Transkript
KONGRESSBERICHT
EADV 2022
Atopische Dermatitis
Aktuelles zur systemischen Therapie
Bei der atopischen Dermatitis ist das Immunsystem der Haut in komplexer Weise dysreguliert. Mit Biologika gelingt es, einzelne Interleukine oder ihre Rezeptoren zu blockieren, während mit JAK-Inhibitoren ganze Gruppen von Zytokinen gehemmt werden können. Über den aktuellen Stand der systemischen Therapie berichtete Prof. Andreas Wollenberg aus München (D) am hybriden EADV-Kongress 2022.
Der Referent wies auf eine neue europäische Leitlinie zur systemischen Therapie der atopischen Dermatitis hin, die an 4 Konsensuskonferenzen von 29 Experten aus 12 europäischen Ländern – mit Schweizer Beteiligung aus Basel, Bern und Lausanne – erarbeitet wurde (1). Starke Empfehlungen für die Behandlung von Patienten mit Indikation für eine systemische Therapie erhielten: s die Biologika Dupilumab (ab 6 Jahre) und Traloki-
numab (Erwachsene) s die JAK-Inhibitoren Baricitinib (Erwachsene) und
Upadacitinib (EU: ab 12 Jahre, CH: Erwachsene) s Ciclosporin als konventionelles Immunsuppressi-
vum (ab 16 Jahre). Die Zulassung des JAK-Inhibitors Abrocitinib erfolgte nach den Konsensuskonferenzen. Eine Empfehlung kann deshalb erst in ein zukünftiges Update der Leitlinie aufgenommen werden, ist aber zu erwarten.
Hemmung der Signalweiterleitung von IL-4 und IL-13
Seit Dupilumab verfügbar ist, hat sich die systemische Therapie der atopischen Dermatitis grundlegend verändert. Dupilumab blockiert den Rezeptor der Interleukine (IL) 4 und 13 und hemmt dadurch die Signalweiterleitung beider IL. Das Ansprechen auf das Biologikum tritt mittelschnell ein. Bis der ganze Effekt erreicht sei, seien einige Wochen nötig, so der Referent. In der Regel ist die Behandlung gut ver-
JAK-STAT-Signalpfad reguliert Entzündungsprozesse
s Beim extrazellulären Andocken von Zytokinen dimerisieren ihre Rezeptoren. s Intrazellulär sind an beiden Rezeptorketten Tyrosinkinasen angeheftet. s Die Familie der Januskinasen besteht aus den 4 zytoplasmatischen Tyrosinkinasen
JAK 1, 2, 3 und TYK 2. s Januskinasen agieren als Paare, entweder als Homo- oder als Heterodimere (theore-
tisch 10 mögliche Kombinationen). s Durch gegenseitige Phosphorylierung aktivierte Januskinasen phosphorylieren Re-
zeptorproteine und STAT-Faktoren (signal transducer and activator of transcription), die sich daran angelagert haben. s Nach Ablösung von den Rezeptoren gelangen STAT-Faktoren in den Zellkern, wo sie die Transkription der Zielgene regulieren.
träglich. Routinekontrollen des Bluts (Hämatologie, Serumchemie) sind bei Langzeitbehandlungen nicht erforderlich. Als Hauptnebenwirkung entwickelten in Studien bis zu 28 Prozent der Patienten eine zumeist leichte bis moderate Konjunktivitis. In der Regel sind beide Augen davon betroffen. Ursache einer einseitigen Konjunktivitis ist dagegen meist eine Infektion. Zur Behandlung empfahl der Referent antiinflammatorische Augentropfen, wobei er Fluorometholon (0,1%) bevorzugt. Die Dupilumab-Therapie könne meistens fortgesetzt werden. Alternativ sei es möglich, Tacrolimus-Salbe (0,03%) am Lidrand aufzutragen. Eine geringe Menge des Wirkstoffs trete danach in die Tränenflüssigkeit über. Diese Verwendung erfolgt off-label, denn gemäss Arzneimittelinformation soll Kontakt mit den Augen vermieden werden.
Nur Hemmung von IL-13
Tralokinumab bindet an IL-13 und hemmt nur die Signalweiterleitung dieses IL. Es handelt sich nicht um ein rasch wirkendes Biologikum. Wenn Patienten vorerst nicht ganz zufriedenstellend auf die Therapie ansprechen, braucht es etwas mehr Geduld, denn bei fortgesetzter Therapie verbessert sich das Ansprechen kontinuierlich. Bei manchen Patienten kann der volle Therapieeffekt nach 16 Wochen noch nicht beurteilt werden. Das zeigte eine Analyse der Studie ECZTRA 3, in der die Behandlung mit Tralokinumab und zusätzlich topischen Kortikosteroiden (nach Bedarf auf aktiven Hautläsionen) getestet wurde. Nach 16 Wochen wiesen 56 Prozent und nach 32 Wochen 70,2 Prozent der erwachsenen Patienten ein EASI75Ansprechen auf (eczema area and severity index). In den beiden Monotherapiestudien ECZTRA 1 und 2 (ohne topische Kortikosteroide) erreichte Tralokinumab nach 16 Wochen bei 25 bzw. 33,2 Prozent der erwachsenen Patienten ein EASI75-Ansprechen. Konjunktivitis kommt als Nebenwirkung mit Tralokinumab weniger häufig vor als mit Dupilumab.
Orale Therapie mit JAK-Inhibitoren
Um einen raschen Therapieeffekt zu erreichen, sind JAK-Inhibitoren eine gute Wahl. Beispielsweise sind mit Baricitinib – einem selektiven Inhibitor von JAK 1 und 2 – Verbesserungen des Juckreizes bereits 1 Tag
SZD 1/2023
11
KONGRESSBERICHT
EADV 2022
nach der ersten Einnahme messbar. Unter den JAK-Inhibitoren habe Baricitinib nicht die höchste Wirksamkeit, aber wahrscheinlich das beste Sicherheitsprofil, sagte der Referent. In direkten Vergleichsstudien wirkten die beiden selektiven JAK-1-Inhibitoren Upadacitinib und Abrocitinib deutlich schneller als Dupilumab. Vor dem Einsatz von JAK-Inhibitoren ist ein Laborscreening erforderlich, und während der Behandlung sind Laborkontrollen angezeigt. Der Referent riet zur Herpes-zoster-Impfung vor Behandlungsbeginn, weil JAK-Inhibitoren auch die antivirale
Immunantwort beeinträchtigen können (Virusreakti-
vierung).
s
Alfred Lienhard
Quelle: Session D3T01.2 «Atopic dermatitis» beim 31. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) am 10. September 2022 und Session D3T07.4 «JAK inhibitors and other small molecules» beim 31.Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology am 10. September 2022 in Mailand und online.
Referenz: 1. Wollenberg A et al.: European guideline (EuroGuiDerm) on atopic eczema: part I –
systemic therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2022;36:1409-1431.
12 SZD 1/2023