Transkript
Prävention
Schützen Hörhilfen vor Demenz?
STUDIE REFERIERT
Schlechtes Hören gilt als Risikofaktor für das Entwickeln einer Demenz. Eine Studie aus den USA liefert erneut Anhaltspunkte dafür, dass der Gebrauch von Hörgeräten einer Demenz möglicherweise vorbeugen könnte.
JAMA
In einem 2020 publizierten Demenz-Report kam man zu dem Schluss, dass schlechtes Hören wegen einer damit verbundenen verminderten kognitiven Stimulation für rund 8 Prozent der Demenzfälle verantwortlich sei. Dieser Schlussfolgerung lagen langfristige Kohortenstudien zugrunde, in denen der Verlauf des Hörvermögens und die Prävalenz der Demenz über Jahre hinweg verfolgt wurden. Hörgeräte waren in diesen Kohorten ein Schutzfaktor vor Demenz. Die lange Beobachtungsdauer spreche eher dafür, dass Hörgeräte vor Demenz schützten und nicht etwa umgekehrt demente Personen Hörgeräte seltener nutzten, schrieben die Autoren des Reports (1). Eine neue, kürzlich publizierte Studie aus den USA unterstützt diese Sicht der Dinge. Die untersuchten Personen gehörten der Kohorte zur National Health and Aging Trends Study (NHATS) an, einer repräsentativen Auswahl von zu Hause lebenden Medicare-Versicherten über 65 Jahre in den USA. Die Autoren bezogen 2413 Personen in ihre Studie ein. Mehr als die Hälfte (53,3%) war mindestens 80 Jahre alt, der Frauenanteil betrug 55,8 Prozent. Untersucht wurde, inwieweit Hörvermögen, Demenzprävalenz und der Gebrauch von Hörgeräten assoziiert waren. Dabei wurden Alter, Geschlecht, Ethnie, Bildungsgrad, Raucherstatus und eine Reihe von Komorbiditäten statistisch berücksichtigt.
Hörtest
Gestestet wurden, jeweils auf dem Ohr mit dem besseren Hörvermögen, 4 für das Sprachverständnis besonders wichtige Frequenzen: 500, 1000, 2000 und 4000 Hz. Das Hörvermögen wurde gemäss folgender Hörschwellen definiert: s ≤ 25 dB normal s 25–40 dB leichte Einschränkung s > 40 dB mittelschwere bis schwere
Einschränkung Insgesamt wiesen rund 36 Prozent der Probanden leichte und 30 Prozent mittelschwere bis schwere Einschränkungen des Hörvermögens auf.
Höhere Demenzprävalenz bei schlechterem Hören
Die Demenzprävalenz betrug insgesamt rund 10 Prozent. Je schlechter gehört wurde, desto höher war die Demenzprävalenz. Sie betrug 6,19 Prozent bei denjenigen mit normalem Hörvermögen, 8,93 Prozent bei Personen mit leichter und 16,52 Prozent bei Personen mit einer mittelschweren bis schweren Einschränkung des Hörvermögens. Im Vergleich zwischen denjenigen, die normal hörten und denjenigen mit mittelschwer oder schwer beeinträchtigtem Hören wiesen Letztere eine um relativ 61 Prozent höhere Demenzprävalenz auf, wobei das statistische Konfidenzintervall (KI) recht breit war (1,61 [95%-KI: 1,09–2,38]). Eine Verschlechterung des Hörvermögens um 10 dB sei mit einem Anstieg der
Demenzprävalenz um 16 Prozent verbunden, so die Studienautoren. Etwa die Hälfte der Probanden mit einer mittelschweren bis schweren Beeinträchtigung des Hörvermögens nutzen Hörhilfen. Bei ihnen war die Demenzprävalenz um relative 32 Prozent niedriger als bei denjenigen, die kein Hörgerät benutzten (Prävalenzverhältnis: 0,68 [95%-KI: 0,47–1,0]).
Fazit für die Praxis
Bei einer Beeinträchtigung des Hörver-
mögens scheinen Hörgeräte auch im
Sinn der Demenzprävention sinnvoll
zu sein. Die Studienautoren fordern
deshalb einen niederschwelligen Zu-
gang zu Hörgeräten, mehr Forschung,
um aufzuklären, welche Mechanis-
men den zu beobachtenden Assozia-
tionen zugrunde liegen sowie rando-
misierte Studien. Letztere sind nicht
realistisch, denn wer wollte einem
Schwerhörigen ernsthaft sein Hörgerät
vorenthalten?
RBO s
Quelle: Huang AR et al.: Hearing Loss and Dementia Prevalence in Older Adults in the US. JAMA. 2023;329(2):171-173.
Referenz: 1. Livingston G et al.: Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet. 2020;396(10248):413-446.
Interessenlage: Die Studie wurde vom US-amerikanischen National Institutes of Health und dem National Insitute on Aging finanziert. Zwei Autoren geben Verbindungen zu Hörgeräteherstellern an.
ARS MEDICI 6 | 2023
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