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Kardiovaskuläre Todesfälle beunruhigen FDA:
Olmesartan: Sturm im Wasserglas?
Die Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB) haben sich in der antihypertensiven Therapie inzwischen einen festen Platz erorbert. Am 11. Juni sorgte die US-amerikanische Kontrollbehörde FDA für ein gewisses Aufsehen, als sie in einer Verlautbarung eine Sicherheitsüberprüfung für einen weithin häufig verschriebenen Vetreter dieser Wirkstoffklasse, Olmesartan (Kinzal®, Micardis®) ankündigte. Grund seien die Ergebnisse zweier klinischer Studien mit Typ-2Diabetikern, in denen im Vergleich zu Plazebo unter dem Sartan höhere Fallzahlen an kardiovaskulären Todesfällen verzeichnet worden seien. Die Behörde fügte gleich beschwichtigend hinzu: «Die Überprüfung läuft zurzeit und die FDA ist nicht zum Schluss gekommen, dass Olmesartan das Todesrisiko erhöht. Derzeit glaubt die FDA, dass die Nutzen bei Patienten mit hohem Blutdruck das Risikopotenzial übertreffen.» Das Interesse der Fachleute (und wohl auch der Konkurrenz) war geweckt, und entsprechend erregte die Präsentation der beiden Studien am Jahrestreffen der Europäischen Hypertoniegesellschaft ESH
in Oslo Ende Juni einige Aufmerksamkeit. Professor Hermann Haller, Hannover, kam bei der Präsentation der Resultate der Randomized-Olmesartan-and-Diabetes-Microalbuminuria-Prevention-(ROADMAP-)Studie auf das Thema zu sprechen. Die Zahl der kardiovaskulären Todesfälle sei bei einer Beobachtungsdauer von fast 4 Jahren und nahezu 5000 Teilnehmern «gering» gewesen, nämlich 15 in der Olmesartan- und 3 in der Plazebogruppe. Dies sei eine Posthoc-Beobachtung, und das Studienleitungskomittee betrachte diese Zahlen als zu klein, um irgendwelche eindeutigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Auch eine zweite, sehr kleine Studie (Olmesartan Reducing Incidence of End Stage Renal Disease in Diabetic Nephropathy Trial [ORIENT]) aus Japan und Hong Kong mit 566 Typ-2-Diabetikern mit schwerer Niereninsuffizienz verzeichnete in der Olmesartangruppe 10 kardiovaskuläre Todesfälle und in der Kontrollgruppe nur 3. Das Kardioportal «heartwire.org» interviewte etliche Opinion-Leader aus der Kardiologie vor Ort und erntete beruhigende Kommentare.
So präzisierte Haller, dass eine höhere Mor-
talität bloss bei vorbestehender kardiovas-
kulärer Erkrankung vorkam, und dass die
meisten verstorbenen Patienten einen tie-
fen systolischen Blutdruck < 120 mmHg gehabt hatten. «Dies stützt die Feststellung, dass das Motto ‹je tiefer desto besser› nicht bei allen Patienten passt. Natürlich muss die FDA das überprüfen, aber für uns ist klar – das ist kein Problem von Olmesar- tan.» Der für seine Spitzzüngigkeit durch- aus bekannte Kardiologe Franz Messerli, New York, gab sich erstaunlich zahm: «Ich werde wahrscheinlich weiterhin Olmesar- tan einsetzen, weil dieses Signal nicht stark genug ist. Olmesartan ist ein gutes Antihy- pertensivum und zurzeit einer der poten- testen ARB. Ich werde sehr vorsichtig sein, aber es weiter verordnen.» Und er fügte hinzu: «Wenn wir wenigstens eine einzige Outcome-Studie hätten, die einen Morbidi- täts- und Mortalitätsnutzen belegt, würden wir diese Resultate wahrscheinlich ignorie- ren. Aber da wir die nicht haben, bleibt ein eindeutiges Fragezeichen.» ■ H.B. Phase-III-Studie mit Dapagliflozin: Ein neues Antidiabetikum mit Angriffspunkt Niere? Die Polyurie hat der Zuckerkrankheit ihren medizinischen Namen gegeben (von gr. diabaino: Diabetes). Tatsächlich greift die Niere in die Glukosehomöostase durch Glukoneogenese, Glukoseverbrauch und die Glukosereabsorption ein, die innert 24 Stunden nahezu 180 Gramm ausmacht. Für letzteren Mechanismus ist ein im proximalen Tubulus exprimiertes Transportprotein (sodium-glucose transporter 2 [SGLT2]) verantwortlich. Bei Patienten mit familiärer renaler Glykosurie führt eine Genmutation zu einem SGLT2-Defekt, sie scheiden 50 bis mehr als 100 Gramm Glukose täglich im Urin aus, sind aber asymptomatisch, insbe- sondere ohne relevanten Elektrolytverlust und ohne erhöhtes Infektionsrisiko im zuckerreichen Urin. Diese Beobachtung hat zur Entwicklung spezifischer SGLT2-Inhibitoren geführt, welche die Diabetestherapie bereichern sollen. Eine erste grosse Phase-III-Studie mit dem selektiven SGLT2Hemmer Dapaglifozin ist soeben mit positivem Resultat in «Lancet» publiziert worden. Sie betraf 534 Typ-2-Diabetiker, die mit der vorangegangenen Metforminbehandlung nicht ausreichend gut eingestellt waren. Mit Dapaglifozin ergab sich eine dosisabhängige HbA1c-Reduktion (-0,84% unter 1 × 10 mg/Tag vs. -0,3% unter Pla- zebo). Daneben reduzierte Dapaglifozin das Körpergewicht sowie den systolischen und diastolischen Blutdruck. Ebenfalls be- obachtet wurde aber ein leichter Anstieg des Risikos für Harnwegsinfekte. Ob dies auf dem weiteren Weg der Substanz ein Hindernis sein wird, muss sich erst zeigen. Ebenso sollte man, klug geworden durch Erfahrungen mit anderen neuen oralen Antidiabetika, auch genau untersuchen, ob sich ein positiver Effekt auf das kardiovas- kuläre Gesamtrisiko einstellt. ■ H.B. Quelle: Clifford B. Jailey et al. Lancet 2010; 375: 2223—2233. 548 ARS MEDICI 14 ■ 2010