keine Konzentrationszunahme in der Haut festgestellt werden. In Anti-Aging-Dermokosmetika sind auch antioxidativ wirksame pflanzliche Polyphenole wie Anthocyane, Bioflavonoide, Proanthocyanidine, Katechine, Hydroxyzimtsäuren und Hydroxybenzoesäuren zu finden. Beispielsweise enthalten zahlreiche Kosmetika Epikatechine aus Grüntee-Extrakten. Kontrollierte Studien zur topischen Applikation pflanzlicher Polyphenole bei Hautalterungserscheinungen fehlen derzeit noch (1). Im Dschungel der Antifaltencremes gibt es überdies in grosser Zahl patentgeschützte firmeneigene Substanzen und Stoffgemische, für die häufig keine oder nur spärliche evidenzbasierte Daten vorliegen.
Hautreinigung vor Anwendung der Dermokosmetika Empfehlenswert ist ein stufenweises Vorgehen, indem mit Antioxidanzien begonnen wird und mit zunehmendem Alter zusätzlich Zellregulatoren hinzugefügt werden. Die besten Resultate können mit Kombinationen aus diesen Substanzgruppen erzielt werden. Wichtig ist der Hinweis, dass die Haut zuerst gereinigt werden muss, bevor Dermokosmetika angewendet werden.
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Pavicic T et al. Leitlinie der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. «Dermokosmetika gegen Hautalterung». www.gd-online.de , 2012. 2. Pavicic T et al. Efficacy of cream-based novel formulations of hyaluronic acid of different molecular weights in anti-wrinkle treatment. J Drugs Dermatol 2011; 10: 990–1000.
Quelle: EADV-Pressekonferenz am 23. EADV-Kongress, Amsterdam, 10. Oktober 2014, sowie «Can we really fight skin ageing?», Symposium SY 25. 23. EADV-Kongress am 10. Oktober 2014 in Amsterdam.
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