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Die Häufigkeit rezidivierender HWI steigt, insbesondere bei jungen, aber auch bei alten Frauen. Dabei steht immer auch die Lebensqualität der Betroffenen auf dem Spiel.
Rezidivierende HWI: Prävention ist die beste Therapie
Rund 2,4 Prozent aller Frauen leiden an rezidivierenden Harnwegsinfekten (HWI). Unter Prophylaxe lässt sich eine Reduktion der Infektepisoden um 59 Prozent nach 6 Monaten erzielen, berichtete Dr. Julia Münst, Oberärztin Blasen- und Beckenbodenzentrum, Kantonsspital Frauenfeld. Definitionsgemäss liegt ein HWI vor bei mehr als 105 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro Milliliter. Ein HWI kann aber auch diagnostiziert werden bei 103 bis 104 KBE/ml, wenn eine typische Klinik und positive Urinkultur vorliegen. Von rezidivierenden HWI spricht man, wenn nach klinischer Heilung eines vorangegangenen HWI innert 6 Monaten 2-mal oder innert 12 Monaten 3-mal ein symptomatischer HWI auftritt.
Sorgfältige Abklärung notwendig
Bei Säuglingen und Kleinkindern begünstigen Fehlbildungen und Schmierinfektionen die HWI. Bei jungen erwachsenen Frauen sind sexuelle Aktivität und Schwangerschaften auslösende Faktoren. Bei älteren Frauen kommen verschiedene Faktoren oft zusammen: Hormonmangel, zu geringe Trinkmenge, Stuhlinkontinenz, reduzierte Immunabwehr sowie altersdegenerative Prozesse. Zu den altersunabhängigen Faktoren gehören Diabetes mellitus, systemische Entzündungserkrankungen wie Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis sowie Blutgruppen-Non-Sekretor-Status. «Werden uns Patientinnen wegen rezidivierender HWI ins Blasenzentrum zugewiesen, starten wir sofort eine breite Diagnostik», sagte Münst, «unser Augenmerk liegt dabei auf dem Trink- und Miktionsverhalten, dem allgemeinen Gesundheitszustand und der Immunabwehr, dem Östrogenstatus an Schleimhaut und Haut, ferner der Erfassung von Infektketten und mikrobiellen Erregern, gegebenenfalls bestimmen wir die Restharnmenge und veranlassen eine Zystoskopie.» In der Haus-
arztpraxis stehen Zystoksopie und Sonografie zwar nicht zur Verfügung, Urinkultur und die Suche nach komplizierenden Faktoren sollten jedoch erfolgen. Die Therapie hat sich auf ein multimodales Konzept zu stützen. Das bedeutet, den Infekt gezielt zu sanieren (Blase, Blasenwand, Urethra) und die Abwehrmechanismen der Patientin zu unterstützen. Dazu gehören Anleitungen zur Intimpflege (rückfettende Präparate), Estradiol, Milchsäurebakterien (Vaginalflora) sowie Informationen zur Flüssigkeitszufuhr (mind. 2 l/Tag) und zum Miktionsverhalten (v.a. postkoital). Diese Massnahmen können durch Phytotherapie und durch spezifische Immunstimulation ergänzt werden. «Zum umfassenden Management gehören auch Lifestyleberatung und die ärztliche Begleitung bis zur Besserung respektive Heilung», betonte Münst, «mit Antibiotika allein können rezidivierende HWI nicht geheilt werden.»
Immunaktive Prophylaxe als bewährte Option
Das Spektrum der Therapien bei rezidivierenden HWI sei breit, sagte Prof. Dr. Jürgen Pannek, Leitender Arzt Neuro-Urologie, Schweizerisches Paraplegikerzentrum Nottwil. Antibiotika können nach verschiedenen Schemata verschrieben werden: Selbstbehandlung bei Symptomen, als postkoitale «Pille danach», als erregerspezifisiche Langzeitantibiose (1/3 der therapeutischen Dosis), beispielsweise mit Nitrofurantoin, Cotrimoxazol, Trimethoprim oder Fosfomycin beziehungsweise mit Cephalosporinen während der Schwangerschaft. Allerdings ist die Wirksamkeit limitiert, es können Nebenwirkungen auftreten, und die Gefahr von Resistenzen ist zu berücksichtigen. Die nicht antibiotische Prophylaxe umfasst auch die lokale Östrogensubstitution in der Menopause. Dazu sind die Resultate widersprüchlich und stammen aus
alten Studien mit entsprechend schwachem Empfehlungsgrad. Ähnliches gilt für die intravaginale oder orale Beeinflussung des Scheidenmilieus mit Lactobacillus rhamnosus GR-1 oder L. reuteri RC-14. Ein Cochrane-Review hat die Prophylaxe mit Cranberrys untersucht und fand keine signifikante Reduktion der HWI-Raten. In der Effektivität ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zu Antibiotika, aber auch keine zusätzlichen Nebenwirkungen. Eine Metaanalyse berechnete hingegen für Cranberrysaft, -kapseln und -pulver einen insgesamt schwach positiven Effekt. Zur Harnansäuerung mit L-Methionin (Alternative: Apfelessig) gibt es extrem wenig Daten. Ein Phytotherapeutikum mit Kapuzinerkresse und Meerrettich (Angocin Anti-Infekt N®) gilt als wirksam, ist aber in der Schweiz nicht im Handel. Die immunaktive Prophylaxe mit Urovaxom®, einem Lyophilisat aus Wandantigenen von E. coli, besitzt einen bekannten Wirkmechanismus (unspezifische und spezifische Immunstimulation über zelluläre und antikörpervermittelte Prozesse) und ist in Doppelblindstudien gut dokumentiert. Eine Metaanalyse bestätigte die signifikante Reduktion der HWI-Rate (30–50%) und die gute Verträglichkeit, entsprechend derjenigen in der Plazebogruppe. In den Guidelines der European Association of Urology besitzt Urovaxom® den höchsten Empfehlungsgrad. Als Take-Home-Message betonte Pannek die Wichtigkeit der Prävention von HWIRezidiven durch Ausschluss und Beseitigung von Ursachen. Antibiotika bezeichnete Pannek in dieser Situation als letzte Möglichkeit, erwähnte aber Uro-Vaxom® als effektive und sichere Prophylaxe.
Halid Bas
Quelle: «Management und Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten». Lunchsymposium der Firma Vifor Pharma an der 15. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM). 20. Juni 2013 in Luzern.
SGIM/KHM 2013 Hausarztmedizin 19