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Inkretine auf Umwegen nutzbar machen
Die DPP-4-Inhibitoren sind eine relativ neue Substanzgruppe in der Diabetestherapie. Sie erhöhen die Inkretinspiegel über eine Hemmung des Inkretinabbaus. Im Rahmen des EASD 2013 wurden neue Daten zu zugelassenen und zu noch nicht zugelassenen Substanzen vorgestellt, die unter anderem die Fähigkeiten einzelner Substanzen ein wenig genauer beleuchten.
S eit den Sechzigerjahren weiss man, dass die orale Zufuhr von Glukose eine stärkere Insulinantwort auslöst als die intravenöse. Das ist auf mehrere sogenannte Inkretine zurückzuführen, die die Insulinantwort verstärken. Eines dieser Inkretine ist GLP-1, dem gegenwärtig in der Diabetologie enormes Interesse geschenkt wird. GLP-1 wird im Darm produziert und wirkt in mehrfacher Weise auf das Pankreas. Es bewirkt eine Verstärkung der Betazellfunktion, eine Hemmung der Glukagonproduktion und verursacht Sättigungsgefühl. Beim Typ-2-Diabetiker wird GLP-1 aus bislang unbekannten Gründen vermindert ausgeschüttet. Leider ist GLP-1 aufgrund seiner kurzen biologischen Halbwertszeit nicht direkt therapeutisch einsetzbar. Um sich seine Wirkung zunutze zu machen, werden zwei Strategien verfolgt: die Imitation der Wirkung von GLP-1 durch besser nutzbare GLP-1-Analoga sowie die Hemmung des GLP-1-Abbaus über Inhibition der Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4).
DPP-4-Hemmer plus Insulin Sowohl die Inkretinmimetika als auch die Inhibitoren des GLP-1-Abbaus werden seit einigen Jahren erfolgreich in der Diabetestherapie eingesetzt. Dabei werden sie in der Regel mit Metformin kombiniert. Aber auch die Kombination mit Insulin ist möglich und hat ihre Vorteile, wie eine im Rahmen des EASD-Kongresses 2013 präsentierte Arbeit nahelegt. So gibt es Hinweise, dass der DPP-4-Inhibitor Vildagliptin die Glukagondynamik bei Typ-2-Diabetikern unter Insulintherapie verbessern kann (1). In dieser Situation komme es einerseits auf eine funktionierende Regelung durch Glukagon an, um Hypoglykämien zu vermeiden, andererseits sei – wie Prof. Dr. Bo Ahrén von der Universität Lund in Schweden, der Erstautor dieser Studie, betont – eine Senkung des Glukagonspiegels wichtig, um die postprandiale Glukoseregulation zu verbessern. Physiologisch erfüllt GLP-1 einen Teil genau dieser Regelfunktion, indem es den Glukagon-Spiegel bei Hyperglykämie senkt. Für das Ansteigen des Glukagonspiegels bei
Hypoglykämie ist ein anderes Inkretin, nämlich das glukoseabhängige insulinotrope Peptid (GIP), verantwortlich. Ahrén: «In früheren Arbeiten konnten wir zeigen, dass der DPP-4-Inhibitor Vildagliptin sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern den Glukosespiegel senkt, ohne die Gefahr von Hypoglykämien zu erhöhen, und das Glukagon in der Phase der Hyperglykämie absenkt. Dabei wird die Glukagongegenregulation bei Hypoglykämie jedoch nicht beeinträchtigt – was für Typ-2-Diabetiker gezeigt werden konnte.» Im Rahmen der neuesten Studie wurde die Wirkung von Vildagliptin auf die Glukagondynamik während Mahlzeiten, während insulininduzierter Hypoglykämie sowie während der folgenden Nahrungsaufnahme in einem Kollektiv von Typ-2-Diabetikern unter Insulintherapie untersucht. In die plazebokontrollierte Studie wurden 55 Patienten mit unzureichender glykämischer Kontrolle (HbA1c 7,7%), einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 15 Jahren (davon 7 Jahre unter Insulintherapie) und Adipositas (BMI 30,7 kg/m2) eingeschlossen. Sie erhielten Vildagliptin 50 mg bid oder Plazebo nacheinander für jeweils 4 Wochen. Am Tag 28 der jeweiligen Phase wurde eine Standardmahlzeit (500 kcal) gegessen, die Glukagonantwort während einer Hypoglykämie mittels Clamp-Technik gemessen und danach mit einer weiteren Mahlzeit (700 kcal) gegengesteuert. Unter Vildagliptin blieb der Glukosespiegel während der Mahlzeit niedriger. In der Phase der induzierten Hypoglykämie war die Glukagonantwort im Vergleich zu Plazebo jedoch nicht signifikant eingeschränkt. Weitere Reaktionen auf die Hypoglykämie (Adrenalin, Noradrenalin und pankreatisches Polypeptid) unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. In den 4 Wochen der Verumbehandlung verbesserte sich die glykämische Kontrolle signifikant, und zwar um 0,5 ± 0,1 Prozent HbA1c im Vergleich zu 0,1 ± 0,1 Prozent unter Plazebo. «Unsere Studie zeigt, dass die DPP-4-Inhibition in Verbindung mit einer Insulintherapie gleichzeitig die glykämische Kontrolle und die Glukagonantwort verbessert, was Hand in Hand mit erhöhten Spiegeln der Inkretinhormone geht», sagt Ahrén.
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Schützt DPP-4-Inhibition die ß-Zelle?
Ein zumindest potenziell wichtiger Vorteil der DPP-4-Inhibitoren liegt in ihrer protektiven Wirkung auf die β-Zelle, die sowohl durch In-vitro-Daten als auch in kleinen Studien an Typ-2-Diabetikern gesehen wurde. Klinische Daten zu dieser Fragestellung sind allerdings rar. Daher liegt es nahe, diese Substanzgruppe auch an Patienten mit LADA (latent autoimmune diabetes in adults) zu evaluieren, bei denen es im Rahmen einer Typ-2-ähnlichen Symptomatik zum beschleunigten Verlust von β-Zellen kommt. Der LADA betrifft Erwachsene, beginnt schleichend und führt jedoch konsequent zur Insulinpflichtigkeit. Eine chinesische Gruppe untersuchte nun den DPP-4Hemmer Sitagliptin in dieser Indikation (2). «Ein ideales Medikament für die Behandlung des beginnenden LADA sollte die β-Zell-Proliferation stimulieren und immunmodulierend wirken», sagt dazu Dr. Yufei Xiang von der chinesischen Central South University. Da eine immunmodulierende Wirkung der DPP-4-Hemmer zumindest diskutiert wird, lag der Einsatzversuch beim LADA nahe. Xiang weist auf experimentelle Arbeiten hin, die eine verstärkte Expression von DPP-4 auf der Oberfläche von CD4+ T-Lymphozyten von Patienten mit Autoimmundiabetes fanden. In die Studie waren 30 Patienten mit neu diagnostiziertem LADA, aber noch erhaltener β-Zell-Funktion (Nüchtern-C-Peptid über 0,2 nmol/l) eingeschlossen. Die Patienten erhielten entweder Insulin plus Sitagliptin (100 mg/ Tag) oder Insulin alleine über 12 Monate. Plasmaglukose, HbA1c, Nüchtern-C-Peptid (FCP) und 2-h-postprandiales C-Peptid (2hCP) wurden zum Ausgangspunkt sowie nach 3, 6, 9 und 12 Monaten Behandlung bestimmt. Die Studie zeigte in der Sitagliptingruppe über 12 Monate keine signifikante Verschlechterung der β-Zell-Funktion. Im Gegensatz dazu kam es unter reiner Insulintherapie zu einem
Linagliptin: Gute Daten zur kardiovaskulären Sicherheit
Angesichts aktueller Daten zu Sulfonylharnstoffen und Insulin
bei Typ-2-Diabetes stellt sich immer auch die Frage nach der kar-
diovaskulären Sicherheit der Diabetesmedikation. Im Rahmen
des EASD 2013 wurde eine Arbeit zur kardiovaskulären Sicher-
heit des DPP-4-Hemmers Linagliptin vorgestellt, die auf einer
Analyse der Sicherheitsdaten aus den Phase-III-Studien zu die-
sem zugelassenen Medikament beruht (3). Insgesamt gingen
19 Studien mit einer Laufzeit von mindestens 12 Wochen in die
Auswertung ein. Primärer Endpunkt war ein Komposit aus kar-
diovaskulärem Tod, Schlaganfall, Herzinfarkt und Hospitalisie-
rung wegen instabiler Angina pectoris. Die Studie spricht für die
hohe kardiovaskuläre Sicherheit von Linagliptin. In den Linaglip-
tingruppen der verschiedenen Studien kam es insgesamt zu
60 Events, in den Vergleichsgruppen (darunter Plazebo) zu 62.
Die Inzidenzraten für den primären Endpunkt waren unter Lina-
gliptin niedriger als in den Vergleichsgruppen (13,4 vs. 18,9 auf
1000 Patientenjahre). Ein möglicher kardiovaskulärer Benefit
durch Linagliptin soll nun in den Studien CAROLINA und CARME-
LINA mit mehr als 14 000 Patienten im Vergleich zu Glimepirid
und Plazebo prospektiv erhoben werden.
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Abfall des FCP von 407,2 auf 323,3 pmol/l nach 3 Monaten (p < 0,05), der sich bis auf 256,8 pmol/l nach 12 Monaten fortsetzte. Auch das 2hCP ging ebenso wie das ΔCP über 12 Monate kontinuierlich nach unten. Am Ende der Studie waren die Spiegel von 2hCP und ΔCP in der Sitagliptin/ Insulingruppe signifikant höher als in der Insulinmonotherapiegruppe. Studienautor Yang: «Wir konnten mit unserer Studie erstmals zeigen, dass Sitagliptin bei LADAPatienten die β-Zellen schützt, dass also ein DPP-4-Hemmer bei Autoimmundiabetes wirksam ist. Das könnte erhebliche klinische Konsequenzen haben.» Neue Daten gibt es auch zu neuen Substanzen aus der Gruppe der DPP-4-Inhibitoren. So zum Beispiel für Gemigliptin, das in einer koreanisch-indischen Studie – jeweils in Kombination mit Metformin – mit Sitagliptin verglichen wurde (4). Von dieser Studie wurden in Barcelona die Einjahresdaten präsentiert. In der 28-wöchigen Extensionsphase der Studie wurden alle Patienten mit 50 mg Gemigliptin 1-mal täglich behandelt. Von den 425 Patienten, die die kontrollierte Phase der Studie begonnen hatten, blieben 335 in der Extension, von denen 315 (94%) bis zum Ende in der Studie verblieben. Primärer Endpunkt war die Veränderung des HbA1c vom Ausgangspunkt über 52 Wochen. Darüber hinaus wurde auch die Verträglichkeit bewertet. Nach einem Jahr zeigten Patienten aus allen Gruppen signifikante Verbesserungen der glykämischen Kontrolle. Der Anteil der Patienten, die ein HbA1c < 7 Prozent erreichten, war nach Ende der kontrollierten Phase in Woche 24 in allen Gruppen vergleichbar und betrug für Gemigliptin 25 mg bid 53,5 Prozent, für Gemigliptin 50 mg 54,6 und für Sitagliptin 100 mg/Tag 45,5 Prozent. Bis zur Woche 52 stieg dieser Anteil in allen Gruppen leicht an und betrug schliesslich für die Gemigliptingruppen 60,3 (25 mg bid) und 70,9 Prozent (50 mg qd) sowie 52,3 Prozent in der Sitagliptingruppe. Es kam in keiner Gruppe zu einer Zunahme des Körpergewichts und nur zu wenigen Hypoglykämien. Reno Barth Literatur: 1. Ahrén B. Improved Glukagon dynamics during hypoglycaemia and food-rechallenge by DPP-4 inhibition by vildagliptin in insulin-treated patients with type 2 diabetes, Abstract OP 110. 2. Yang L. et al. Dipeptidyl peptidase-4 inhibitor sitagliptin preserves islet beta cell function in patients with new- onset latent autoimmune diabetes in adults, Abstract OP 109. 3. Johansen O et al. Cardiovascular (CV) safety of linagliptin in patients with type 2 diabetes: a pooled comprehensive analysis of prospectively adjudicated CV events in phase 3 studies, Abstract OP 112. 4. Rhee EJ et al. Gemigliptin added to ongoing metformin therapy provides sustained glycaemic control over 52 weeks and was well tolerated in patients with type 2 diabetes, Abstract OP 111. Quelle: 49. EASD-Jahreskongress 2013, «State of the art of inhibiting DPP-4», Sitzung OP 19, am 25. September 2013 in Barcelona. 6 Diabetes EASD 2013