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SVGO-Empfehlungen bei Osteoporose
FRAX®: 10-Jahres-Frakturrisiko entscheidet über Therapieindikation
Die beiden Osteoporose-Fachgesellschaften «Schweizerische Vereinigung gegen die Osteoporose» (SVGO) und «Swiss Bone and Mineral Society» (SBMS) haben an einer gemeinsamen Jahrestagung Ende April neue Behandlungsempfehlungen präsentiert. Bisher wird die Indikation für eine medikamentöse Osteoporosetherapie bei Auftreten einer Wirbelkörper-, einer proximalen Femurfraktur oder bei einem T-Score von > -2,5 in der Knochendensitometriemessung von Lendenwirbelsäule oder Femur gestellt. «Schwieriger ist der Therapiezeitpunkt bei peripheren Frakturen infolge Bagatelltraumen oder bei Patienten ohne Fraktur in der Vorgeschichte zu bestimmen. Diese Patienten sollen zukünftig nach dem absoluten 10-Jahres-Frakturrisiko behandelt werden», heisst es in einer Pressemitteilung von SVGO und SBMS. Dieses wird mithilfe des «fracture risk assessement tool» (FRAX®) berechnet, das folgende klinische Risikofaktoren berücksichtigt und für Frauen über 45 Jahre gilt: ■ bereits erlittene Fraktur ■ proximale Femurfraktur eines Elternteils ■ BMI <20 ■ Nikotin-/Alkoholkonsum ■ Steroidtherapie ■ rheumatoide Arthritis ■ andere sekundäre Ursachen ■ Knochenmineralgehalt (DXA) am Femur
(nicht zwingend erforderlicher Parameter).
Bei der Berechnung des Frakturrisikos nach FRAX® werden eine erhöhte Knochenabbaurate, Stürze und eingeschränkte Mobilität nicht berücksichtigt. Während bei einer Steroidtherapie das Frakturrisiko unabhängig vom Knochenmineralgehalt erhöht ist, hängt das Frakturrisiko bei allen anderen sekundären Ursachen von der Knochendichte ab, heisst es in den SVGOEmpfehlungen. FRAX® basiert auf Messungen am Oberschenkelhals. Ist allerdings der T-Score an der LWS mindestens um 1,5 niedriger als
am Schenkelhals, kann jedoch das vertebrale Frakturisiko unterschätzt werden. In Einzelfällen sollte dann laut SVGO bei isolierter Osteoporose der Wirbelsäule eine Behandlungsindikation nicht allein auf dem FRAX® gründen. Grundsätzlich gilt, dass eine medikamentöse Behandlungsindikation vom 10-Jahres-Frakturrisiko und vom Alter des Patienten abhängig ist. «Bisher war eine Abnahme der Knochenmineraldichte von 2,5 (T-Score) für eine medikamentöse Intervention ausschlaggebend. Dieses Vorgehen hatte den Nachteil, dass junge Patienten überbehandelt und Risikopatienten oft zu spät behandelt wurden», meinte Professor Marius Kraenzlin anlässlich der Jahrestagung. Nach Meinung des Basler Osteoporose-Experten würde mit der Einführung einer altersabhängigen Interventionsschwelle die Zahl der Behandlungen nicht zunehmen, es käme aber zu einer anderen Verteilung. Da der T-Score von > -2,5 die Voraussetzung für die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkassen bildet, kann auf die Untersuchung jedoch vorläufig nicht verzichtet werden. «Die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Fachgesellschaften, dem BAG und den Kostenträgern müssen diesbezüglich eingeleitet werden», sagte Professor Martin Birkhäuser, Präsident der SVGO.
Vorteile für hohe Vitamin-DDosis?
Anlässlich der Jahrestagung wurde auch der diesjährige SBMS-Award für klinische Forschung vergeben. Er ging an die Professorin Heike Bischoff-Ferrari vom Universitätsspital Zürich. Der mit 10 000 Franken dotierte Forschungspreis wurde von der Firma Merck Sharp & Dohme-Chibret AG Schweiz gestiftet. Bischoff-Ferrari hatte in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen Robert Theiler und Andreas Platz vom Zürcher Stadtspital Triemli, den Einfluss einer hohen Vitamin-D-Substitution in Kombina-
tion mit einem erweiterten Physiotherapieprogramm bei Patienten nach Hüftfraktur untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich durch das im Akutspital instruierte und später unbeaufsichtigt durchgeführte Physiotherapie-Heimprogramm die Sturzrate im ersten Jahr nach dem Hüftbruch um 25 Prozent reduzierte. Unter der Einnahme von täglich 2000 IE Vitamin D nahm, verglichen mit der üblichen Standarddosis von 800 IE, die Zahl der wiederholten Spitaleinweisungen im ersten Jahr nach der Hüftfraktur um 39 Prozent ab. Die niedrigere Rehospitalisationsrate war im Wesentlichen auf die Abnahme von Sturzverletzungen und schweren Infektionen zurückzuführen. «Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass eine Vitamin-D-Substitution von 2000 IE der bisherigen Standarddosis von 800 IE überlegen ist», sagte Bischoff-Ferrari. Es handle sich zwar um eine kleine Studie, die Ergebnisse seien aufgrund der hohen Zahl an verhinderten Ereignissen dennoch klinisch relevant. «Basierend auf diesen Daten empfehle ich, Patienten mit einer Hüftfraktur mit einer täglichen Dosis von 2000 IE Vitamin D zusammen mit dem einfachen Physiotherapie-Heimprogramm zu behandeln», meinte Bischoff-Ferrari. Tatsächlich werden laut Birkhäuser im klinischen Alltag schon heute höhere Vitamin-D-Dosen eingesetzt. «Entscheidend für die Fraktur- und Sturzprävention ist die Höhe der 25(OH)-D-Konzentration im Blut», sagte er. Man wisse bereits aus früheren Studien, dass der 25(OH)D-Schwellenwert für eine optimale Fraktur- und Sturzprävention bei 75 nmol/l oder höher liege. Damit dieser Zielwert erreicht wird, empfiehlt die «International Osteoporosis Foundation» (IOF) Personen ab 60 Jahren täglich 800 bis 1000 IE Vitamin D einzunehmen. Bei Risikopatienten sollte die 25(OH)D-Konzentration im Blut bestimmt und wenn nötig entsprechend behandelt werden. So lauten die aktuellen Empfehlungen, die anlässlich des Weltkongresses für Osteoporose anfangs Mai in Florenz vorgestellt wurden.
SVGO/UB
Weitere Informationen unter www.SVGO.ch
508 ARS MEDICI 13 ■ 2010