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BERICHT
Aktinische Keratosen
Die bösartigen Schattenseiten der Sonnenstrahlung
Je mehr UV-Strahlung kumulativ auf ein Hautareal einwirkt, desto höher ist das Risiko für eine maligne Transformation der Hautzellen. Aktinische Keratosen als Vorstadien des hellen Hautkrebses entwickeln sich daher selten solitär, sondern häufig auf dem Boden von flächenhaften Veränderungen mit vermehrten Mutationen. Über begünstigende und protektive Faktoren sowie über aktuelle Therapieoptionen sprach Prof. Günther Hofbauer vom Universitätsspital Zürich an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen.
Aktinische Keratosen (AK) entwickeln sich nicht als Einzelphänomene, sondern sie sind Ausdruck grösserer Ereignisse. Zugrunde liegt meist eine Feldkanzerisierung – und sie ist die treibende Kraft, auf deren Boden sich die Einzelereignisse von nicht melanozytären Karzinomen und deren Vorstufen entwickeln. «Wir sollten nicht an die einzelne Läsion jetzt, sondern über die Zeit denken», betonte Hofbauer. Der Übergang zwischen AK und Karzinom ist fliessend: Die Zellen in AK sehen morphologisch wie invasive Tumorzellen aus; sie haben genetisch dieselben Mutationen, wie sie bei invasiven spinozellulären Karzinomen gefunden werden. Der einzige Unterschied ist, dass sich AK noch oberhalb der Basalmembran befinden, während die spinozellulären Karzinome die Basalmembran durchbrochen haben. Die AK fangen meist als kleine Läsionen aus wenigen Zellen in der untersten Schicht (Stratum basale) der Epidermis an, wachsen dann und füllen schliesslich alle Epithelschichten aus, bevor sie mit dem weiteren Wachstum die Basalmembran durchbrechen und in ein invasives Karzinom übergehen (1). In den
KURZ & BÜNDIG
� Aktinische Keratosen (AK) sind Zeichen einer Feldkanzerisierung.
� Unabhängig von der Dicke bergen AK das Risiko, in invasive spinozelluläre Karzinome überzugehen.
� Eine hohe Wirksamkeit konnte für 5-FU, PDT, Imiquimod und die Kryotherapie nachgewiesen werden. Mit Tirbanibulin steht eine neue topische Therapie zur Verfügung.
� Durch täglichen Sonnenschutz kann die Feldkanzerisierung verlangsamt werden.
� Eine Chemoprävention mit Nikotinamid 500 mg, 2-mal täglich, ist wirksam und wird sehr gut vertragen.
� Hydrochlorothiazid erhöht das Risiko für epitheliale Hauttumoren.
letzten Jahren wurden Untersuchungen veröffentlicht, die gezeigt haben, dass man durchaus bei dünnen AK, die klinisch eher unscheinbar sind, bereits histologische Veränderungen wie basale und follikuläre Proliferation sieht, die mit invasiven spinozellulären Karzinomen vergesellschaftet sind (2). Das bedeute, dass man klinisch nicht wirklich gut vorhersagen könne, aus welchen AK sich tatsächlich invasive Karzinome entwickeln würden, betonte Hofbauer: «Grundsätzlich sind wir klinisch eher ratlos und sollten entweder alles oder nichts behandeln.» Die Entscheidung, nur die dicken oder nur die hyperkeratotischen AK zu behandeln, sei deshalb nicht wirklich haltbar. Was tatsächlich helfen könnte, ist nach Einschätzung von Hofbauer die Dermoskopie. Hier wurde in einer aktuellen Arbeit der Frage nachgegangen, ob man den Übergang zu invasiven spinozellulären Karzinomen mit diesem Verfahren sehen kann (3). Es konnten mehrere prädiktive Faktoren definiert werden: Als negativer Prädiktor, das heisst als Hinweis, dass es eher kein spinozelluläres Karzinom ist, erwies sich eine Rötung im Hintergrund (OR: 0,22). Die 3 gefundenen positiven Prädiktoren, die mit dem Vorliegen eines bereits invasiven spinozellulären Karzinoms assoziiert waren, waren stecknadelkopfgrosse Gefässe (dotted/glomerular vessels, OR: 3,83), Haarklammergefässe (OR: 12,12) und weisse, strukturlose, amorphe Areale (OR: 3,58). Deshalb könne die Dermoskopie eventuell bei der Entscheidung helfen, welche AK behandelt werden sollten, sagte Hofbauer. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es schwer ist, ein Konzept im Sinne von Algorithmen zu entwickeln. Dennoch wurden Versuche unternommen, ein strukturiertes Vorgehen vorzuschlagen. Eine gute Orientierung bietet die S3-Leitlinie Aktinische Keratose der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). In der aktualisierten Version wird zwischen primär läsionsgerichteten Verfahren und primär feldgerichteten Verfahren unterschieden. Zu den primär läsionsgerichteten Verfahren zählen die Kryochirurgie, die Behandlung der Läsionen mit Kaliumhydroxidlösung (5%), chirurgische Verfahren und topisch-medikamentöse Verfahren, die sich auf eine Läsion beziehen.
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Zwar könne auch eine photodynamische Therapie (PDT) läsionsbezogen eingesetzt werden, das hält Hofbauer allerdings nicht für sinnvoll. Chirurgische Verfahren sind dann geeignet, wenn eine Histologie angestrebt wird, um zu prüfen, ob bereits ein invasives Wachstum vorliegt. Auch mit Laserverfahren können einzelne Läsionen behandelt werden. Zu den primär feldgerichteten Verfahren werden die Chemoexfoliation, die Dermabrasio, die PDT, verschiedene topisch-medikamentöse Verfahren sowie ablative Laserverfahren gerechnet. Zwar sei die Chemoexfoliation ein etwas älteres Verfahren, doch es gebe gute Daten, dass sie ähnlich wirksam sei wie die Laserbehandlung und zudem nicht allzu weit hinter der PDT zurückstehe, betonte Hofbauer. Die Dermabrasio wird heute kaum noch durchgeführt. Als die Therapie der Wahl für eine Feldbehandlung bezeichnete Hofbauer die PDT, weil damit grosse Flächen behandelt werden können. Es stehen Verfahren auf Basis von Tageslicht oder
«Die scheinbar gesunde Haut ist eine aktive Errungenschaft und nicht einfach ein passiver Zustand.»
Rotlicht zur Verfügung. «Wir machen das meistens mit Tageslichtverfahren, weil die Schmerzen kein Vergleich sind zu der Rotlichtbehandlung», so die Erfahrung von Hofbauer. Für die topisch-medikamentösen Verfahren stehen immer mehr Präparate zur Verfügung. Ein neuer Vertreter, der in der Aktualisierung der Leitlinie aufgenommen wurde, ist Tirbanibulin (1% Salbe). Das Präparat wird als Kurzzeitselbstanwendung 5 Tage lang aufgetragen. Eine erste Entscheidung ist, ob man einzelne Läsionen oder das ganze Feld behandeln will. Als Entscheidungshilfe wurde bereits vor mehreren Jahren von Schweizer Experten unter Mitwirkung von Hofbauer eine Schweizer Leitlinie zum Vorgehen bei Feldkanzerisierung publiziert (4). Vieles davon sei heute noch aktuell, betonte Hofbauer. So sollte die Geschichte des Patienten in die Therapieentscheidung einbezogen werden: Hat er rasch wiederkehrend und immer wieder aktinische Keratosen oder sogar invasive spinozelluläre Karzinome? Das wäre ein Argument für die feldgerichtete Therapie, um Tumoren zu verhindern. Ist der Patient immunsupprimiert? Dann ist sein höheres Risiko für die Entwicklung weiterer Tumoren ebenfalls ein Argument für die feldgerichtete Therapie. Hat der Patient eine myeloproliferative Erkrankung? Auch dann ist sein Tumorrisiko erhöht, und er sollte eher die feldgerichtete Therapie erhalten. Wo genau der Cut-off zwischen läsionsgerichteter und feldgerichteter Therapie gelegt werden soll, darüber besteht bis heute kein allgemeiner Konsens. Die Mehrheit sieht den Cutoff etwa bei 5 AK-Läsionen. Es komme allerdings immer auf den Patienten und seine Vorstellungen an, sagte Hofbauer: «Alles ist richtig, bei dem der Patient mitmacht.»
Studien als Hilfe bei der Therapieentscheidung
Die Wirksamkeit ist in der Regel der wichtigste Aspekt bei der Therapieentscheidung. Bei der Vielfalt an Therapiemöglichkeiten ist es schwierig, die Wirksamkeit zu vergleichen.
Aufschluss geben hier neuere Metaanalysen, die von Hofbauer vorgestellt wurden. In einer Arbeit wurde versucht, die Wirksamkeit verschiedener AK-Behandlungen, die jeweils gegen Plazebo getestet wurden, anhand eines systematischen Reviews und einer Netzwerkmetaanalyse im Vergleich darzustellen (5). Ein deutlicher Therapieeffekt konnte für verschiedene Anwendungen von 5-Fluoruracil (5-FU) und die PDT mit 5-Aminolävulinsäure (ALA-PDT) dokumentiert werden. Die Wirksamkeit von Diclofenac (3%) hat sich als «eher grenzwertig» erwiesen, da es zwar tendenziell eine Wirkung zeigte, aber das Signifikanzniveau verfehlt wurde. Etwas mehr, aber immer noch grenzwertig wirksam war niedrig dosiertes Imiquimod (2,5% und 3,75%). Klar wirksam war dagegen Imiquimod in der höheren Konzentration (5%), ebenso das inzwischen zurückgezogene Ingenolmebutat sowie die PDT mit Methylaminolavulinat (MAL-PDT). Eine weitere Arbeit aus dem letzten Jahr hat sich in einem systematischen Review und einer Netzwerkmetaanalyse mit den Langzeit-Clearanceraten beschäftigt (6). Das Ergebnis war ähnlich wie in der zuvor zitierten Studie: Imiquimod in niedrigen Konzentrationen (2,5% und 3,75%) zeigte keine klare Wirksamkeit, ebenso Diclofenac und ablative Laser. Signifikante Effekte zeigten 5-FU, Kryotherapie, höher dosiertes Imiquimod (5%) sowie die PDT-Verfahren (MALPDT und ALA-PDT). Neben diesen indirekten Vergleichen liegt auch eine direkte Vergleichsstudie vor, in der 4 Verfahren (5-FU 5% Creme, Imiquimod 5% Creme, MAL-PDT und Ingenolmebutat 0,05% Gel) randomisiert im Real-life-Setting bei insgesamt 624 Patienten gegenübergestellt wurden (7). 12 Monate nach der jeweiligen Behandlung wurde die Reduktion der AK um ≥ 75 Prozent bestimmt. Dieser Endpunkt wurde mit 5-FU bei 74,7 Prozent der Patienten erreicht, mit Imiquimod bei 53,9 Prozent, mit MAL-PDT bei 37,7 Prozent und mit Ingenolmebutat bei 28,9 Prozent (7).
Optimierung des Managements bei Feldkanzerisierung
Sogar in einer scheinbar gesunden Haut sind bei älteren Menschen etwa in jeder 4. Zelle Mutationen enthalten (8). Es sei nur dem Gleichgewicht zwischen Differenzierung und klonaler Proliferation zu verdanken, dass auf der einen Seite normale Proliferation stattfinde und auf der anderen Seite die klonale Expansion mutierter Zellen gebremst werde, berichtete Hofbauer: «Die scheinbar gesunde Haut ist eine aktive Errungenschaft und nicht einfach ein passiver Zustand.» Auf dieses Gleichgewicht hat jeder selbst einen Einfluss: Mehr Sonne gibt mehr Sonnenschaden mit mehr Mutationen. Wenn man dagegen den Sonnenschaden reduziert, erreicht man rasch klinisch messbare Besserungen. Deshalb führt konsequenter Sonnenschutz auch bei älteren Menschen mit vorhandenem hellem Hautkrebs recht rasch, innerhalb von Monaten, zu einer Besserung und Reduktion neuer Tumoren. Durch Sonnencreme wird nicht nur eine Reduktion neuer Läsionen erreicht, es können auch im Vergleich zu einer Basiscreme vermehrt Remissionen beobachtet werden (9). Effektiv ist auch die Gabe von Nikotinamid, denn es verbessert die DNA-Reparatur und vermindert damit die UV-bedingten Schäden, wie in vitro gezeigt werden konnte (10). «Ich gebe das inzwischen relativ vielen Patienten, weil es eine
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Feldkanzerisierung als Berufserkrankung bei Aussenarbeit
Eine Feldkanzerisierung mit aktinischer Keratose, spinozellulärem Karzinom und Basalzellkarzinom wird von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) als Berufserkrankung anerkannt. Allerdings muss der Versicherte einen entsprechenden Antrag stellen. Auch private UVG-Versicherer folgen der Suva-Entscheidung. Als Voraussetzungen müssen bei den Betroffenen Zeichen eines chronischen, gutartigen Sonnenschadens vorliegen sowie der Nachweis, dass in der Vergangenheit eine Aussenarbeit oder Schweissarbeiten in über 50 Prozent der Arbeitszeit stattgefunden haben. Der Versicherungsschutz gilt zudem in der Pensionierung, wenn im aktiven Berufsleben die Voraussetzungen erfüllt waren. Anerkannt werden dabei nicht nur klassische Bauarbeiter, sondern auch andere Berufsgruppen mit Aufenthalt im Freien, wie Polizisten, Hausmeister und Postboten. Die UVG bezahlt dabei ohne Selbstbehalt. Ebenso wird die Prävention mit Sonnenschutzcreme von der UVG bezahlt.
hervorragende Verträglichkeit hat», betonte Hofbauer. Allerdings gelingt das nur mit höheren Dosen – Hofbauer empfahl dafür täglich 2 × 500 mg. Mit dieser Dosis konnte in einer Doppelblindstudie bei Patienten mit hellem Hautkrebs eine Verringerung von AK im Vergleich zu Plazebo nachgewiesen werden, aber auch eine Verringerung der Hautkarzinome. Die Zahl neuer Basalzellkarzinome wurde in dieser Studie in einem Jahr um 20 Prozent reduziert, die Zahl neuer invasiver Plattenepithelkarzinome sogar um 30 Prozent (11). Viele ältere Patienten weisen Komorbiditäten auf – zum Beispiel eine Hypertonie. Ihre Hausärzte verschreiben dann gern Kombinationspräparate, die Hydrochlorothiazid (HCT) enthalten. Das Problem: Mit kumulativer Lebenszeitdosis von HCT steigt das Risiko für Basalzellkarzinome (BCC), noch stärker für spinozelluläre Karzinome (SCC). Personen, deren kumulative HCT-Dosis über 200 000 mg liegt, weisen im Vergleich zu Personen, die kein HCT eingenommen haben, eine Risikoerhöhung für SCC um den Faktor 8 auf (12). «Ich habe inzwischen schon so ein Bauchgefühl – wenn ich ältere
Herren mit vielen aktinischen Keratosen sehe, dann frage ich
als Erstes nach ihrer Blutdruckmedikation», sagte Hofbauer.
In der Mehrheit der Fälle nehmen solche Patienten tatsäch-
lich HCT ein, so seine Erfahrung. Er bittet dann die Haus-
ärzte, die Medikation, wenn möglich, entsprechend zu än-
dern.
Gerade bei der Verhinderung neuer AK gibt es also viele As-
pekte, die dem Patienten über die Therapie der bestehenden
AK hinaus vermittelt werden können.
s
Adela Žatecky
Quelle: Vortrag «Algorithmen zur Behandlung von aktinischen Keratosen» an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen am 16. Juni 2022 in Zürich.
Referenzen: 1. Fernandez Figueraz MT: From actinic keratosis to squamous cell carci-
noma: pathophysiology revisited. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31 Suppl 2:5-7. 2. Schmitz L et al.: Cutaneous squamous cell carcinomas are associated with basal proliferating actinic keratoses. Br J Dermatol. 2019;180(4):916921. 3. Papageorgiou C et al.: Evaluation of dermatoscopic criteria for early detection of squamous cell carcinoma arising on an actinic keratosis. J Am Acad Dermatol. 2022;86(4):791-796. 4. Hofbauer G et al.: Swiss clinical practice guidelines on field cancerization of the skin. Swiss Med Wkly. 2014;144:w14026. 5. Ezzedine K et al.: Systematic Literature Review and Network Meta-analysis of the Efficacy and Acceptability of Interventions in Actinic Keratoses. Acta Derm Venereol. 2021;101(1):adv00358. 6. Steeb T et al.: Evaluation of Long-term Clearance Rates of Interventions for Actinic Keratosis: A Systematic Review and Network Meta-analysis. JAMA Dermatol. 2021;157(9):1066-1077. 7. Jansen MHE et al.: Randomized Trial of Four Treatment Approaches for Actinic Keratosis. N Engl J Med. 2019;380:935-946. 8. Martincorena I et al.: Tumor evolution. High burden and pervasive positive selection of somatic mutations in normal human skin. Science. 2015;348(6237):880-886. 9. Thompson SC et al.: Reduction of solar keratoses by regular sunscreen use. N Engl J Med. 1993;329(16):1147-1151. 10. Surjana D et al.: Nicotinamide enhances repair of ultraviolet radiation-induced DNA damage in human keratinocytes and ex vivo skin. Carcinogenesis. 2013;34(5):1144-1149. 11. Chen AC et al.: A Phase 3 Randomized Trial of Nicotinamide for Skin-Cancer Chemoprevention. N Engl J Med. 2015;373(17):1618-1626. 12. Pedersen SA et al.: Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case-control study from Denmark. J Am Acad Dermatol. 2018;78(4):673-681.e9.
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