Transkript
FORTBILDUNG
Mikronährstoffe und phytotherapeutische Ansätze
Neue Erkenntnisse über Wechselwirkungen bei Endometriose
Endometriose lässt sich bisher nicht kausal behandeln. Die Betroffenen suchen deshalb im Rahmen des Selbstmanagements nach Möglichkeiten, um Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität positiv zu beeinflussen. Neben den Standardtherapien werden Ernährungsanpassungen, Nährstoffsupplemente oder Phytotherapeutika in Betracht gezogen. Was können diese Ansätze leisten?
Priska Christen
Zur Behandlung der Endometriose stehen verschiedene therapeutische Strategien zur Verfügung: chirurgische Eingriffe, Hormontherapien und nicht steroidale entzündungshemmende Medikamente. Dennoch ist die Wirksamkeit der konventionellen medizinischen Behandlungen bei manchen Patientinnen aufgrund der damit verbundenen Nebenwirkungen begrenzt oder nur zeitweise gegeben. Betroffene suchen oft nach therapiebegleitenden Möglichkeiten, um ihre Lebensqualität zu verbessern. Ernährungsanpassungen, Supplementierung mit Mikronährstoffen und Phytotherapie könnten vielversprechende alternative und ergänzende Strategien sein. Im Folgenden werden Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und ausgewählte pflanzliche Stoffe vorgestellt.
MERKSÄTZE
� Die therapieergänzende Supplementierung von Omega-3Fettsäuren und Vitamin D zeigt dosisabhängig eine Wirkung auf die Entzündungsneigung oder die Dysmenorrhö bei Endometriose.
� Bei der langfristigen Anwendung von östrogenhaltigen Arzneimitteln bietet eine Supplementierung mit gezielten Mikronährstoffen eine Möglichkeit, interaktionsbedingte Nebenwirkungen zu reduzieren.
� Der Einbezug der Ernährung (besonders die Reduktion von Arachidonsäure durch nicht tierische Produkte) ist sinnvoll, um die Aufnahme von Arachidonsäure in ein günstiges Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren zu setzen und damit die Entzündungsneigung des Körpers zu reduzieren.
� In der Phytotherapie unterstützen krampflösende oder antientzündliche Eigenschaften verschiedener Heilpflanzenextrakte (z. B. in Tees). Es gibt Hinweise, dass Curcuma und Cannabis (CBD) eine weitere Therapieoption darstellen können.
Entzündung im Visier
Endometrioseherde sezernieren eine Vielzahl von Entzündungsmediatoren. Die Gegenwart von Zytokinen und Änderungen der zirkulierenden Immunzellpopulation schaffen ein entzündliches Milieu, welches nicht auf das Becken begrenzt, sondern generalisiert ist. Sie machen die Endometriose damit zu einer systemischen Entzündungskrankheit. Obwohl nicht bekannt ist, ob die Entzündung mit zum Entstehen der Erkrankung beiträgt oder ob sie der Faktor ist, der die Krankheit unterhält (1–4), setzen verschiedene therapieergänzende Ansätze beim Entzündungs- und Schmerzprozess an (5). Die Mechanismen, welche endometrioseassoziierten Schmerzen zugrunde liegen, sind zahlreich und komplex – wie auch deren Zusammenhang mit weiteren Symptomen der Endometriose. Unbestritten ist jedoch ihr Einfluss auf die Lebensqualität. Es scheint deshalb plausibel, neben Analgetika nach anderen Möglichkeiten zu suchen, welche eine entzündungshemmende Wirkung zeigen.
Entzündungshemmende Ernährung
Um das Entzündungsgeschehen mit der Ernährung günstig zu beeinflussen, muss die Zufuhr entzündungsfördernder Nährstoffe (z. B. Arachidonsäure [arachidonic acid, AA]) eingeschränkt sowie die Zufuhr entzündungshemmender und schützender Nährstoffe (z. B. Omega 3, Antioxidanzien) erhöht werden. Deshalb wird eine abwechslungsreiche Ernährung mit Gemüse, Obst, Gewürzen, Fisch und magerem weissen Fleisch empfohlen. Rotes Fleisch und Wurstwaren enthalten einen hohen Anteil an AA und sollten deshalb in der Ernährung stark eingeschränkt, Omega-6-Fettsäuren, Transfettsäuren (z. B. in Pommes frites) am besten weggelassen werden. Auch Gluten und Milchprodukte sollten je nach Verträglichkeit wenn möglich ganz ausgeschlossen werden. Bei einer Eliminationsdiät wird empfohlen, den Verzehr vorerst zu reduzieren, statt das Produkt sofort ganz vom Speiseplan zu streichen (6).
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Einen zusätzlichen interessanten Aspekt und ein weiteres Argument für bekannte Empfehlungen, den Pflanzenanteil in der täglichen Ernährung hoch und den Genuss von Alkohol tief zu halten, liefert die Arbeit von Gaskins mit der Erkenntnis, dass pflanzliche Nahrungsmittel mit einem hohen Ballaststoffanteil wirksam die Östrogenkonzentration im Blut senken können (7) – während bekannt ist, dass regelmässiger Alkoholkonsum diese geringfügig erhöht. Änderungen der Ernährungsgewohnheiten scheinen bei Frauen mit diagnostizierter Endometriose die Symptome und die Lebensqualität in manchen Fällen positiv beeinflussen zu können; allerdings ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um allgemeine Ernährungsempfehlungen bei Endometriose auszusprechen.
Omega-3-Fettsäuren Einen vielversprechenden Ansatz stellen Omega-3-Fettsäuren für die Modulation der Entzündungsprozesse dar. Die beiden relevanten Omega-3-Fettsäuren sind Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Da der Körper diese beiden langkettigen, ungesättigten, essenziellen Fettsäuren aus pflanzlichen Fetten nur sehr begrenzt herstellen kann, müssen diese regelmässig über die Nahrung zugeführt werden. EPA und DHA kommen in nennenswerten Mengen in fettreichen Kaltwasserfischen wie Lachs, Thunfisch, Hering, Makrele und Sardine, in bestimmten Mikroalgen sowie in Krillöl vor. Dass fettreiche Kaltwasserfische besonders reich an Omega-3-Fettsäuren sind, hat einen biologischen Grund: Die ungesättigten Fettsäuren gewährleisten durch ihre raumfordernde, geknickte Struktur eine fluide Zellmembran, selbst bei tiefen Wassertemperaturen.
Wie kommen die entzündungshemmenden Effekte der Omega-3-Fettsäuren zustande? s Entscheidend ist die Veränderung in der Fettsäurezusam-
mensetzung von Zellmembranen durch Einnahme von Omega-3-Fettsäuren. An der Entzündungsreaktion beteiligte Zellen sind in der Regel reich an der n-6-Fettsäure AA. Durch orale Verabreichung von EPA und DHA kann das Verhältnis von AA und den Omega-3-Fettsäuren günstig verändert werden (8). s Eicosanoide, die aus AA gebildet werden, spielen eine Rolle bei Entzündungen. Auch aus EPA entstehen Eicosanoide, die jedoch aufgrund der chemischen Struktur andere Eigenschaften haben als die aus AA gewonnenen Eicosanoide. s Aus EPA und DHA werden sogenannte Resolvine gebildet, die entzündungshemmend und entzündungslösend wirken. Ein erhöhter Gehalt an EPA und DHA in der Zellmembran (und ein tieferer Gehalt an AA) führt zu einem veränderten Muster der Produktion von Eicosanoiden und Resolvinen. Diese werden lokal in die aktive Rückbildung der Entzündung einbezogen (engl.: to resolve = auflösen). Die Anheftung von Leukozyten an das Endothel der Blutgefässe ist ein entscheidender Schritt bei entzündlichen Prozessen: Hier kommen die Resolvine ins Spiel. Sie können die Endothelzellen dazu veranlassen, den Signalstoff Stickstoffmonoxid (NO) zu produzieren. Dieser verhindert die Anheftung der Leukozyten und unterbindet damit deren Einwanderung in das entzündete Gewebe.
s Eine Veränderung der Fettsäurezusammensetzung der an der Entzündungsreaktion beteiligten Zellen wirkt sich auch auf die Produktion von Peptidmediatoren der Entzündung (Adhäsionsmoleküle, Zytokine usw.) aus.
Die Fettsäurezusammensetzung der Zellen, die an der Entzündungsreaktion beteiligt sind, beeinflusst deren Funktion; der Gehalt an AA, EPA und DHA scheint eine grosse Bedeutung zu haben. Dieser kann über die Ernährung und die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren aktiv beeinflusst werden, indem diese die AA konkurrenzieren, aus der sich entzündungsfördernde Eicosanoide aufbauen. Die entzündungshemmenden Wirkungen der marinen Omega-3-Fettsäuren werden deshalb in verschiedenen Ernährungsrichtlinien bereits heute (z. B. bei Rheuma) eingesetzt. Bis jetzt liegen keine Daten aus randomisierten Interventionsstudien bei Endometriose vor. Aufgrund des Leidensdrucks und der überaus positiven Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren auf andere chronische entzündliche Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depression [9, 10]), zusammen mit der guten Verträglichkeit, ist die Zufuhr von EPA und DHA durch Ernährung und durch Supplemente eine Option, welche die Betroffenen in Betracht ziehen können.
Vitamin D Vitamin-D-Rezeptoren finden sich auch in den reproduktiven Geweben der Frau. Vitamin-D-Mangel wurde bei Endometriose als möglicher Faktor identifiziert (11, 12). Der 25-OH-Vitamin-D-Status korreliert invers mit dem Risiko und der Schwere, an Endometriose zu erkranken. Vitamin D konnte in einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie bei Dysmenorrhö Linderung verschaffen; es wurden einmalig 300 000 IE Vitamin D (40 Frauen) gegen Plazebo eingesetzt (13): Nach 2 Monaten kam es in der Vitamin-D-Gruppe zu einer Schmerzreduktion von 41 Prozent. Auffallend war zudem, dass die Einnahme von Schmerzmitteln abnahm. Die 1-malige Gabe von 300 000 IE Vitamin D alle 2 Monate hat sich in dieser Studie als effektiv in der Behandlung von Regelschmerzen erwiesen. Diese Dosis entspräche der täglichen Einnahme von 5000 IE Vitamin D. Das Fazit der Autoren: Frauen mit Dysmenorrhö sollten ihren 25-OH-Vitamin-D-Status ärztlich überprüfen lassen und einen Mangel durch gezielte Supplementierung ausgleichen (13). Möglicherweise besitzt Vitamin D bei Endometriose einen günstigen Einfluss auf die Östrogendominanz. Es gibt positive Erfahrungsberichte von Frauen, die bei Endometriose Vaginalovules oder Vaginalcremes mit Vitamin D einsetzten. Diese werden in der Schweiz zunehmend nach Magistralrezeptur in Apotheken hergestellt. Die derzeitige Evidenzlage ist noch unzureichend, um spezielle Empfehlungen für die Vitamin-D-Therapie bei Endometriose auszusprechen. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass etwa die Hälfte der Allgemeinbevölkerung tiefe Vitamin-D-Werte hat. Deshalb kann eine Verbesserung des Vitamin-D-Status ohnehin ein wichtiges Ziel einer ergänzenden Therapie sein. Angaben zu Dosierung und Wirkung von Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D und zur Reduktion von AA sowie weitere Informationen sind in Tabelle 1 aufgeführt.
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Tabelle 1:
Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D bei Endometriose
Mengenangaben pro Tag
Wirkung
Bemerkung
Arachidonsäure-(AA-) weniger als 80 mg
antientzündlich
AA kommt in hohen Mengen in rotem Fleisch
arme Ernährung
AA pro Tag
und Milchprodukten (Käse, Milch mit hohem
Fettgehalt, Butter) vor, sie konkurrenziert
die Omega-3-Fettsäuren in der Zellmembran.
Zufuhr von Omega-3-
mind. 1000 mg EPA/DHA,
entzündungshemmend, Bei der Wahl eines Fischölsupplements
Fettsäuren
zusammen mit 200 IE
immunmodulierend
sollte auf die Kontrolle von Schwermetallen
Vitamin E
Wert gelegt werden.
Einnahme von Vitamin E zum Schutz der
empfindlichen Omega-3-Fettsäuren
Vitamin D
Dosierung zwischen 2000 IE Dysmenorrhö
gemäss 25(OH)D-Spiegel
und 4000 IE Vitamin D/Tag
(Referenzwert: 30–60 ng/ml bzw. 75–150 nmol/l)
gemäss Labor
Beeinflussung der
Sexualhormonsynthese Faustregel: Vitamin-D-Supplementierung mit
(Progesteron/Östradiol) 1000 IE pro Tag hebt den 25(OH)D-Spiegel um
etwa 10 ng/ml (= 25 nmol/l) an.
Vitamin D wird als Magistralrezeptur auch
vaginal angewendet (Ovules oder Cremes).
EPA: Eicosapentaensäure, DHA: Docosahexaensäure
Phytotherapie
Verschiedene Heilpflanzenextrakte oder Einzelsubstanzen wurden auf ihre Eigenschaften in der Endometriosetherapie untersucht. Die verfügbaren Erkenntnisse beruhen auf In-vitro- und Tiermodellen und einer begrenzten Zahl gut durchgeführter klinischer Studien. Es liegen fast keine randomisierten Kontrollstudien zu Endometriose vor. Trotzdem können diese pflanzlichen Arzneimittel, korrekt angewendet, von Vorteil sein. Um die Sicherheit in diesem Gebiet zu garantieren, sollte pharmazeutisch hochstehenden Drogenqualitäten oder standardisierten Extrakten der Vorrang gegeben werden. Die rechtliche Situation von Cannabis befindet sich im Umbruch. Es werden klassische traditionelle Heilpflanzen als Option angesehen: Gemeiner Frauenmantel (Alchemilla vulgaris), Schafgarbe (Achillea millefolium), Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus). Diese Heilpflanzen haben entzündungshemmende, krampflösende Eigenschaften oder zum Teil leicht gestagene Wirkungen. Sie werden als wässriger Extrakt (z. B. Tee) nach Aufguss der Blätter oder als Urtinktur angewendet. Weitere Zubereitungen wie Pinienrindenextrakte (und viele mehr) wurden beschrieben – es lässt sich aus den Studienresultaten jedoch nicht ableiten, welcher der Vorrang gegeben werden soll (14–17).
Curcumin Curcumin ist der chemische Hauptinhaltsstoff der Gelbwurz (Curcuma longa), es ist ein sekundärer Pflanzenstoff. Das intensiv gelb gefärbte Curcumapulver ist allgemein bekannt als Bestandteil von Curry und wird in der ayurvedischen Medizin seit Generationen gebraucht. Viele medizinische Wirkungen von Curcuma und Curcumin können auf ihre entzündungshemmenden, antinozizeptiven und antioxidati-
ven Effekte zurückgeführt werden. Diese Eigenschaften sind interessant für einen Einsatz bei Endometriose. In die gleiche Richtung weisen In-vitro- und tierexperimentelle Studien: Verringerung der Östrogenspiegel, Apoptoseinduktion, Reduktion der Angiogenese über VEGF-Hemmung (VEGF: vascular endothelial growth factor) und Metallproteasesekretion (15). Curcumaextrakte senken auch das C-reaktive Protein und fördern die antioxidative Antwort des Transkriptionsfaktors Nrf2. Einige pharmakologische Eigenschaften von Curcumin werden mit einer antidepressiven Wirkung in Zusammenhang gebracht. In einer Metaanalyse zeigte sich bei Schmerzpatienten, dass Curcumin eine analgetische Effektstärke in einem ähnlichen Bereich wie nicht steroidale Antirheumatika und Paracetamol aufweist (16). Aufgrund der unterschiedlichen Extraktarten und Zubereitungen sowie der schwankenden Bioverfügbarkeit ist es schwierig, eine einheitliche Dosierungsempfehlung für Curcumin abzugeben. Am besten orientieren sich Endometriosebetroffene an Präparaten, mit denen konkrete Studienerfahrungen gemacht worden sind, und richten sich nach diesen Dosierungen. In der Schweiz ist Curcumin in Form von Nahrungsergänzungsmitteln erhältlich.
Cannabis Cannabis (Cannabis sativa) ist ein Hanfgewächs, das eine grosse Anzahl an Wirkstoffen enthält. 2 davon stehen im Vordergrund: Tetrahydrocannabinol (THC), bekannt für seine psychotrope Wirkung, sowie Cannabidiol (CBD), welches entzündungshemmende, antioxidative, beruhigende, antiemetische und analgetische Wirkungen aufweist. Es gibt wenige solide Studien zur Anwendung von CBD bei chronischen gynäkologischen Schmerzzuständen. Darüber hinaus
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Tabelle 2:
Auswirkungen von östrogenhaltigen Arzneimitteln auf den Nährstoffhaushalt und Nährstoffempfehlungen zum Ausgleich (20)
Nährstoff
Art der Wechselwirkung
Folsäure
verminderte Bioverfügbarkeit (bis zu 40% erniedrigte
Folsäureblutspiegel und erhöhter Bedarf)
Folsäuremangel kann zusammen mit Vitamin-B6- und
Vitamin-B12-Defiziten erhöhte Homocysteinspiegel verursachen.
Vitamin B1 (Thiamin),
erniedrigte Blutspiegel (Mechanismen unklar)
B2 (Riboflavin) und B12
Vitamin B6
erniedrigte Blutspiegel bei gleichzeitig deutlich erhöhtem
Bedarf
Verschiedene Nebenwirkungen östrogenhaltiger Arzneimittel
können durch Vitamin-B6-Mangel (dadurch auch Störung des
Tryptophan- und Serotoninstoffwechsels) verursacht werden.
Vitamin C
verminderte Vitamin-C-Konzentration in Plasma,
Leukozyten, Blutplättchen; erhöhter Vitamin-C-Bedarf
Magnesium und Zink
Reduktion der Serumspiegel
Kupfer
Kupferspiegel wird auf das Doppelte erhöht.
Sättigung des Coeruloplasmins
> mögliche klinische Auswirkungen auf Migräne, Akne,
Stimmungsschwankungen; erhöhtes Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Vitamin A
um 40–50% erhöhte Vitamin-A-Blutspiegel
> Frauen, welche die Pille nehmen, sollten hohe Dosen
Vitamin A nur unter ärztlicher Kontrolle einnehmen.
Empfohlene Tagesdosis 0,4–0,8 mg
B-Komplex mit mind. 5 mg Thiamin und Riboflavin und 5 µg Vitamin B12 5–25 mg
250–500 mg 300 mg Magnesium 10–15 mg Zink –
–
ist die Interpretation der Studien zum Beispiel aufgrund der unterschiedlichen Cannabisformulierungen, Verabreichungsmethoden und Dosierungen eingeschränkt, was eine endgültige Aussage über Cannabis zur Linderung gynäkologischer Schmerzen erschwert. Trotzdem greifen Frauen mit Endometriose auf Cannabis zurück (17, 18). Cannabinoide werden – falls es an einer Alternative fehlt – von den gynäkologischen D-A-CH-Gesellschaften als Option bei Endometriose mit neuropathischer Komponente aufgeführt. Es liegen keine kontrollierten Studien oder Fallserien zu Endometriose vor, allerdings gibt es klinische Erfahrungen bei chronischen Unterbauchschmerzen (14). Die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes der Schweiz sieht vor, dass Ärzte Arzneimittel auf Basis von Cannabis verordnen können, ohne eine Ausnahmebewilligung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) beantragen zu müssen. Was die Anwendung von Cannabis mit einem THC-Gehalt von 1 Prozent betrifft, nimmt diese seit ihrer Legalisierung (2016) rapid zu, sei es in Form von getrockneten Blüten zum Rauchen, als Öl, Tinkturen oder als Tabletten. Der Verband der Kantonschemiker der Schweiz (VKCS) hat in einer Analyse Cannabisprodukte untersucht, welche als CBD gekennzeichnet waren. Davon wurden 85 Prozent als nicht konform bewertet (zu hoher THC-Gehalt oder nicht zugelassener Extrakt) (19). Umso wichtiger ist die Empfehlung an die Betroffenen, dass sie, wenn sie Cannabismittel anwenden, diese ausschliesslich im Fachhandel statt im freien Markt (z. B. Internet) kaufen. Es gibt mittlerweile zugelassene Arzneimittel mit CBD, allerdings für andere Indikationen.
Mikronährstoffhaushalt und östrogenhaltige Präparate
In einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde bereits 1975 darauf hingewiesen, dass der Einfluss von kombinierten oralen Kontrazeptiva auf den Nährstoffbedarf ein Thema von hoher klinischer Relevanz ist. Es hat sich in weiteren Arbeiten bestätigt, dass die wichtigsten Nährstoffdefizite die Folsäure, die Vitamine B1, B2, B6, B12, C und E sowie die Mineralstoffe Magnesium und Zink betreffen. Einige unerwünschte Nebenwirkungen der Östrogentherapie werden durch deren Wechselwirkungen mit dem Mikronährstoffhaushalt verursacht. Grundsätzlich ist zu beachten: Die langzeitige Einnahme von Medikamenten kann zu Wechselwirkungen mit Mikronährstoffen führen, was nicht erstaunlich ist (Benutzung der gleichen Transport- und Resorptionssysteme, Komplexbildung oder erhöhter Stoffwechsel des Mikronährstoffs). Ein typisches Beispiel hierfür sind Elektrolytverluste durch den Einsatz bestimmter Diuretika. Als besonders gefährdet gelten Menschen, die gleichzeitig mehrere Arzneimittel als Dauermedikation anwenden. Bei der Endometriose sind das oft Analgetika (besonders in Kombination mit Protonenpumpenhemmern) und Hormontherapien. Das birgt nicht nur Risiken für Interaktionen, sondern auch für Ungleichgewichte im Mikronährstoffhaushalt. In Tabelle 2 sind Wechselwirkungen verschiedener Vitamine und Mineralstoffe mit östrogenhaltigen Arzneimitteln und empfohlene Tagesdosen aufgeführt.
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Falls die Langzeittherapie der Endometriose östrogenhaltige Arzneimittel umfasst, sollte parallel dazu ein ausgewogenes Multivitaminpräparat zur Einnahme in Erwägung gezogen werden, mit den in Tabelle 2 genannten Mikronährstoffen. Ziel ist, das Nebenwirkungsrisiko von östrogenhaltigen Medikamenten mit einer gleichzeitigen Einnahme der entsprechenden Nährstoffe zu vermindern (21–24).
Schlussfolgerung
Beim Selbstmanagement zur Begleitung der Endometriose
haben verschiedene Therapieansätze und Ernährungsanpas-
sungen im Alltag der Betroffenen bereits heute eine wichtige
Bedeutung, selbst wenn die Studienlage nicht immer auf ro-
buster Basis steht. Die Ansätze haben zum Ziel, die Lebens-
qualität zu steigern. Die Möglichkeit, als Betroffene selbst
aktiv an der Verbesserung der Symptomatik mitwirken zu
können, kann helfen, die psychische Belastung durch die
Diagnose besser zu tragen.
Sämtliche hier beschriebenen Nährstoffe und Pflanzenex-
trakte sind in den beschriebenen Anwendungen sicher und
gut verträglich und zeigen darüber hinaus in anderen Berei-
chen wie beispielsweise in der kardiovaskulären Prävention
gute Resultate. Gleiches gilt für die entzündungsarme Ernäh-
rung.
Es braucht die interdisziplinäre und interprofessionelle Zu-
sammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachpersonen, um
einer komplexen systemischen Erkrankung wie der Endo-
metriose mit vielfältigen Erscheinungsformen ausserhalb der
Parameter der klassischen gynäkologischen Erkrankung ge-
recht zu werden.
s
Priska Christen Apothekerin ETH Villa Margarita Bankstrasse 1 6280 Hochdorf E-Mail: priska.christen@villamargarita.swiss
Interessenlage: Die Autorin deklariert keinerlei Interessenkonflikte.
Dieser Artikel erschien erstmals in GYNÄKOLOGIE 1/23. Der Nachdruck erfolgt mit Genehmigung der Autorin.
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