Transkript
STUDIE REFERIERT
E-Zigaretten
Nützliche Rauchstopphilfe?
Die einen betrachten E-Zigaretten als weniger gefährliche Variante des Rauchens und als Hilfsmittel zum Rauchstopp, die anderen bezweifeln das und halten sie für genauso schädlich wie Tabakprodukte. In einem laufend aktualisierten Cochrane-Review geht man der Frage nach, welche Sicht der Dinge von Studien zurzeit tatsächlich untermauert wird und welche nicht.
Cochrane Library
Unter E-Zigaretten versteht man Verdampfer, in denen eine Flüssigkeit durch Erhitzen in ein Aerosol überführt wird. Entsprechende Flüssigkeiten (Liquids) sind mit oder ohne Nikotin erhältlich. E-Zigaretten enthalten keinen Tabak. Seit der Einführung von E-Zigaretten werden deren gesundheitliche Auswirkungen kontrovers diskutiert. Die einen warnen vor potenziellen, noch ungeklärten Gesundheitsrisiken durch den langfristigen Konsum der Liquids, oder sie halten E-Zigaretten prinzipiell für den falschen Weg, weil sie nichts an der Nikotinabhängigkeit änderten. Die anderen argumentieren, dass E-Zigaretten beim Rauchstopp hilfreich seien und weniger schädlich als das Rauchen von Zigaretten. In einem «living systematic review» verfolgten Cochrane-Autoren die aktuelle Datenlage zum Nutzen der E-Zigaretten als Hilfsmittel beim Rauchstopp (1). In der aktuellen Version, publiziert im November 2022, wurden 17 neue Studien berücksichtigt. Insgesamt liegen dem Review nun die Daten aus 78 Studien (40 davon waren randomisierte, kontrollierte Studien) mit insgesamt 22 052 Teilnehmern zugrunde. Die meisten Studien stammen aus den USA, dem Vereinigten Königreich und Italien. Nur 10 der Studien wurde ein niedriges Bias-Risiko bescheinigt, bei 50 Studien war es hoch und bei den restlichen 18 Studien unklar. In den Studien wurden der Erfolg verschiedener Rauchstoppstrategien im Vergleich mit E-Zigaretten untersucht (Nikotinersatzprodukte, Vareniclin, Beratung, keine Hilfsmittel) sowie der Effekt von E-Zigaretten mit oder ohne Nikotin. Die Cochrane-Autoren befassten sich mit folgenden Fragen:
s Wie viele Personen hören für mindestens 6 Monate mit dem Rauchen auf?
s Wie häufig sind Nebenwirkungen nach mindestens 1 Woche Gebrauch von E-Zigaretten?
Rauchstopp mit nikotinhaltiger E-Zigarette häufiger erfolgreich
Für mindestens 6 Monate mit dem Rauchen aufzuhören, ist mit nikotinhaltigen E-Zigaretten wahrscheinlicher als mit Nikotinersatzprodukten – bei diesem Statement sind sich die CochraneAutoren sehr sicher. Moderat ist der Evidenzgrad für die Aussage, dass nikotinhaltige E-Zigaretten für den Rauchstopp hilfreicher seien als nikotinfreie. Ebenfalls erfolgreicher scheint der Rauchstopp mithilfe nikotinhaltiger E-Zigaretten im Vergleich mit reiner Rauchstoppberatung oder gar keiner Unterstützung zu sein, wobei der Evidenzgrad für diese Fragestellung wegen des hohen Bias-Risikos in den einschlägigen Studien gering ist. Selbst mit nikotinhaltigen E-Zigaretten hält sich der zahlenmässige Erfolg beim Rauchstopp in Grenzen. Von 100 Personen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, halten mit allen Methoden nicht allzu viele den Verzicht auf Zigaretten für mindestens 6 Monate durch: s 9 bis 14 mit nikotinhaltigen E-Ziga-
retten s 7 mit E-Zigaretten ohne Nikotin s 6 mit Nikotinersatzprodukten s 4 mit oder ohne Rauchstoppbera-
tung. Die Cochrane-Autoren sind nicht sicher, ob relevante Unterschiede bezüglich der Anzahl von Nebenwirkungen im Vergleich der verschiedenen Strategien bestehen. Zu den am häufigsten im Zusammenhang mit E-Zigaretten ge-
nannten Nebenwirkungen zählen Irritationen im Mund- und Rachenbereich, Kopfschmerzen, Husten und Krankheitsgefühl. Diese Nebenwirkungen gehen bei längerem Gebrauch der E-Zigaretten zurück.
Und die Tabakerhitzer?
Mit diesen Produkten wird Tabak auf
hohe Temperaturen erhitzt, und das da-
durch entstehende Aerosol soll nach
Angaben der Hersteller weniger schäd-
liche Substanzen enthalten als Zigaret-
tenrauch. Ob das tatsächlich der Fall
ist, wird von den Autoren eines Anfang
letzten Jahres publizierten Cochrane-
Reviews (2) mit «wahrscheinlich» be-
antwortet und der entsprechende Evi-
denzgrad als moderat beurteilt. Ob
Tabakerhitzer beim Rauchstopp hilf-
reich sein könnten, ist unbekannt, weil
es dazu bis anhin keine Studien gibt. Die
zurzeit verfügbaren randomisierten,
kontrollierten Studien zu Tabakerhit-
zern waren anderen Fragestellungen
gewidmet. Sie wurden alle von der Ta-
bakindustrie gesponsert, und das Fol-
low-up war mit maximal 13 Wochen
recht kurz (2).
RBO s
Quellen: 1. Hartmann-Boyce J et al.: Electronic cigarettes
for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev. 2022;11(11):CD010216. 2. Tattan-Birch H et al.: Heated tobacco products for smoking cessation and reducing smoking prevalence. Cochrane Database Syst Rev. 2022;1(1):CD013790.
Interessenlagen: Studien von 2 der 12 Autoren des Reviews zu E-Zigaretten (1) wurden in den Review einbezogen, und 3 der 12 Autoren deklarieren Verbindungen zu Herstellern von Nikotinersatzprodukten. Keiner der Autoren des Reviews zu Tabakerhitzern (2) erhielt Zuwendungen jeglicher Art von Herstellern von Tabakprodukten oder E-Zigaretten, und einer der Autoren deklarierte Verbindungen zu Herstellern von Nikotinersatzprodukten.
64 ARS MEDICI 3 | 2023