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STUDIE REFERIERT
Schwangerschaft
Erhöht Metformin das Adipositasrisiko der Kinder?
In älteren Untersuchungen gab es Hinweise, dass die Anwendung von Metformin in der Schwangerschaft bei den Kindern mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von Adipositas verbunden sein könnte. In der randomisierten, doppelblinden Studie MiTy war die Metforminexposition in utero bei Kindern im Alter von 2 Jahren jedoch nicht mit einem höheren BMI assoziiert.
Lancet Diabetes Endocrinology
Derzeit wird Metformin (Glucophage® und Generika) immer häufiger zur Behandlung von Gestationsdiabetes und von Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft angewendet. Da Metformin die Plazenta passiert, führt diese vermehrte Anwendung auch zu einer höheren fetalen Metforminexposition. Dabei ergibt sich die Frage, ob dies später mit gesundheitlichen Nachteilen für die Kinder verbunden sein könnte. Die kurzfristigen Wirkungen von Metformin scheinen vorteilhaft zu sein. Dazu gehören eine geringere Gewichtszunahme und eine geringere Häufigkeit von schwangerschaftsbedingtem Bluthochdruck bei den Müttern. Zudem sind weniger Kinder zu gross für das Gestationsalter, und es kommt seltener zu neonatalen Hypoglykämien. Über die langfristigen Wirkungen einer In-utero-Exposition gegenüber Metformin ist bis anhin nicht viel bekannt. Manche Studien weisen allerdings auf potenzielle Schädigungen wie einen erhöhten Body-Mass-Index (BMI) und mehr zentrale Adipositas im Alter von 7 bis 9 Jahren hin. In der randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studie MiTy untersuchten britische Wissenschaftler nun die Auswirkungen der Metforminexposition in utero im Hinblick auf die Entwicklung von Adipositas und metabolischem Syndrom bei Kindern bis zu einem Alter von 2 Jahren. Schwangere Patientinnen mit Diabetes Typ 2 erhielten entweder 2-mal täglich 1000 mg Metformin oder Plazebo. Bei den Kindern wurden in den Monaten 3, 6, 12, 18 und 24 Messungen des Gewichts, der Grösse und der Hautfaltendicke vorge-
nommen. Des Weiteren bestimmten die Forscher nach 24 Monaten mithilfe einer linearen Regression den mittleren BMI-Z-Score und verglichen die mittleren Summen der Hautfaltenmessungen zwischen der Metformin- und der Plazebogruppe (primäre Endpunkte).
Keine Unterschiede bei BMI und Hautfaltendicke
Im Rahmen von MiTy konnten die Daten von 283 der ursprünglich eingeschlossenen 465 Kinder (61 %) ausgewertet werden. 135 der 283 Kinder waren in der Metformingruppe, die verbleibenden 148 in der Plazebogruppe. Im Alter von 24 Monaten zeigte sich bei den Kindern im Hinblick auf den mittleren BMI-Z-Score kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Die Werte betrugen 0,84 (SD [standard deviation]: 1,52) unter Metformin und 0,91 (SD: 1,38) unter Plazebo (mittlere Differenz [MD]: 0,07; 95%-Konfidenzintervall [KI]: –0,31 bis 0,45; p = 0,72). Bezüglich der mittleren Summe der Hautfaltendicke wurde ebenfalls kein Unterschied beobachtet (23,0 mm [5,2] vs. 23,8 mm [5,4]; MD: 0,8 mm; 95%KI: –0,7 bis 2,3; p = 0,31). Bei den 2-jährigen Kindern erwies sich Metformin nicht als Prädiktor für den BMI-Z-Score (MD: –0,01; 95%-KI: –0,42 bis 0,37; p = 0,92). Allerdings zeigte sich ein Zusammenhang zwischen anderen modifizierbaren Risikofaktoren und dem BMI der Kinder. Im Alter von 24 Monaten waren der mütterliche BMI vor der Schwangerschaft (Veränderung pro Punkt: 0,03 kg/m2; 95%-KI: 0,0–0,06; p = 0,024), ein niedriger sozioökonomischer Status (MD: –0,46;
95%-KI: –0,87 bis –0,04; p = 0,033)
und eine verminderte Schlafdauer (Ver-
änderung pro Monat: –0,03; 95%-KI:
–0,05 bis 0,00; p = 0,021) mit dem BMI-
Z-Score der Kinder assoziiert.
Bei den Kindern der Metformingruppe
zeigte sich im BMI-Verlauf insgesamt
kein Unterschied im Vergleich zu Pla-
zebo, bei den männlichen Kindern war
der BMI-Verlauf jedoch je nach Be-
handlungsarm signifikant unterschied-
lich (p = 0,048). In der Metformin-
gruppe war der BMI der Jungen im Al-
ter zwischen 6 und 24 Monaten höher,
danach aber wieder mit dem der Kinder
aus der Plazebogruppe vergleichbar.
Insgesamt waren die Kinder von Frauen
mit Typ-2-Diabetes etwa um 1 Stan-
dardabweichung schwerer als die der
WHO-Referenzpopulation.
In der hier vorgestellten Studie waren
die anthropometrischen Daten bei Kin-
dern, deren Mütter in der Schwanger-
schaft mit Metformin behandelt wor-
den waren, mit denen von Kindern
vergleichbar, deren Mütter Plazebo er-
halten hatten. Insgesamt seien die Da-
ten also beruhigend, was die Anwen-
dung von Metformin während der
Schwangerschaft bei Typ-2-Diabetike-
rinnen und die langfristige Gesundheit
ihrer Kinder angehe, so das Fazit der
Autoren.
PS s
Quelle: Feig DS et al.: Outcomes in children of women with type 2 diabetes exposed to metformin versus placebo during pregnancy (MiTy Kids): a 24-month follow-up of the MiTy randomised controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2023;11(3):191-202.
Interessenlage: 6 der 19 Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Bei den anderen 13 liegen keine Interessenkonflikte vor.
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ARS MEDICI 8 | 2023