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CongressSelection
Arthrose ist nicht nur durch Fehlstellung und Abnutzung der Gelenke bedingt, sondern auch durch Veranlagung, Ernährung und chronische Entzündungen. Am EULAR-Kongress vorgestellte In-vitro- und Tierexperimente deuten darauf hin, dass möglicherweise in die Entzündungskaskade eingegriffen werden kann.
Der Hauptfaktor für die Degeneration der Gelenkgewebe und damit für die Entwicklung der Arthrose ist das Alter. Allerdings können dauerhafte Überlastung, Fehlstellung des Gelenks oder Knorpelschädigungen durch Unfälle diesen Prozess erheblich beschleunigen. Die initiale Degeneration ist dabei gekennzeichnet durch das Aufsplitten der Knorpeloberfläche. Während dort die Deckzellen absterben, wird die Matrix knapp unter der Oberfläche – im Gegensatz zu gesundem Knorpelgewebe – durch negativ geladene Proteine verändert. Die Destruktion der Oberflächenproteoglykane führt zu einem Verlust der Aggrekanmatrix und zu weiterem Knorpelabbau. Obwohl der initiale Schaden durch Verletzungen oder strukturelle Veränderungen gelegt wird, wird in letzter Zeit immer deutlicher, dass bei der Arthroseprogression auch Veranlagung, Übergewicht, Ernährung und chronische Entzündungen eine entscheidende Rolle spielen.
Aktivierung der Entzündungskaskade Solche Entzündungen sind das Produkt einer komplizierten Kaskade verschiedener Parameter. So führen schwere mechanische Belastungen zu einer sofortigen Hochregulation von Zytokinen, wie zumBeispiel Interleukin-1-beta (IL-1β), TumorNekrose-Faktor-alpha (TNFα) oder IL-6. Sie werden über ein «Schocksystem» aktiviert. Auf der anderen Seite hemmen leichte mechanische Reize, wie sie zum Beispiel bei normaler körperlicher Aktivität entstehen, die Zytokinfreisetzung und fördern die Proteoglykan- und Knorpelsynthese. Auch die Aktivierung bestimmter Enzyme (Matrixmetalloproteinasen)
Entstehung der Arthrose
Mehr als nur Abnutzung
und metabolische Veränderungen, wie zum Beispiel die Umwandlung von Phospholipiden in Ameisensäure, führen zusammen mit persistierendem Stress auf das Gelenkgewebe zur Entzündungsprogression. «In diesem Zusammenhang werden neuerdings auch angiogenetische Prozesse näher untersucht», berichtete Prof. Dr. Yves Henrotin, Direktor der Abteilung Bone and Cartilage Research der Universität Liège in Belgien, an einem Satellitensymposium (siehe Kasten).
Eingriff in die Entzündungskaskade
Kann man dieser Entwicklung entgegenwirken? Das Glykosaminoglykan Chondroitinsulfat ist ein natürlicher Bestandteil der Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern den Gelenkknorpel bilden. Es wird zur Behandlung der Arthrose eingesetzt oral verabreicht. In mehreren Studien wurden schmerzlindernde sowie chondroprotektive Eigenschaften, zum Beispiel bei Knie- und Fingergelenkarthrose, gezeigt. Allerdings wird die Wirksamkeit der Substanz heftig diskutiert. Neuere Untersuchungen, so Prof. Henrotin, würden jedoch klar zeigen, dass das biologisch aktive Chondroitinsulfat sowohl antiinflammatorische als auch antikatabolische Effekte aufweise und damit in die Entzündungskaskade
eingreife. So werde der Entzündung der gelenkumschliessenden Synovialmembran durch die Herunterregulierung der Zytokine IL-1β, TNF-α und IL-6 entgegengewirkt. Zudem seien eine Reihe antikatabolische und antioxidative sowie – am subchondralen Knochengewebe – antiresorptive Eigenschaften zu beobachten.
Hemmung der Angiogenese
Gleichzeitig würden neuere Daten den Schluss zulassen, dass durch die Unterdrückung von verschiedenen Zytokinen beziehungsweise Wachstumsfaktoren auch die Angiogenese gehemmt werde. Allerdings stammen diese Ergebnisse nur aus In-vitro- beziehungsweise Tierexperimenten. Trotzdem helfen sie, die Wirkmechanismen möglicher Therapieoptionen, aber auch die Arthroseentstehung selbst immer besser zu verstehen.
Klaus Duffner
Quelle: «A modern approach to an old disease: glycosaminoglycans (GAGs) therapy in OA», Satellitensymposium IBSA-Genevrier im Rahmen des EULAR-Kongress 2013, 13. Juni in Madrid.
Angiogenetische Prozesse im Knorpel
Während gesunder adulter Gelenkknorpel weder Blutgefässe noch Nerven aufweist (bedingt durch hohe Konzentrationen von antiangiogenisch wirksamen Faktoren wie Chondromodulin 1 und Thrombospondin 1), besitzt arthrotischer Knorpel sehr wohl aus subchondralem Knochen eingewachsene Blutgefässe. Die Mechanismen dieser angiogenetischen Prozesse sind bis anhin unklar, scheinen jedoch mit einer verstärkten Chondrozytendifferenzierung in Zusammenhang zu stehen. Zudem sprechen aktuelle Studienergebnisse dafür, dass die Osteoblasten des sklerotisierten osteoarthritischen subchondralen Knochens eine grössere Menge des endothelialen Wachstumsfaktors VEGF sowie Osteocalcin produzieren als gesundes subchondrales Knochengewebe. Das abnormale Wachstum der Blutgefässe ins Knorpelgewebe könnte die chondrale Verknöcherung triggern und die Bildung von Osteophyten unterstützen.
EULAR 2013 Rheumatologie 25