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FORTBILDUNG
Management menopausaler Beschwerden
Beim Übergang in die Menopause kommt es bei vielen Frauen aufgrund der nachlassenden Östrogenproduktion zu charakteristischen Beschwerden. In einem Review hat ein US-amerikanisches Expertenteam den aktuellen Wissensstand zur Behandlung vasomotorischer Symptome und zum urogenitalen Menopausensyndrom zusammengefasst.
JAMA
Die meisten Frauen erleben die Menopause als natürliches Lebensereignis, das auf den dauerhaften Verlust der Follikelaktivität der Eierstöcke und der damit verbundenen Östrogenproduktion zurückzuführen ist. Das mittlere Alter zu Beginn der Menopause liegt bei 51,4 Jahren, und die natürliche Menopause tritt bei 90 Prozent der Frauen zwischen dem 45. und 56. Lebensjahr ein. Als klinisches Merkmal für den Eintritt der Menopause gilt das 12-monatige Ausbleiben der Menstruation. Zu den häufigsten menopausalen Beschwerden gehören vasomotorische Symptome wie Hitzewallungen oder nächtliche Schweissausbrüche sowie urogenitale Symptome wie Dyspareunie, Scheidentrockenheit, vaginales Brennen oder Jucken, Dysurie, Harndrang und rezidivierende Harnwegsinfektionen. Bei mehr als 50 Prozent der Frauen treten vasomotorische Symptome auf, und bei etwa der Hälfte der Betroffenen dauern diese länger als 7 Jahre an. Etwa 45 bis 77 Prozent aller Frauen leiden unter urogenitalen Beschwerden, die sich meist mit der Zeit verschlimmern und oft persistieren. Für die Behandlung stehen hormonelle und nicht hormonelle Optionen zur Verfügung.
Hormonersatztherapie
Die primäre Indikation für eine orale oder transdermale menopausale Hormontherapie ist die Linderung mittelschwerer bis schwerer vasomotorischer Symptome. Aufgrund potenzieller unerwünschter Wirkungen von Hormontherapien, wie einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien, Schlaganfall und Brustkrebs bei der Applikation von kombiniertem Östrogen/Gestagen, sollten vasomotorische Symptome nur hormonell therapiert werden, wenn die betroffenen Frauen sie als sehr belastend empfinden (Abbildung 1).
MERKSÄTZE
� Die Hormonersatztherapie gilt als wirksamste Option zur Linderung vasomotorischer Beschwerden.
� Als nicht hormonelle und weniger wirksame Alternativen stehen Citalopram, Desvenlafaxin, Escitalopram, Gabapentin, Paroxetin und Venlafaxin zur Verfügung.
� Zur Behandlung von Symptomen des urogenitalen Menopausensyndroms sind niedrig dosiertes vaginales Östrogen, vaginales Prasteron und orales Ospemifen am wirksamsten.
Zu Beginn erfolgt die Behandlung mit der niedrigsten wirksamen Dosis des ausgewählten Präparats über den kürzesten möglichen Zeitraum. Anschliessend wird in regelmässigen Abständen neu bewertet, ob eine fortgesetzte Hormontherapie zur Kontrolle der Symptome weiterhin erforderlich ist. Frauen mit Uterus in situ sollte ein Gestagen oder der selektive Östrogenrezeptormodulator Bazedoxifen (in der Schweiz nicht mehr im Handel) in Kombination mit Östrogen verschrieben werden, um das Risiko für Endometriumhyperplasie und Endometriumkrebs zu senken. Dies gilt sowohl für die transdermale als auch für die orale Östrogenapplikation. Mikronisierte Progesteronkapseln können kontinuierlich statt zyklisch eingenommen werden, um monatliche Blutungen zu vermeiden. In manchen Präparaten wurden Östrogen und Gestagen in einer einzigen Pille oder einem Pflaster kombiniert. Für Frauen, die sich einer Hysterektomie unterzogen haben, ist Progesteron nicht geeignet. Die Hormontherapie gilt als wirksamste Option zur Linderung vasomotorischer Symptome. Die von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Hormonersatzpräparate verringern die Häufigkeit vasomotorischer Symptome um etwa 75 Prozent im Vergleich zu Plazebo. Die orale Einnahme konjugierter equiner Östrogene (mit oder ohne Medroxyprogesteronacetat) ist mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien und Schlaganfälle sowie für Brustkrebs verbunden. Das Risiko für koronare Herzerkrankungen erhöht sich nicht signifikant. Die absolute Risikoerhöhung für venöse Thromboembolien, Schlaganfälle und Brustkrebs ist im Vergleich zu Plazebo bei jüngeren Frauen und Frauen in der frühen Menopause allerdings gering; sie liegt bei etwa 0,5 bis 1,0 Ereignissen/1000 Personenjahre. Niedrig dosiertes konjugiertes equines Östrogen plus Bazedoxifen ist nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden. Bioidentische Östrogene aus Pflanzen oder Tieren, die chemisch und strukturell mit den menschlichen Hormonen identisch sind, können ebenfalls zur Behandlung vasomotorischer Symptome angewendet werden.
Nicht hormonelle Alternativen
Als nicht hormonelle Alternativen zur Behandlung vasomotorischer Symptome stehen Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (serotonine norephedrine reuptake inhibitors, SNRI) wie Venlafaxin (Efexor® und Generika) und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Paroxetin (Deroxat® und Generika) sowie Gabapentin (Neu-
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FORTBILDUNG
Evaluierung menopausaler vasomotorischer Symptome • Hitzewallungen, Nachtschweiss oder beides
Mässige bis schwere Symptome quälend, beeinträchtigen Lebensqualität sowie Schlafqualität und tägliche Funktionsfähigkeit
Leichte Symptome beeinträchtigen nicht die Lebensqualität
keine HRT
Erfassung von Kontraindikationen gegenüber der Hormontherapie
• Brustkrebs in der Vorgeschichte
• Lebererkrankung • Schlaganfall oder Herzinfarkt
in der Vorgeschichte
• bekannte oder vermutete östrogenabhängige Neoplasie • tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie in der
Vorgeschichte • thrombophile Störungen (z. B. Protein C, Protein S oder
Antithrombinmangel)
Keine Kontraindikationen
Kontraindikationen oder Ablehnung der HRT
Auswahl geeigneter Präparate Die besten Kandidatinnen für eine Hormontherapie sind jünger als 60 Jahre, befinden sich innerhalb der ersten 10 Jahre der Menopause und haben kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Brustkrebs. ------------------------------------------------------Östrogen allein (bei vorheriger Hysterektomie) Östrogen plus Progesteron oder Bazedoxifen (bei Uterus in situ) ------------------------------------------------------Überlegungen zur transdermalen Applikation: • könnte mit weniger ungünstigen Effekten im
Hinblick auf Gerinnungsfaktoren (und möglicherweise auf venöse Thromboembolien) verbunden sein als orale Hormontherapie • könnte sicherer sein für Frauen mit kardiovaskulären Risikofaktoren (wurde noch nicht in RCT untersucht) ------------------------------------------------------Raten an Endometriumhyperplasie im Zusammenhang mit der Hormontherapie berücksichtigen ------------------------------------------------------Vaginale Blutungen während der Hormontherapie unverzüglich abklären
Nicht hormonelle Alternativen
Off-label-Optionen (ausser Paroxetin), die durch Studiendaten gestützt werden: • 37,5 mg/Tag retardiertes Venlafaxin über eine
Woche, dann auf 75 mg/Tag steigern • 100 mg/Tag Desvenlafaxin (nicht im AK
der Schweiz) • 10 mg/Tag Escitalopram (Cipralex® und
Generika; kann auf 20 mg/Tag gesteigert werden) • 7,5 mg/Tag Paroxetin-Mesylat beim Zubettgehen • 10 mg/Tag Citalopram (kann auf 30 mg/Tag gesteigert werden) • 900 mg/Tag Gabapentin (abends oder in verteilter Dosierung) • 75 mg orales Pregabalin (Lyrica® und Generika) 2-mal täglich (kann auf 150 mg 2-mal täglich erhöht werden) • 0,1–1 mg/Tag orales Clonidin (Catapresan®) (oder 0,1–0,3 mg/Woche transdermales Clonidin
Abbildung 1: Vorgehensweise bei der Verschreibung einer menopausalen Hormontherapie (hormone replacement therapy, HRT; RCT: randomisierte, kontrollierte Studie
rontin® und Generika) zur Verfügung. Paroxetin und Venlafaxin sind mit vergleichbarer Wirksamkeit verbunden und verringern die vasomotorische Symptomatik um etwa 40 bis 65 Prozent. Auf welche Weise SNRI und SSRI vasomotorische Symptome lindern, ist bis anhin nicht bekannt. Andere Behandlungsoptionen wie Akupunktur, Entspannungstechniken, Phytoöstrogene, Bewegungsprogramme oder Traubensilberkerze sind zur Linderung vasomotorischer Symptome nicht signifikant wirksamer als Plazebo.
Behandlung des urogenitalen Menopausensyndroms
Zu den Behandlungsoptionen für mässige bis schwere urogenitale Beschwerden gehören niedrig dosiertes vaginales Östrogen, vaginales Prasteron (Dehydroepiandrosteron) und der orale selektive Östrogenrezeptormodulator Ospemifen (Osphena®) (Abbildung 2). Das Risiko im Hinblick auf die Entwicklung venöser Thromboembolien im Zusammenhang mit Ospemifen wurde bis anhin noch nicht in randomisierten
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Erfassung des urogenitalen Menopausensyndroms
Urogenitale Symptome wie Dyspareunie, Scheidentrockenheit und vaginale Irritationen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Ausschluss anderer Ursachen für die Beschwerden
• Verletzungen • Infektionen • Lichen sclerosus
• Malignität • Kontakt- oder Irritationsdermatitis
Beginn mit nicht hormoneller Therapie
Versuch mit frei verkäuflichen vaginalen Gleit- oder Feuchtigkeitscremes ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Überprüfung des Behandlungserfolgs und der Schwere der Symptome
Keine oder unzureichende Symptomlinderung
Ausreichende Symptomlinderung
Anwendung nach Bedarf fortsetzen
Erwägung anderer Behandlungsoptionen
Niedrig dosiertes vaginales Östrogen, vaginales Prasteron oder orales Ospemifen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Berücksichtigung von Kontraindikationen Häufig bei allen Optionen: • nicht diagnostizierte abnormale Genitalblutung • Brustkrebs in der Vorgeschichte • Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Vorgeschichte • bekannte oder vermutete östrogenabhängige Neoplasie • aktive oder vorherige tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie
Zusätzliche Kontraindikation gegenüber vaginalem Östrogen oder oralem Ospemifen: • Lebererkrankung
Abbildung 2: Vorgehensweise bei der Behandlung des urogenitalen Menopausensyndroms bei postmenopausalen Frauen
klinischen Studien untersucht. In der Packungsbeilage wird vor der gleichzeitigen Anwendung von Ospemifen und Fluconazol (kann das Risiko von ospemifenbezogenen Nebenwirkungen erhöhen) sowie vor der gleichzeitigen Applikation von Rifampin (kann die klinische Wirkung von Ospemifen verringern) gewarnt. Zur langfristigen Sicherheit von vaginalem Östrogen, vaginalem Prasteron und Ospemifen liegen keine Erkenntnisse vor. Frauen, die vaginales Östrogen oder Prasteron anwenden, sollten vaginale Blutungen unverzüglich beim Arzt abklären lassen. Zur Verringerung der Häufigkeit rezidivierender Harnwegsinfektionen sind die aufgeführten Medikamente nur bedingt geeignet. Vaginales Östrogen kann zwar das Risiko rezidivierender Harnwegsinfektionen verringern, ist jedoch weniger wirksam als eine kontinuierliche orale Antibiotikasuppression. Bei postmenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen reduzierte Sulfamethoxazol/Trimethoprim (Bactrim® und Generika) in einer Studie die Anzahl
symptomatischer Harnwegsinfektionen von 7,0/Jahr auf 2,9/
Jahr, und 48 Prozent der Frauen erlitten während einer The-
rapie mit Nitrofurantoin (Furadantin®; Uvamin®) keine
Harnwegsinfektionen.
Bei Frauen mit urogenitalen Symptomen ohne erhebliche
vasomotorische Beschwerden werden intravaginale Präpa-
rate mit begrenzter systemischer Absorption einer oralen
oder transdermalen Hormontherapie vorgezogen. Frauen,
die systemische Hormone einnehmen, benötigen mitunter
zusätzlich vaginale Präparate zur Linderung urogenitaler Be-
schwerden.
s
Petra Stölting
Quelle: Crandall CJ et al.: Management of menopausal symptoms: a review. JAMA. 2023;329(5):405–420.
Interessenlage: 1 der 3 Autoren des referierten Reviews hat Zuschüsse von den National Institutes of Health erhalten. Bei den beiden anderen liegen keine Interessenkonflikte vor.
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