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BERICHT
Schlafapnoe — wann ist ein Screening sinnvoll?
Experten befürworten ein Screening mit einfachen Messgeräten
Schlafapnoe stellt bei schwerer Ausprägung ein gravierendes Gesundheitsrisiko dar. Vor allem Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes leiden häufig an atembezogenen Schlafstörungen. Deshalb sei ein Screening bei diesen Risikopatienten ratsam, meinten Experten anlässlich eines Symposiums auf dem Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) im September in Wien.
UWE BEISE
Menschen mit Schlafapnoe haben ein deutlich erhöhtes (kardiovaskuläres) Mortalitätsrisiko. Das gilt vor allem für Patienten mit einer schweren Atemstörung, das heisst einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) über 30. Besonders häufig treten schlafbezogene Atemstörungen im Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen auf. Nach Darstellung von Professor Patrick Levy, Schlafmedizinische Abteilung der Universität Grenoble, ist die Prävalenz besonders hoch bei Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten wie Arrhythmien (AV-Block, Sinusknotendysfunktion) und Herzinsuffizienz. Zudem gilt die Schlafapnoe heute als wichtigste Ursache der sekundären Hypertonie. Nach Levy leiden, bis zu 80 Prozent der Patienten mit therapieresistentem Bluthochdruck unter einer obstruktiven Schlafapnoe. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben auch adipöse Menschen und Typ-2-Diabetiker. Bei all diesen Patienten sei der Arzt aufgefordert, aktiv nach den drei Kardinalsymptomen zu fragen: lautes Schnarchen, vom Partner bemerkte aussetzende Atmung und Tagesschläfrigkeit.
Allerdings, so Levy, habe sich gezeigt, dass man sich gerade bei Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten nicht allein auf die Schlafapnoesymptome verlassen könne. Oft komme man mit der Anwendung der Epworth-SchläfrigkeitsSkala (ESS) nicht weiter. Levy wies darauf hin, dass beispielsweise Patienten mit Schlafapnoe und Herzinsuffizienz kaum unter Tagesschläfrigkeit leiden, obwohl auch sie weniger (gut) schlafen. Wahrscheinlich verhindert eine Aktivierung des Sympathikus die Müdigkeit tagsüber. Ähnlich verhält es sich bei Diabetikern: In der AHEAD-Studie mit adipösen Typ-2-Diabetikern zeigte sich, dass die ESS nicht gut geeignet war, eine Schlafapnoe zu diagnostizieren. An vier Zentren war bei 306 Patienten eine Polysomnografie (PSG) durchgeführt worden. Dabei zeigte sich, dass 30 Prozent einen AHI zwischen 15 und 30 aufwiesen, 22 Prozent einen AHI über 30.
Screening ohne Polysomnografie Angesichts solcher Daten sprach sich Levy für ein gezieltes Screening bei Risikopatienten aus. Zum Kreis der Kandidaten zählte er auch Berufskraftfahrer, sofern bei ihnen Symptome wie Tages-
schläfrigkeit aufträten. Inzwischen hat
sich offenbar die Auffassung durch-
gesetzt, dass eine Polysomnografie in
einem Schlaflabor in den meisten Fällen
nicht unbedingt erforderlich ist, um die
Diagnose einer Schlafapnoe zu stellen.
Lediglich in unklaren Fällen oder bei Ver-
dacht auf weitere Schlafstörungen sei die
PSG unverzichtbar, meinte Levy. An-
sonsten lieferten ambulante Messverfah-
ren, die immer zahlreicher auf den Markt
drängen, durchaus brauchbare Ergeb-
nisse. Levy verwies auf eigene Unter-
suchungen, nach denen beispielsweise
selbst die simple Oxymetrie, mit der die
Sauerstoffsättigung im peripheren Blut
gemessen wird, als Screeningverfahren
geeignet sei. Die Sensitivität und Spezifi-
tät des Verfahrens liegt laut Levy bei
mindestens 80 Prozent. Auch die peri-
phere arterielle Tonometrie (PAT) liefere
bei Patienten mit einem AHI von über
10 zuverlässige Hinweise auf eine Schlaf-
apnoe. Allerdings räumte Levy ein, dass
die Studienlage zum Nutzen des Schlaf-
apnoe-Screenings noch unbefriedigend
sei. Ein Screening hat bekanntlich nur
dann Sinn, wenn auch Erfolg verspre-
chende Therapieoptionen bestehen.
Professor Daniel Rodenstock von der
Universität Brüssel meinte, die einzige
wirklich aussichtsreiche Behandlung sei
die CPAP-Beatmung, die seiner Meinung
nach jedem Patienten mit einem AHI
über 20 angeboten werden sollte. Die
Methode habe sich, zumindest zeigen
dies Daten aus den USA, als kosteneffek-
tiv erwiesen. Während ihr Nutzen, näm-
lich ein reduziertes Mortalitätstrisiko,
unbestritten ist, besteht das Problem
nicht selten darin, dass die Patienten die
lebenslang erforderliche Behandlung
nicht akzeptieren oder bald abbrechen.
Eine Gewichtsabnahme bei Adipösen
kann nach den Erfahrungen von Roden-
stock «nur eine Handvoll Patienten
dauerhaft halten».
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Interessenkonflikte: keine
Uwe Beise
Hinweis: Mehr zum ERS-Kongress finden Sie im beiliegenden Sonderreport Pneumologie.
988 ARS MEDICI 23 ■ 2009