Transkript
DERMATOLOGIE
Dermatologie in der Pandemie
Erhöhtes Zosterrisiko nach COVID-19
Bei Menschen über 50 Jahre erhöht eine durchgemachte Infektion mit SARS-CoV-2 das Risiko, in der Folge an einem Herpes zoster zu erkranken. Besonders hoch ist das Risiko nach einer schweren Erkrankung mit Hospitalisierung.
Seit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie im Jahr 2019 wurden immer wieder Fallberichte und Fallserien veröffentlicht, die über Zosterfälle bei COVID-19-Patienten berichteten, die meist innerhalb 1 Woche nach der Diagnose von COVID-19 oder aufgrund einer dadurch bedingten Hospitalisierung auftraten. Aus mehreren Ländern wurden zudem Zunahmen der Zosterfälle gemeldet. Biologisch war das durchaus plausibel, deshalb wurde die Hypothese aufgestellt, dass die durch SARS-CoV-2 induzierte T-Zell-Immundysfunktion die Reaktivierung einer latenten Infektion mit dem Varicella-zoster-Virus (VZV) begünstigt. Doch eine Studie zur Risikoabschätzung fehlte bislang. Deshalb wurde in einer US-Kohortenstudie das Zosterrisiko näher bestimmt. Dazu wurden die Datensätze von insgesamt 394 677 Personen ≥ 50 Jahre, bei denen erstmals die Diagnose COVID-19 gestellt wurde, mit den Daten von etwa 1,5 Millionen altersgematchter Personen ohne eine COVID-19-Diagnose verglichen. In beiden Kohorten waren zuvor und im Beobachtungszeitraum weder Impfungen gegen SARS-CoV-2 noch gegen das VZV verabreicht worden. Die Kohorten wurden im Verhältnis 1:4 exakt gematcht. Als Kriterien für das Matching wurden Altersgruppe, Geschlecht sowie das Vorliegen einer Immundefizienz beziehungsweise andere Risikofaktoren für die Entwicklung eines Herpes zoster berücksichtigt.
Zoster oft schon innerhalb 1 Woche nach COVID-19
In einem Follow-up-Zeitraum von 99 Tagen wurden in beiden Gruppen die Zosterinzidenzen bestimmt. Dabei hatten die Personen der COVID-19-Kohorte mit 8,18 pro 1000 Personenjahre ein um 15 Prozent höheres Risiko als die Personen der coronafreien Kontrollgruppe, in der eine Zosterinzidenz von 6,81 pro 1000 Personenjahre ermittelt wurde. Bei Frauen war das Risiko höher als bei Männern, und Personen über 65 Jahre hatten ein höheres Risiko als Personen zwischen 50 und 64 Jahren. Das erhöhte Risiko für einen Zoster galt für die ersten 6 Monate nach der COVID-19-Diagnose, jedoch traten mehr als die Hälfte der registrierten Zosterfälle bereits
innerhalb der ersten Woche nach der Diagnosestellung auf. Nach 6 Monaten glich sich das Zosterrisiko der mit SARS-CoV-2 infizierten Personen demjenigen der Kontrollpersonen an.
Korrelation mit Schwere des COVID-19-Verlaufs
Deutlich höher war das Zosterrisiko bei Personen, die statio-
när behandelt werden mussten – bei ihnen betrug die Risiko-
erhöhung in der SARS-CoV-2-positiven Kohorte 21 Prozent
im Vergleich zur SARS-CoV-2-negativen Kohorte (10,13 vs.
7,95 pro 1000 Personenjahre).
Diese retrospektive Kohortenstudie bestätigt die Vermutun-
gen: Das Risiko, nach einer SARS-CoV-2-Infektion an einem
Zoster zu erkranken, ist bei Personen über 50 Jahre signifi-
kant erhöht, besonders bei älteren Personen und denjenigen
mit einer COVID-19-bedingten Hospitalisierung. Die Auto-
ren schliessen aus ihren Daten, dass COVID-19 die Reakti-
vierung einer latenten Infektion mit VZV triggert und deshalb
als Risikofaktor für einen Zoster betrachtet werden sollte.
Vor dem Hintergrund, dass der Zoster durch eine Impfung
verhindert werden kann, betonen die Autoren, dass die Um-
setzung der VZV-Impfung bei Personen ab 50 Jahre helfen
kann, die zosterbedingte Krankheitslast während der Pande-
mie zu reduzieren.
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Adela Žatecky
Quelle: Bhavsar A et al.: Increased risk of herpes zoster in adults ≥ 50 years old diagnosed with COVID-19 in the United States. Open Forum Infect Dis. 2022;9(5):ofac118.
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