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Atopische Dermatitis
Aktuelle Aspekte der Pathogenese und Therapie
Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der atopischen Dermatitis eröffnen neue Wege für die Therapie. Derzeit werden mehrere Biologika zur Behandlung der atopischen Dermatitis getestet, wobei insbesondere gezielte medikamentöse Eingriffe bei Interleukin 4 und Interleukin 13 vielversprechend sind. Über aktuelle Aspekte der Pathogenese und Therapie der atopischen Dermatitis sprachen zwei Experten aus Deutschland und der Schweiz.
Die Pathogenese der atopischen Dermatitis ist sehr komplex. Nicht nur die dermatologische Komponente (Barrierestörung der trockenen Haut) spielt eine wichtige Rolle, sondern auch die immunologische (Allergie mit Th2-Erkrankung) und überdies die infektiologische (Mikrobiom der Haut). Von den Mikroben auf der Haut gehen die initialen Signale aus, welche im angeborenen Immunsystem die «pathogen recognition receptors» (z.B. Toll-like-Rezeptoren) der dendritischen Zellen aktivieren. Mit allen gesammelten Signalinformationen erreichen die dendritischen Zellen die Lymphknoten und lösen dort eine T-Zell-Antwort aus oder sorgen durch Toleranz gegenüber Umweltantigenen für die Aufrechterhaltung der Homöostase, berichtete Professor Dr. med. Tilo Biedermann, Universitäts-Hautklinik Tübingen.
Bakterien therapeutisch einsetzbar Es scheint möglich zu sein, diese durch bakterielle Signale ausgelöste Toleranzinduktion therapeutisch zu nutzen. Wenn das Lysat des apathogenen, gramnegativen Bakteriums Vitreoscilla filiformis direkt auf die Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis appliziert wird, kann die Hautentzündung reduziert werden. Dies wurde in einer prospektiven, randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie gezeigt (1). Nach 29 Tagen war der Effekt sogar noch stärker ausgeprägt als kurz nach der Behandlung, so der Referent. Um den Mechanismus dieser erstaunlichen Wirkung zu untersuchen, wurden In-vitro-Studien und Tierversuche mit Mäusen durchgeführt (2). Die Detektion des Bakterienlysats durch das angeborene Immunsystem bewirkte eine Aktivierung des Tolllike-Rezeptors 2 (TLR2) und eine Induktion dendritischer Zellen mit stark hochregulierter Interleukin-10-Produktion. Diese tolerogenen dendritischen Zellen induzierten regulatorische T-Zellen vom Typ 1 (Tr1). Apathogene Bakterien auf der Haut können also offenbar Toleranz und regulatorische, die T-Effektorzellen supprimierende Tr1-Zellen induzieren und dadurch eine Hemmung der Hautentzündung bewirken.
Interleukin 4 in der Dirigentenrolle Nach der Aktivierung dendritischer Zellen gelangen Th2-Zellen in die Haut und sind dort in den ersten 24 Stunden eines atopischen Dermatitisschubes die vorherrschenden Entzündungszellen. Interleukin 4 stellt das zentrale Zytokin dar, das die Immunreaktionen und die Entzündungsprozesse orchestriert. Nur wenn IL-4 vorhanden ist, geht die akute in eine per-
sistierende Entzündung über, die nun nicht mehr nur durch Th2-Zellen, sondern auch durch Th1-Zellen dominiert wird. IL-4 amplifiziert also nicht nur die Th2-Zellen, sondern schafft auch die Voraussetzungen für die spätere Induktion von Th1Zellen. Sobald ein akuter Entzündungsschub begonnen hat, wird die Haut mit Staphylococcus aureus kolonisiert. Bakterielle Bestandteile stellen potente Liganden für den TLR2 dar. In einer tierexperimentellen Studie wurde untersucht, wie sich TLR2Liganden auf die Entwicklung der Entzündung im Mäusemodell der atopischen Dermatitis auswirken (3). Dabei konnte gezeigt werden, dass TLR2-Liganden die durch ein Allergen induzierte, transiente, akute Entzündung (Ohrschwellung bei Mäusen) amplifizieren und in eine persistierende Entzündung umwandeln. Wenn dendritische Zellen zugleich sowohl TLR2Liganden als auch das Th2-Zytokin IL-4 detektieren, wird in der Haut das antiinflammatorische und immunsupprimierende IL-10 herunterreguliert. In der Folge kommt es zur Exazerbation und Persistenz der atopischen Dermatitis. Diese neuen pathogenetischen Erkenntnisse machen Therapien mit Biologika, die sich gegen IL-4 richten, attraktiv.
Aktuelle Behandlungstipps Abhängig vom Schweregrad erfolgt die Behandlung der atopischen Dermatitis stufenweise. In sehr leichten Fällen ist eine Basistherapie mit Emollienzien ausreichend. Damit kann die Funktionsstörung der Hautbarriere ausgeglichen werden. Die Patienten sollten dazu aufgefordert werden, Emollienzien (z.B. Excipial®U Lipolotio, Excipial®U Hydrolotio, Pruri-med® Lipolotion, Pruri-med® Hydrolotion) häufig und regelmässig zu verwenden. Diese Basistherapie ist nicht nur bei leichtem atopischem Ekzem, sondern bei allen Schweregraden wichtig. Baden schade der Haut nicht, wenn direkt anschliessend Emollienzien verwendet werden und wenn deren Applikation nach Ablauf von 30 bis 50 Minuten wiederholt wird, berichtete Professor Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier, Leiter der Allergiestation, Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich. Wenn Emollienzien allein nicht ausreichen, können topische Kortikosteroide oder topische Calcineurininhibitoren und in sehr schweren Fällen systemische Medikamente (z.B. Ciclosporin A) eingesetzt werden. «Wir wären froh, auch Biologika für die Behandlung der atopischen Dermatitis zur Verfügung zu haben», so Schmid-Grendelmeier. Topische Kortikosteroide
Allergologie • September 2014
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werden in der Regel einmal täglich verwendet. Bei häufigerer Anwendung nehmen die Nebenwirkungen mehr zu als die erwünschten Wirkungen. Der Calcineurininhibitor Pimecrolimus beeinflusst T-Zellen, Mastzellen und Basophile, Tacrolimus zusätzlich auch antigenpräsentierende Langerhanszellen. Pimecrolimus steht als 1%-ige Creme (Elidel®) und Tacrolimus als 3%-ige Salbe (Protopic®) zur Verfügung. Zu Beginn der Behandlung mit topischen Calcineurininhibitoren berichten Patienten häufig über Brennen als Nebenwirkung. Hilfreich könne es sein, die Creme oder Salbe in gekühlter Form (Kühlschrank) anzuwenden, so der Referent. Bei Verwendung von topischem Tacrolimus wird eine Unverträglichkeit von Alkohol beobachtet (z.B. Rötung der Gesichtshaut oder Hautreizungen nach Alkoholgenuss). Systemische Nebenwirkungen kommen mit topischem Tacrolimus, nicht aber mit topischem Pimecrolimus vor. Beide Calcineurininhibitoren sind bisher von Swissmedic im Kindesalter erst ab 2 Jahren zugelassen.
Pimecrolimus auch vor dem 2. Geburtstag einsetzbar
Im Rahmen der 5 Jahre dauernden, multizentrischen, offenen, randomisierten Petite-Studie wurden jetzt 1205 Kinder im Alter von 3 bis 12 Monaten, die an leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis erkrankt waren, mit Emollienzien und zusätzlich mit Pimecrolimus 1% Creme behandelt (4). In randomisierter Weise wurden weitere 1213 Kinder mit Emollienzien und einem topischen Kortikosteroid behandelt (entweder mit Hydrocortisonacetat als schwachem oder mit Fluticasonpropionat als mittelstarkem Steroid). Nicht nur bei Kurzzeitanwendung, sondern auch während der 5-jährigen Langzeitanwendung, jeweils bei ersten Anzeichen von Pruritus und Ekzem eingesetzt, erwies sich Pimecrolimus als ebenso gut wirksam wie topische Kortikosteroide. Sicherheitsbedenken konnten durch die Studie ausgeräumt werden. Die Studienresultate sind für die Praxis sehr nützlich, weil sie nachweisen, dass Pimecrolimus auch bei Säuglingen ab 3 Monaten und bei Kleinkindern erfolgreich, risikoarm und langfristig einsetzbar ist.
Alfred Lienhard
Bild: fotolia.com
Mit der richtigen anschliessenden Anwendung von Emmollienzien schadet das Baden der Haut nicht.
Referenzen: 1. Gueniche A et al. Effects of nonpathogenic gram-negative bacterium Vitreoscilla filiformis lysate on atopic dermatitis: a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical study. Br J Dermatol 2008; 159: 1357–1363. 2. Volz T et al. Nonpathogenic bacteria alleviating atopic dermatitis inflammation induce IL-10-producing dendritic cells and regulatory Tr1 cells. Journal of Investigative Dermatology 2014; 134: 96–104. 3. Kaesler S et al. Toll-like receptor 2 ligands promote chronic atopic dermatitis through IL-4-mediated suppression of IL-10. J Allergy Clin Immunol 2014; 134: 92–99. 4. Luger T. The Petite study: A breakthrough study in AD management. Präsentation anlässlich des 12. World Congress of Pediatric Dermatology 2013 in Madrid.
Quelle: «Atopic dermatitis – bench to bedside», Symposium 14, EAACIKongress, Kopenhagen, 8.6.2014.
EAACI 2014: «Challenging Dogmas»
Unter dem Motto «Challenging Dogmas» diskutierten 8000 Kongressteilnehmer aus weltweit über 100 Ländern am 33. Jahreskongress der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) in Kopenhagen über neue Erkenntnisse rund um Allergien. Dieses Jahr wurden die Vorträge der zahlreichen Kurse, Workshops, Symposien, Posterpräsentationen, Pro- und Kontradebatten usw. erstmals durch attraktive praktische Demonstrationen im Rahmen eines «Allergiebasars» ergänzt. Da konnten interessierte Kongressteilnehmer in einem Parcours ihre Kenntnisse über verschiedene diagnostische und therapeutische Methoden der Allergologie in der praktischen Anwendung üben, vom Haut-Pricktest bis hin zur Erhebung der Lebensqualität.
4 Allergologie • September 2014
Foto: Alfred Lienhard