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Nephrologie
Sind kürzere Dialyseintervalle empfehlenswert?
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In der Regel erfolgt bei Patienten im Endstadium der Niereninsuffizienz dreimal pro Woche eine etwa vierstündige Dialyse. Erfahrungsgemäss sind Mortalität und Spitaleinweisungen we-
also eher jeden zweiten Tag dialysieren oder gar häufiger? Für die meisten Patienten sei dies angesichts der zurzeit vorliegenden Fakten nicht gerechtfertigt, meint Prof. Carmine
Fachgruppen der ERA-EDTA (European Renal Association - European Dialysis and Transplant Association). Sein zurückhaltendes Statement begründet der Nephrologe mit fehlenden klinischen Studien. So gebe es weder harte Daten über den Einfluss der Dialysefrequenz auf die Mortalität noch auf die Frage, inwiefern häufige Dialysen schaden können. Zoccali spricht sich jedoch trotzdem dafür aus, dass für Patienten mit besonderen Risiken eine Verkürzung der Dialyseintervalle sinnvoll sein könne. Als Beispiele nennt er niereninsuffiziente Patienten mit refraktärer Hyperhydratation, unkontrollierter Hypertonie, Hyperphosphatämie, Mangelernährung oder kardiovaskulären Erkrankungen.
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Zoccali C et al.: Should we extend the application of more frequent dialysis schedules? A «yes» and a hopeful «no». Nephrol Dial Transplant 2015; 30(1): 29–32 und Pressemitteilung der ERA-EDTA vom 14. Januar 2015.
gen kardiovaskulärer Probleme bei diesen Patienten umso häufiger, je länger die Dialyseintervalle sind. Sollte man
Zoccali, Chefredaktor der Fachzeitschrift «Nephrology, Dialysis, Transplantation» und Mitglied verschiedener
Onkologie
OP nicht zwingend bei lokalem Kolorektalkarzinom?
Bis jetzt ist die chirurgische Entfernung fester Bestandteil der Therapie auch bei lokalen Kolorektalkarzinomen, die auf eine neoadjuvante Therapie sehr gut ansprechen. Die Operation müsse nicht unbedingt bei jedem Patienten sein, sagte Dr. Philip Paty an einer Pressekonferenz anlässlich eines Symposiums in San Francisco. Paty ist onkologischer Chirurg am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York. Dort werden bestimmte Patienten mit einem lokalen Kolorektalkarzinom seit 2006 nach einer neoadjuvanten Therapie nicht mehr unbedingt operiert, sofern nach dieser bereits eine komplette klinische Remission eingetreten ist. Für die «Watch-and-Wait»-Strategie kommen Patienten mit einem tiefen
lokalen kolorektalen Karzinom infrage, das heisst, mit einem Tumor, der nicht mehr als eine Fingerlänge vom Anus entfernt liegt und nach einer Radioplus-Chemotherapie verschwunden ist, so Paty. In einer nicht randomisierten, retrospektiven Studie mit 145 Patienten, bei denen bereits die neoadjuvante Therapie zu einer kompletten klinischen Remission geführt hatte, wurden 73 der Patienten weiterhin lediglich beobachtet, die anderen 72 wie üblich operiert. Die mittlere Follow-up-Dauer betrug 3,5 Jahre. Danach lebten in der Gruppe ohne Chirurgie noch 91 Prozent der Patienten, bei den Operierten waren es 95 Prozent. Der Unterschied bei distalen Tumorrezidiven war nicht statistisch signifikant (12% vs. 7%; p = 0,23).
Die meisten Rezidive traten 18 Monate nach der neoadjuvanten Therapie auf. Bei 19 nicht operierten Patienten (28%) wuchs der Tumor innert vier Jahren an der gleichen Stelle erneut; in den allermeisten Fällen (17 von 19 Patienten) erforderte dies eine Totalresektion. Dass die Resultate aufgrund der retrospektiven Natur der Studie und einem gewissen «Rosinenpicken» bei der Auswahl der Patienten noch mit Vorsicht zu geniessen sind, streitet Paty nicht ab. Trotzdem sei dies ein vielversprechender Ansatz, der den Patienten einen die Lebensqualität erheblich beeinträchtigenden Eingriff ersparen kann. RBOO
Paradigm Buster in Locally Advanced Rectal Cancer. Medscape, Jan 13, 2015.
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eHealth
Bereits über 50000 SmartphoneOrganspenderausweise
Rückspiegel
obs/Swisstransplant/unknown
Die Schweiz liegt mit ihrer Organspenderate im unteren Drittel Europas. Swisstransplant meldet für 2014 insgesamt 117 Spender, dies entspricht 14,4 Spendern pro Million Einwohner. Damit ist die Schweiz noch weit entfernt von den 20 Spendern pro Million Einwohner, die der Bund und die Kantone mit dem Aktionsplan bis 2018 erreichen wollen. Um den Zugriff auf einen möglicherweise vorhandenen Organspenderausweis zu verbessern, wurde im letzten Herbst eine elektronische Version für das Smartphone entwickelt, die bei der Schweizer Bevölkerung offenbar gut ankommt. Wie Swisstransplant kürzlich mitteilte, wurde der elektronische Organspenderausweis bereits fast 53 000 Mal ausgefüllt. Der Smartphone-Organspenderausweis läuft über die 2013 etablierte Notfall-App «Echo112», die mittlerweile von mehr als 350 000 Personen in der Schweiz genutzt wird. Mit Echo112 wird der örtliche Rettungsdienst verständigt und gleichzeitig die genaue Position des Nutzers in der Schweiz oder im Ausland übermittelt, ausserdem können Allergien, Medika-
mente und Notfallkontakte des Nutzers angezeigt werden. Wie Echo112 wird auch die Organspenderkarte in der Notfallaufnahme des Spitals automatisch auf dem Smartphone angezeigt, sofern das Spital mit der entsprechenden Technik ausgestattet ist. Dies trifft zurzeit für die Universitätsspitäler Basel, Bern, Zürich, Lausanne und Genf sowie weitere 21 Schweizer Spitäler zu, die meisten davon in der Romandie. In der Deutschschweiz habe Ärzte ausserhalb der Universitätsspitäler in den Kantonsspitälern St. Gallen und Olten, den Spitälern Bülach, Grabs und Oberengadin sowie in der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland Zugriff auf die Smartphone-Info. Im Tessin ist bislang nur das Ospedale Regionale Lugano dabei. Entwickelt wurden Echo112 und der elektronische Organspenderausweis von Jocelyn Corniche, Oberarzt Anästhesie und Notaufnahme am CHUV Lausanne, der vor vier Jahren ein Startup-Unternehmen zur Entwicklung medizinischer Apps gegründet hatte. Die App Echo112 und den Organspendeausweis ist gratis für iPhone und Android. Download und weitere Informationen: http://emergencyid.ch.
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Neue Medien
Google Glass am UKBB
An der Abteilung Neonatologie des Universitätskinderspitals beider Basel (UKBB) verwendet man seit kurzem Google-Glass-Sets. Ziel sei es, die Fachkompetenz erfahrener Kollegen auch bei deren Abwesenheit rasch verfügbar zu machen sowie Müttern der Wochenbettstation den Kontakt zu ihrem frühgeborenen Kind zu ermöglichen, heisst es in einer Pressemitteilung des UKBB. Die Datenbrillen wurden auf Initiative des Forschungszentrums für Pädiatrische Pharmakologie angeschafft. Das von Prof. Johannes Van den Anker und Prof. Marc Pfister geleitete Forschungszentrum befasst sich mit weiteren Einsatzmöglichkeiten. Unter anderem ist vorgesehen, die Brille für eine optimierte Verabreichung von Medikamenten bei Frühgeborenen zu verwenden. Dafür würden zurzeit Apps
entwickelt, welche dem Brillenträger anhand
von relevanten Faktoren (Wirkstoff, Körperge-
wicht etc.) die exakte Dosierung und mögliche
Interaktionen mit anderen Medikamenten
mitteilen, so Pfister. Man hofft, dadurch die
Verabreichung von Medikamenten an Frühge-
borene und kranke Neugeborene noch siche-
rer zu machen.
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Pressemitteilung des Universitätskinderspitals beider Basel UKBB vom 15. Dezember 2014.
Foto: UKBB
Vor 10 Jahren
Johanniskraut
Die Wirksamkeit von Johanniskraut gegen Depressionen sei zwar nicht so hoch wie bislang angenommen, aber immer noch besser als Plazebo. Zu diesem Schluss kommt Klaus Linde, Erstautor einer neue Metaanalyse, in der nur randomisierte Studien mit dem Vergleich des Phytotherapeutikums gegen Plazebo oder ein Standarddepressivum berücksichtigt wurden. Je höher die Probandenzahl in der Studie und je schwerer deren Depression, umso geringer fiel der therapeutische Effekt aus. Das galt allerdings auch für die chemischen Antidepressiva, denn sie waren auch nicht besser als das Johanniskraut.
Vor 50 Jahren
TV-Werbeverbot
Am 8. Februar 1965 verbietet die britische Regierung die TV-Werbung für Tabak, um den Zigarettenkonsum in der Bevölkerung zu bremsen. Über den Nutzen von Werbeverboten für gesundheitlich bedenkliche Waren wird bis heute kontrovers diskutiert. Es gibt mittlerweile Studien, wonach nur 20 Prozent aller Kaufentscheidungen durch Werbung ausgelöst würden. Die Rolle von Vorbildern in der Familie und im Freundeskreis scheint für die Entscheidung für oder gegen das Rauchen insofern bedeutender zu sein als die Werbung.
Vor 100 Jahren
Mutagene Chemikalien
Die japanischen Forscher Katsusaburo Yamagiwa und Koichi Ichikawa weisen in einem Tierexperiment nach, dass Chemikalien Krebs erzeugen können. Sie pinseln das Innenohr ihrer Versuchskaninchen wiederholt mit Teer ein. Wulstige, grosse Epithelialgeschwülste sind die Folge. Das Originalpräparat eines der bedauernswerten Tiere wird in der Pathologie der medizinischen Fakultät der Universität Tokio aufbewahrt.
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ARS MEDICI 2 I 2015