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Idiopathische Lungenfibrose
Neue Therapieoptionen geben Hoffnung
Anamnese und klinische Zeichen einer idiopathischen Lungenfibrose (IPF) sind oftmals unspezifisch und es kann dauern, bis die Diagnose gestellt wird. Eine sorgfältige Abklärung diffuser Lungenparenchymerkrankungen aber lohnt sich, ist Prof. Dr. Thomas Geiser, Bern, überzeugt, da es für die IPF nun endlich therapeutische Optionen gibt.
P atienten mit einer idiopathischen Lungenfibrose konnten Ärzte bis anhin wenig anbieten, kein Wunder, dass diese nicht immer extensiv gesucht wurde. Die chronisch fibrosierende Lungenerkrankung beginnt schleichend, mit Atemnot und nicht-produktivem Husten, und ist mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert als viele Krebserkrankungen. Die Betroffenen überleben ihre Diagnose im Mittel nur 2 bis 4 Jahre. Nun aber lassen aktuelle Studiendaten hoffen, dass in absehbarer Zeit beim Management der Erkrankung mehrere Optionen zur Verfügung stehen, die die Abnahme der forcierten Vitalkapazität verlangsamen können und durch die eventuell sogar die Mortalität reduziert werden könnte (1).
Sorgfältige Abklärung: Anamnese, Untersuchung, Labor... Unklare anhaltende pulmonale Beschwerden sollten sorgfältig abgeklärt werden, so Geiser. Wenn aus einer Belastungsdyspnoe eine Ruhedyspnoe wird und einem anhaltenden Husten mit Antitussiva nicht beizukommen ist, könnten dies gegebenenfalls Zeichen einer IPF sein. Erste Hinweise gibt die Anamnese, häufiger betroffen sind Ältere, Raucher, Männer eher mehr als Frauenn. Eine positive Familienanamnese ist ein Anhaltspunkt, es scheint eine gewisse erbliche Disposition zu geben. Waren die Betroffenen Noxen ausgesetzt, beispielsweise am Arbeitsplatz, könnte gegebenenfalls eine schadstoffinduzierte Lungenfibrose vorliegen. Medikamente können die Lungen ebenfalls schädigen und eine Fibrose induzieren (siehe auch Seite 17 Beitrag über «Pneumo-tox.com») Auch eine rheumatologische Symptomatik muss abgefragt werden, können doch rheumatologische Erkrankungen eine Lungenfibrose begünstigen. Bei der körperlichen Untersuchung geht es um Lungensymptome (typisch sind Rasselgeräusche ohne kardiale Anamnese) und Anzeichen für einen Sauerstoffmangel (Trommelschlägelfinger). Aus differenzialdiagnostischen Gründen sollte auf Hautveränderungen, Arthritis, Entzündungen der Augen (Uveitis/ Konjunktivitis) sowie neurologische Auffälligkeiten geachtet werden. Das Routinelabor umfasst BSR, Hämatologie, Chemie (Ca, Leberwerte, Nierenwerte, CRP) und dazu einen Urinstatus. Bei klinischem Verdacht wird der Lungenspezialist dann weitere serologische Marker bestimmen lassen (wie zum Beispiel ANA, Rheumafaktor, c/pANCA).
Interdisziplinärer Ansatz gefragt Es folgen Lungenfunktion sowie Bronchoskopie, bei der die Möglichkeit zur bronchoalveolären Lavage beziehungsweise Biopsie besteht. Die Radiologie kann mit einem Röntgen-Thorax (Screening) bzw. einem HR-CT spezifischere Informationen liefern. «Die Abklärung interstitieller Lungenerkrankungen beruht auf einem interdisziplinären Ansatz«, betont der Experte, «daher sollten Hausärzte bei unklaren Befunden beziehungsweise entsprechendem Verdacht unbedingt die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum suchen. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit durch Pneumologen, Radiologen und Pathologen respektive Zytologen hat die diagnostische Treffsicherheit wesentlich verbessert.» Die IPF kann sowohl schnell als auch langsam progredient voranschreiten, zusätzliche akute Exazerbationen beschleunigen den natürlichen Krankheitsverlauf. Als bester prognostischer Marker und Anhaltspunkt für die Überlebenszeit dient die Veränderung der forcierten Vitalkapazität (FVC). Eine steigende Anzahl von Studien und darin eingeschlossenen Patientenzahlen dokumentieren die umfangreiche Beschäftigung mit der Erkrankung sowie die Fortschritte in diesem Bereich. Früher ging man davon aus, dass ein Auslöser eine chronische Entzündung induziert, die wiederum die Lunge schädigt und letztlich in eine Fibrose mündet. Heute wird diskutiert, dass (repetitive) Stimuli eine sequentielle Schädigung verursachen, und aus einer abnormalen Wundheilung (Entzündung) eine Fibrose resultiert.
Zwei vielversprechende Substanzen Und da sind auch die Ansatzpunkte für die neuen Substanzen. Pirfenidon* etwa hat neben antioxidativen und antientzündlichen auch antifibrotische Eigenschaften. Es reduziert Matrixdeposition, fibrotische Wachstumsfaktoren sowie das
IPF – Anamnese und Klinik oft unspezifisch!
• langsamer Beginn der Symptomatik • zunehmende Anstrengungsdyspnoe • nicht produktiver Husten • Rasselgeräusche basal beidseits • evtl. Trommelschlägelfinger
Pneumologie • Juni 2014
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Anamnese, Status, Lungenfunktion, Labor, Thoraxröntgenbild HR-Computertomografie
Atypische klinische/ radiol. Veränderung
Typische Klinik und Radiologie (z.B. IPF)
Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie, BAL
Interdisziplinäre Besprechung
Falls nicht diagnostisch
Thorakoskopische Biopsie
Diagnose
Abbildung: Diagnostisches Vorgehen bei interstitieller Lungenerkrankung (nach Prof. Geiser).
der TOMORROW-Studie zu einer geringeren Abnahme der Lungenkapazität sowie weniger Exazerbationen (4). Die heute als Nintedanib bezeichnete Substanz weist ebenfalls antifibrotische Eigenschaften auf. Ganz aktuell wurden die Ergebnisse der INPULSIS-1- und INPULSIS-2-Studien publiziert (5). Nintedanib reduzierte in beiden Studien die Abnahme der FCV nach einem Jahr stärker als Plazebo, entsprechend einer Verlangsamung der Progression (um 125,3 ml stärker in INPULSIS-1 und um 93,7 ml stärker in INPULSIS-2; jeweils p < 0,001 (5). Hinsichtlich der Exazerbationen ergaben die Resultate beider Studien kein einheitliches Bild. Die Erfahrung der Zentren nutzen Es gibt also Hoffnung, dass das therapeutische Arsenal im Kampf gegen die IPF erweitert werden kann – zunächst im Rahmen von entsprechenden Studien beziehungsweise unter der Obhut erfahrener Zentren für interstitielle Lungenerkrankungen, so der Experte. Begleitend sollten therapeutisch immer weitere Massnahmen in Betracht gezogen werden, erinnerte Geiser. Zu diesen zählen Flüssigsauerstoff, Rehabilitation, die Behandlung von Reflux sowie einer eventuell vorhandenen pulmonalen Hypertonie. Christine Mücke Wachstum der Fibroblasten. Versus Plazebo konnten Patienten darunter (gepoolte Analyse verschiedener Studien) eine ab Woche 12 sichtbare statistisch signifikante Verbesserung erzielen, die bis Woche 72 anhielt. Der signifikante relative Unterschied betrug 23 Prozent (p = 0,005) (2). Auch in der ASCEND-Studie, deren Daten kürzlich im Rahmen der Tagung der American Thoracic Society 2014 präsentiert wurden, zeigte sich nach einem Jahr unter Pirfenidon eine hochsignifikant geringere Abnahme der FVC als unter Plazebo (p < 0,000001) (3). Die «10- oder mehrprozentige Abnahme der FCV oder Tod» konnte um rund 48 Prozent reduziert werden, hinsichtlich des Merkmals «keine Abnahme» konnte eine Steigerung von mehr als 130 Prozent erreicht werden. Auch ein Tyrosinkinasehemmer kann bei der IPF erfolgreich eingesetzt werden. So führte die Einnahme von BIBF 1120 in Aktuell gleich mehrere Publikationen zum Thema im New England Journal of Medicine Auch eine kürzliche Ausgabe des New England Journals of Medicine spiegelt die aktuelle Aufmerksamkeit, die der Erkrankung zuteil wird. Neben den erwähnten Studien zu Pirfenidon und Nintedanib beschäftigen sich darin eine weitere Studie des Idiopathic Pulmonary Fibrosis Clinical Research Network und das Editorial mit der IPF (7, 1). Auch diese Studie bringt eine Studientrilogie zum Ende, sie untersuchte den ursprünglich als vielversprechend geltenenden Einsatz von Prednison (PDN), Azathioprin (AZA) und N-Acetylcystein (NAC). Die Abnahme der FVC scheint sich durch Azetylcystein nicht verlangsamen zu lassen und die Tripeltherapie sollte bei IPF nicht mehr verwendet werden, so Prof. Dr. Thomas Geiser. Im Editorial erwähnt Hunninghake neben der Therapie auch Fortschritte im Bereich der Diagnostik; es scheint, als könne man Patienten mit einem Risiko für eine idiopathische Lungenfibrose heute erkennen, bevor die fortgeschrittene Fibrose in der bildgebenden Diagnostik sichtbar wird (6). Möglicherweise könnten die Substanzen bei diesen Patienten zu einem langsameren Fortschreiten der Erkrankung beitragen, heisst es im Editorial weiter. *Pirfenidon ist in der EU in Form von Kapseln im Handel (Esbriet®). Es wurde von der EMA im Jahr 2011 als «orphan drug» zugelassen. In der Schweiz ist die Substanz nicht registriert. Literatur: 1. Hunninghake GM. A new hope for Idiopathic Pulmonary Fibrosis. N Engl J Med 370; 22. 2. Noble PW, Albera C, Bradford WZ et al. Pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis (CAPACITY): two randomised trials. Lancet. 2011; 377: 1760–1769. 3. King TE Jr, Bradford WZ, Castro-Bernardini S et al. A phase 3 trial of pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370: 2083–2092. 4. Richeldi L, Costabel U, Selman M et al. Efficacy of a tyrosine kinase inhibitor in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2011; 365: 1079–1087. 5. Richeldi L, du Bois RM, Raghu G, et al. Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370: 2071–2082. 6. Putman RK, Rosas IO, Hunninghake GM. Genetics and early detection in idiopathic pulmonary fibrosis. Am J Respir Crit Care Med 2014; 189: 770–778. 7. The Idiopathic Pulmonary Fibrosis Clinical Research Network. Randomized trial of acetylcysteine in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370: 2093–2101. Quelle: «Interstitielle Pneumopathien», Veranstaltung im Rahmen der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 8. und 9. Mai 2014 in Interlaken, sowie Literatur. 6 Pneumologie • Juni 2014