Transkript
CongressSelection
Highlights und Innovationen
Interview mit PD Dr. med. Jan Steffel, Co-Leiter Rhythmologie, Leiter Cardiac Devices, Universitätsspital Zürich
Anlässlich des Jahrestreffens der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie unterhielten wir uns in Barcelona mit PD Dr. med. Jan Steffel, Universitätsspital Zürich, über Kongresshöhepunkte und die für ihn wichtigsten Innovationen der letzen Jahre in der Kardiologie.
C ongressSelection: Herr Dr. Steffel, was nehmen Sie als wichtigste Botschaften vom ESC-Kongress 2014 mit? PD Dr. Jan Steffel: Erstens natürlich die Tatsache, dass die PCSK-9-Hemmer jetzt wirklich angekommen sind. Mit diesen Wirkstoffen ist die grosse Hoffnung verbunden, dass es sich um echte «game changer» handeln könnte, was kardiovaskuläre oder eigentlich alle atherosklerotischen Erkrankungen angeht. Zweitens gibt es endlich wieder eine überzeugende neue Therapie für die Herzinsuffizienz, nämlich das LCZ696, das im Vergleich zum ACE-Hemmer Enalapril zu einer nicht nur hochsignifikanten, sondern auch substanziellen Senkung der kardiovaskulären Todesfälle von 20 Prozent geführt hat. Eine Signifikanz mit ähnlichem klinischem Ausmass haben wir zuletzt in der Partner-B-Studie gesehen, die bei inoperablen Patienten mit schwerer Aortenstenose eine konservative Behandlung mit TAVI verglich, da konnte die Gesamtmortalität um 45% reduziert werden. Die Herzinsuffizienz ist wie eine Epidemie, bei der wir zwar in den letzten 10 bis 15 Jahren mit medikamentöser Therapie und Devices weit gekommen sind, aber seit der Einführung von Spironolacton als letztem neuem Medikament für diese Indikation sind nun auch schon wieder zehn Jahre vergangen.
Heisst das, dass Devices jetzt weniger eingesetzt werden? Formal gesehen weiss man das noch nicht, sie wurden ja im Vergleich zu diesem neuen Wirkstoff noch nicht untersucht. Derzeit werden Devices dann eingesetzt, wenn sich unter maximaler Therapie – Betablocker, ACE-Hemmer, Spironolacton, Diuretika – eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion zeigt.
Werden ACE-Hemmer damit an Stellenwert verlieren? So wie es momentan aussieht, ja. LCZ696 wäre ein logischer Ersatz, die Studie untersuchte es ja «instead of» ACE-Hemmer, und nicht «on top of». Zumal das neue Präparat mit Valsartan auch einen Angiotensinrezeptorblocker enthält und Kombinationen aus ACE-Hemmer und ARB hier eher Probleme bringen als zusätzlichen Nutzen.
Stichwort «Innovation und Herz» als zentrales Thema am Kongress. Was sehen Sie als wichtigste Innovation der letzten zehn Jahre? Ich würde sagen, in den letzten zehn Jahren waren es sicher die Devices wie CRT und ICD, die das Überleben und die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessert haben – das sind gewaltige Innovationen. Man wird sehen, ob wir in fünf
Jahren dasselbe über die PCSK9-Hemmer
sagen, möglich ist es jedenfalls. Teilweise
wurden ja LDL-Werte von Null erzielt, wo-
bei man dazu sagen muss, dass die Blut-
werte verhältnismässig wenig über die
Werte in der Zelle aussagen, auf die es ja
ankommt.
Trotzdem scheint es keine dramatischen
Probleme zu geben, weder in der Hormon-
produktion noch mit der Sicherheit. Offen-
bar funktioniert es, auch Neugeborene und Babys haben ja extrem niedrige LDL-Werte
Jan Steffel
und überleben damit gut. Vorstellbar wären auch Implikatio-
nen für die Primärprävention: Eine Plaque zu behandeln, ist
schwierig, aber wenn man von Anfang an die Bildung von
Plaques überhaupt verhindern könnte, wäre das eine grosse
Chance und hätte Potenzial für einen richtig grossen Durch-
bruch. Mal sehen, ob sich das so bestätigt, wie sich die Hoff-
nungen bei den NOAC bestätigt haben. Vor 5 Jahren waren
diese hier mit der Präsentation der RE-LY-Studie zum ersten
Mal Thema – deren Ergebnisse hatte ja damals so auch kei-
ner erwartet. Und wer weiss, was kommt, wenn wir das
nächste Mal in Barcelona sind.
Vor einem breiten Einsatz der neuen Lipidsenker wären sicherlich auch die Kosten ein Thema? Sicher, die PCSK9-Hemmer kosten etwa um den Faktor 100 mehr als die generischen Statine. Kosteneffektivitätsstudien werden zeigen, ob die Kosten für diesen demonstrierten zusätzlichen Nutzen im Rahmen dessen sind, was die Gesellschaft üblicherweise bereit ist, für eine wirksame neue Therapie zu bezahlen. Darüber hinaus muss man aber auch berücksichtigen, dass Gesundheit eben grundsätzlich etwas kostet. Denken Sie an alle die lebensverlängernden, lebensqualitätssteigernden Innovationen der letzten Jahre. Die Verbesserung unserer Gesundheitsversorgung wird meiner Ansicht nach zu häufig als völlig selbstverständlich angesehen.
Das Interview führte Christine Mücke. Mehr zu den erwähnten Studien lesen Sie auf den Seiten 26 ff.
Kardiologie • November 2014 23