Transkript
UEG-Week
Stellenwert der verschiedenen Substanzklassen
Therapie-Update bei Morbus Crohn
TNF-Hemmer sind auch noch nach über 20 Jahren die unbestrittene Therapie bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn nach erfolgloser Steroidtherapie. Inzwischen sind neue Substanzklassen wie die Small Molecules und die Interleukinhemmer entwickelt worden. Wo der Stellenwert dieser Substanzklassen liegt und wie die Therapieziele definiert werden sollten, war an der United European Gastroenterology Week in Wien zu erfahren.
TNF-Hemmer haben seinerzeit die Therapie des Morbus Crohn revolutioniert. Durch ihren schnellen Wirkeintritt und die Symptomlinderung war es möglich geworden, mit einer medikamentösen Therapie eine Mukosaheilung und eine Krankheitsremission zu erreichen, wodurch sich die heutigen Therapieziele entsprechend verschoben haben. Damit einhergehend seien die Zahlen der operativen Eingriffe in dieser Indikation zurückgegangen, berichtete Dr. Joana Torres, Hospital Beatriz Angelo & Hospital da Luz, Portugal. Nach über 20 Jahren ist diese Substanzklasse immer noch in Gebrauch, und die Erfahrung damit ist sehr gross. TNF-Hemmer gelten noch immer als Therapie erster Wahl. Denn sie sind die wirksamsten Medikamente für die Induktion einer Remission, wie ein systematischer Review mit Metaanalyse von Therapien mit verschiedenen Biologika, wie TNF-Hemmer, Integrinhemmer, Interleukin-(IL-)Hemmer (IL-12 und IL-23) allein oder in Kombination, im Vergleich zu Plazebo oder einem aktiven Komparator, zeigte. Die Therapien dauerten bei den gesamthaft 2931 biologikanaiven Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn zwischen 14 Tagen und 22 Wochen. Als primäre Endpunkte waren die Induktion und die Erhaltung der Remission definiert. Aufgrund des Resultats empfehlen die Auto-
KURZ & BÜNDIG
� TNF-Hemmer sind bei Morbus Crohn seit Langem gut etabliert.
� Ein sekundärer Wirkverlust kann über die Jahre eintreten, mit einem erhöhten Infektionsrisiko ist zu rechnen.
� Zu den bei Morbus Crohn eingesetzten Small Molecules gehören die Januskinasehemmer Upadacitinib und Tofacitinib.
� Von den Interleukin-(IL-)Hemmern ist Ustekinumab als IL-12/23-Hemmer zugelassen. Weitere sind in klinischer Erprobung.
ren, Infliximab mit Azathioprin oder Adalimumab als Therapie der ersten Wahl einzusetzen und in zweiter Linie bei Wirkverlust von Infliximab Adalimumab zu verabreichen (1). Mit einer weiteren Netzwerkmetaanalyse mit 25 Studien (n = 8720) zur Biologikatherapie bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem luminalem Morbus Crohn wurde festgestellt, dass unter den 12 verschiedenen Medikamenten und Dosierungen mit Infliximab 5 mg/Tag am ehesten eine klinische Remission erreicht werden kann, gefolgt von Risankizumab 600 mg/Tag und Upadacitinib 45 mg/Tag (2).
Endoskopische Abheilung und spezielle Situationen
Auch bei dem höher gesteckten Ziel der endoskopischen Abheilung bei Patienten mit schweren bis sehr schweren Ulzera erreichten Adalimumab (27,9%) und Infliximab (27,7%) nach 1 Jahr im Vergleich zu Ustekinumab und Vedolizumab (17,1 bzw. 7,1%) die höchsten Abheilungsraten (3). In speziellen Situationen wie beispielsweise bei perianaler Fistelbildung als Komplikation von Morbus Crohn bewirkt der TNF-Hemmer Infliximab einen Rückgang und Verschluss der Fistel (4). In weiteren Situationen, in denen beispielsweise eine Resektion im Ileokolon vorgenommen werden musste, verhinderte Infliximab einen Rückfall auf endoskopischer Ebene, allerdings nicht auf klinischer Ebene (5). Evidenz gibt es zudem im Zusammenhang mit symptomatischen Strikturen, bei denen Adalimumab nach 24 Wochen bei 2 Drittel der Patienten zu einem Therapieerfolg führte, ohne Notwendigkeit für eine zusätzliche Steroid- oder TNF-Hemmer-Therapie. Bei etwa der Hälfte dieser Patienten hielt der Therapieerfolg unter Adalimumab, ohne Dilatation oder chirurgischen Eingriff, 4 Jahre an (6). Inzwischen stehen einige Biosimilars in der Substanzklasse der TNF-Hemmer zur Verfügung. In der Indikation Morbus Crohn wie auch in anderen Indikationen (Colitis ulcerosa, Spondyloarthtitis, Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und Psoriasis) kann das Biosimilar CT-P13 von Infliximab (Inflectra®, Remsima®) hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität bedenkenlos eingesetzt werden (7).
6 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2023
UEG-Week
Was bei TNF-Hemmern zu beachten ist
Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten sprechen auf eine Therapie mit TNF-Hemmern nicht an. Dazu kommt ein sekundärer Wirkverlust von etwa 15 Prozent pro Jahr bei den Patienten, die anfänglich angesprochen haben. Grund dafür ist in den meisten Fällen eine Antikörperentwicklung gegen das Therapeutikum, weitere Ursachen können eine paradoxe inflammatorische Exazerbation oder eine Veränderung der Pathologie auf andere Mediatoren sein (8). Zudem muss bei dieser Substanzklasse mit einem erhöhten Risiko für schwere Infektionen gerechnet werden. Gemäss einer Metaanalyse mit 21 Vergleichsstudien ist dieses Risiko, verglichen mit Ustekinumab, um 51 Prozent höher, zu Vedolizumab besteht in dieser Hinsicht jedoch kein Unterschied (9). Ein zunehmendes Alter leistet dem Infektionsrisiko unter TNF-Hemmern Vorschub: Bei 18- bis 64-Jährigen bewegt sich die jährliche Inzidenz bei 2 Prozent, ab einem Alter von 65 Jahren steigt sie auf 5 Prozent (10). Bei Vorliegen einer schweren endoskopischen Erkrankung, von perianalen Fisteln, bei schweren extraintestinalen Manifestationen sei eine Behandlung mit TNF-Hemmern noch immer die beste Option, so das Fazit der Referentin. Bei älteren Patienten mit Komorbiditäten, bei einer Antikörperentwicklung oder bei erhöhtem Risiko für Nebenwirkungen sollten allerdings alternative Therapiestrategien erwogen werden.
Small Molecules bei Morbus Crohn?
Als Small Molecules gelten niedermolekulare Wirkstoffe mit einer Molekülmasse von unter 900 g/mol. Das ermöglicht, verschiedene Zielmoleküle anzusteuern, die die Pathophysiologie von Erkrankungen beeinflussen. Die meisten Wirkstoffe von Medikamenten liegen in diesem Bereich und können meist peroral verabreicht werden. Biologika dagegen haben eine grosse Molekülmasse und müssen in der Regel parenteral gespritzt werden. Small Molecules werden in der Dermatologie, vor allem bei Psoriasis, und in der Rheumatologie bereits seit Längerem erfolgreich eingesetzt. In der Therapie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen haben sich ebenfalls einige Small Molecules etablieren können. Dazu gehören die Januskinase-(JAK-)Hemmer wie Tofacitinib und Upadacitinib sowie der Integrinantagonist Vedolizumab. In der Therapie des Morbus Crohn ist jedoch erst der Integrinantagonist Vedolizumab zugelassen, weitere Wirkstoffe, auch aus anderen Substanzklassen, befinden sich für diese Indikation im Stadium von klinischen Studien.
Interleukinhemmer als gute Option
Die Substanzklasse der IL-Hemmer wird bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn bereits erfolgreich eingesetzt. Ustekinumab, ein IL-12/23-Hemmer, habe in den UNITI-Studien bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn gegenüber Plazebo signifikant höhere Ansprech- sowie anhaltende Remissionsraten nach 44 Wochen gezeigt (11), berichtete Prof. Mathieu Allez, Hôpital Saint-Louis, INSERM U1160, Université Paris Cité (F), an der UEG-Week. Die Frage, ob sich eine Behandlung mit definierten Zielen (treat to target) anhand von Biomarkern, klinischen Sympto-
men und Dosissteigerung bei inflammatorischer Aktivität
besser für das Erreichen einer endoskopischen Verbesserung
eigne als eine klinische Therapiestrategie, habe man in der
offenen Phase-IIIb-STARDUST-Studie untersucht, berichtete
Geert D’Haens, Academic Medical Center, University of
Amsterdam (NL), an der UEG-Week. 440 Patienten erhielten
die Standardinduktionstherapie, wovon 219 Patienten in die
Treat-to-Target- und 221 Patienten in die Standardtherapie-
gruppe randomisiert wurden. Nach 48 Wochen zeigte sich
kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen hin-
sichtlich der endoskopischen Response, der endoskopischen
Remission, der Mukosaheilung und der klinischen Remis-
sion, doch war das klinische Ansprechen in der Treat-to-
Target-Gruppe signifikant geringer. Eine frühzeitige Dosis-
steigerung von Ustekinumab aufgrund von endoskopischem
Ansprechen, klinischen Symptomen und Biomarkern bringe
demnach keinen Vorteil gegenüber der symptomorientierten
Behandlung, so D’Haens (12).
Weitere IL-Hemmer wie Risankizumab und Guselzumab,
die bereits für die Therapie der Psoriasis und der Psoriasis-
arthritis zugelassen sind, befinden sich für die Indikation
Morbus Crohn in klinischer Erprobung in Phase-II- und
-III-Studien.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Therapy update in Crohn’s disease». United European Gastroenterology Week (UEGW), 9. bis 11. Oktober 2022, in Wien.
Referenzen: 1. Singh S et al.: Comparative efficacy and safety of biologic therapies for
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