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Rosenbergstrasse 115
Gelesen am Tag, an dem der Nationalrat Managed Care zum Durchbruch verhalf: «Dass diese sogenannten Managed-CareLösungen grundsätzlich etwas Gutes sind, war in der Eintretensdebatte unumstritten. Alle Parteien gaben der Hoffnung Ausdruck, dass mit dieser Teilrevision ein wichtiger Schritt bei der Reform des Gesundheitswesens eingeleitet wird.» Was, um Himmels willen, erwarten die Politiker von Managed Care? Weniger Kosten? Sie habens immer noch nicht begriffen. In ManagedCare-Praxen (bzw. -Netzwerken) arbeiten genauso gute Ärzte wie in Einzelpraxen, in Managed-Care-Praxen werden die Patienten genau so gut behandelt wie in der Einzelpraxis und in Managed-Care-Praxen erhalten alle Patienten ungeachtet der Kosten diejenige Behandlung – Diagnostik, Therapie –, die sie benötigen, genau wie in der Einzelpraxis. Und das heisst: Die Kosten sind – mit Ausnahme einiger verhinderter Doppeluntersuchungen – die gleichen. Sie steigen weiterhin im gleichen Mass an. Der einzige wirklich kostendämpfende Effekt ist derjenige für die Krankenversicherungen – er beruht darauf, dass alle jene, die an der freien Arztwahl festhalten, künftig 20 Prozent Selbstbehalt tragen müssen. Dass ausgerechnet die bürgerlichen Politiker den Beitritt zu Managed-Care-Modellen über eine Bestrafung der an der Wahlfreiheit festhaltenden Versicherten erzwingen wollen, ist, sagen wir mal, ziemlich erstaunlich. Und wohl eher Ausdruck der Ratlosigkeit als rationalen Denkens.
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Damit es zu keinen Missverständnissen kommt: Nichts gegen Managed Care als Alternative für Ärzte, die sich ihren Berufsalltag anders vorstellen als ihn der «alte» Einzelkämpfer-Hausarzt erlebt. Und für Patienten, die mit ihrem Arzt in der Managed-Care-Praxis ohnehin zufrieden sind, ihm vertrauen und gar keinen andern wählen wollen. Aber alles gegen die Versuche, Ärzte und Patienten in ManagedCare-Praxen und -Netze zwingen zu wollen,
in der Meinung, die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen lasse sich dadurch endlich «in den Griff kriegen». Managed Care ändert an der Entwicklung der Medizin, an der Demografie und an den Ansprüchen der Menschen an die Medizin ganz gewiss nichts.
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Leider schert auch unser neuer Bundesrat, so sympathisch uneitel er auch daherkommen und so nüchtern und gesprächsbereit er auch sein mag, nicht aus der Phalanx der Managed-Care-Gläubigen. Jedenfalls nicht im TV auf eine entsprechende Frage eines Reporters. Auch Herr Burkhalter ist überzeugt, mit Managed Care werde die Qualität der Behandlung viel besser (wegen der Patientenpfade und so). Oha lätz, warum denn das? Waren die Hausärzte in den Einzelpraxen bisher zu wenig gut? Leider glaubt der Neue auch bezüglich der Kosten ernsthaft daran, dass sich mit Managed Care das Problem entschärfen würde.
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Der Round Table am KHM-Kongress in Luzern war durchaus prominent besetzt, unter anderem mit Frau Egerszegi, Ständerätin FDP, Frau Hanselmann, Regierungsrätin SP, St.Gallen, Christoph Bangerter, ehemaliger Hausarztkollege und nun Vorsitzender der Geschäftsleitung der Krankenversicherung KPT. Insgesamt war allerdings wenig Kreatives zu hören, ausser was man immer hört: Die Hausärzte sind allen ausserordentlich wichtig, und man ist auch bereit, sie besser zu entschädigen – nur kosten darf es nichts.
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Recht hatte Frau Hanselmann: Die Taxpunktwerte für Hausärzte auf dem Land erhöhen, um dem Hausärztemangel entgegenzuwirken – warum nicht? Wenn diese Massnahme aber kostenneutral umgesetzt
werden soll, dann ist sie unrealistisch. Anmerken könnte man: Mehr als das – dann ist der Vorschlag verlogen, denn er erfolgt im Wissen um seine Unrealisierbarkeit.
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Kostenneutralität: Das Killerargument all jener, die eigentlich nichts ändern, aber weiterhin klagen wollen.
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Marc Müller: «Es braucht mehr Geld im System.» Stimmt, so einfach ist es.
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Franziska Zogg intervenierte: «Wir sind Unternehmer, aber keine freien Unternehmer. Wir tragen zwar das unternehmerische Risiko, aber wir sind nicht frei. Handeln wir einen Rabatt aus, müssen wir ihn sofort weitergeben.» Exakt, so stellt sich der Bund ärztliches Unternehmertum vor.
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Wers auch immer gesagt hat, recht hat er oder sie: «Den Bund beauftragen, heisst innovativen Ideen den Weg verbauen.» Dies ins Stammbuch all jener, die immer auf Bundeslösungen hoffen. (Frau Egerszegi beispielsweise klagte wieder mal darüber, dass es in der Schweiz 26 verschiedene Gesundheitssysteme gäbe. Als ob zweifelsfrei davon auszugehen wäre, dass das Gesamtresultat besser wäre, wenns nur eines gäbe – wie etwa in Deutschland …)
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Aus dem Plenum: «Der Blick nach Deutschland ist ein Blick in die Zukunft. Unsere Kollegen vom Norden sind Wirtschaftsflüchtlinge aus einem Land, in dem Arztpraxen nicht mehr rentieren.»
Richard Altorfer
ARS MEDICI 14 ■ 2010 549