Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 25.9.2014
Rückvergütung von Inkontinenzhilfen
Liliane Maury Pasquier Ständerätin SP Kanton Genf
1. Beabsichtigt der Bundesrat, im Rahmen der nächsten Revision der Mittel- und GegenständeListe (MiGel) den Höchstvergütungsbeitrag für Inkontinenzhilfen anzupassen? Falls ja, in welche Richtung?
2. Beabsichtigt der Bundesrat, Massnahmen zu ergreifen, damit die Kosten zulasten von
Personen, die an Inkontinenz leiden, begrenzt werden? Falls ja, welche?
Begründung Die Höchstvergütungsbeiträge für aufsaugende Inkontinenzhilfen nach der MiGel sind seit dem 1. Januar 2005 nicht mehr angepasst worden. Nun sind aber die geltenden Höchstbeträge nicht immer ausreichend, sodass die Patientin oder der Patient den Fehlbetrag selbst begleichen muss; dazu kommt eine Kostenbeteiligung von 10 Prozent sowie die Franchise, die jährlich mehrere Hun-
dert Franken betragen kann. Ebenfalls seit dem 1. Januar 2005 gilt für jede der folgenden drei Untergruppen (mittlere, schwere oder totale Inkontinenz) ein jährlicher Höchstvergütungsbeitrag. Diese Unterteilung soll die Handhabung der Inkontinenzhilfen und deren Rechnungstellung erleichtern. Allerdings steht dem Vorteil der vereinfachten Abrechnung «in Einzelfällen der Nachteil gegenüber, dass die Inkontinenzhilfen dann von der versicherten Person selbst bezahlt werden müssen, wenn der Plafond überschritten ist», wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Anfrage Schenker schreibt. Insbesondere dann, wenn eine Ärztin oder ein Arzt zögert, der Patientin oder dem Patienten eine Verschlechterung des Zustandes zu attestieren, oder
wenn eine nahestehende Person die Inkontinenzhilfe häufig wechselt, übersteigen die Kosten für die benötigten Mengen an solchen Hilfen den rückvergüteten Betrag. Im Bericht vom 7. März 2014 über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2013 erklärt der Bundesrat, es bestehe «Bedarf nach einer Überprüfung der Gliederung sowie der HVB [Höchstvergütungsbeiträge] bei diversen Mitteln und Gegenständen. Vorgesehen ist daher eine Revision der MiGeL.» Angesichts dessen muss bei der Revision auch die besondere Situation von Menschen, die an Inkontinenz leiden, berücksichtigt werden.
Antwort des Bundesrates vom 19.11.2014
1. Mittel und Gegenstände, die der Behandlung oder der Untersuchung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, gehören nach Artikel 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung zu den Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGeL) enthält grundsätzlich nur Produkte, die von den Versicherten direkt oder allenfalls unter Beizug von nichtberuflich an der Untersuchung oder der Behandlung mitwirkenden Personen angebracht und/oder verwendet werden können. Der in der MiGeL aufgeführte Höchstvergütungsbetrag (HVB) wird in der Regel in Anlehnung an den Durchschnittspreis der auf dem Markt erhältlichen Produkte festgelegt, dabei wird auch der Preis im Ausland für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit herangezogen. Der versicherten Person ist es frei gestellt, ein spezifisches geeignetes Produkt im Rahmen dieses HVB auszuwählen, wobei ein allfälliger Mehr-
betrag zulasten der versicherten Person geht. Seit Erstellung der MiGeL wurden die Positionen nicht systematisch überprüft, jedoch wurden gewisse Senkungen der HVB vorgenommen. Im Rahmen der geplanten Revision der MiGeL soll daher ein System zur kontinuierlichen periodischen Überprüfung und Anpassung der MiGeL entwickelt und eingeführt werden. Dabei sollen die technische Entwicklung bei Medizinprodukten, Veränderungen im Produktemarkt sowie Preisentwicklungen periodisch analysiert und bei Bedarf Anpassungen in der MiGeL vorgenommen werden. Eingeschlossen sind alle Produktegruppen der MiGeL wie auch die Inkontinenzhilfen. Im Rahmen der vorgesehenen Revisionsarbeiten wird also auch eine allfällige Anpassung des HVB für Inkontinenzhilfen geprüft. Es ist derzeit allerdings noch nicht absehbar, in welcher Art und Weise Anpassungen in diesem Bereich erfolgen werden. Im Weiteren steht inter-
essierten Organisationen jederzeit die Möglichkeit offen, einen Antrag zur Anpassung der MiGeL einzureichen. Ein solcher Antrag muss die Informationen enthalten, aufgrund derer ermittelt werden kann, ob die Kriterien der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit für die beantragte Leistung erfüllt sind. 2. Aufsaugende Inkontinenzhilfen sind in der MiGeL unter der Positionsnummer 15.01 mit einer Einstufung nach Inkontinenzgraden mit den entsprechenden Jahrespauschalen aufgelistet. Es bedarf der Indikationsstellung und der Verordnung unter Angabe des Inkontinenzgrades durch einen Arzt oder durch eine Ärztin, damit die OKP die Kosten der Inkontinenzprodukte bis höchstens zur Höhe der Jahrespauschale rückerstattet. Änderungen der Kategorienzugehörigkeit können durch begründete ärztliche Diagnose und entsprechende ärztliche Anordnung erfolgen. Es liegt in der Verantwortung der behandelnden Ärzte und Ärztinnen, dass dies rechtzeitig erfolgt. Wie in der Antwort auf die Anfrage Schenker Silvia (Behinde-
rungsbedingte Mehrkosten. Probleme für erwerbstätige Behinderte) festgehalten, wurde das System der Pauschalierung nicht zuletzt zur Vereinfachung der Abrechnung dieser Produkte gewählt, dies vor dem Hintergrund, dass auch in der MiGeL die Voraussetzungen der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu erfüllen sind. Der Bundesrat ist sich mit Blick auf die anstehende Revision auch bewusst, dass dem Vorteil der vereinfachten Abrechnung in Einzelfällen auch Nachteile gegenüberstehen. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Mittel und Gegenstände, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung durch einen Leistungserbringer nach Artikel 35 KVG wie auch im Rahmen der Pflege in Pflegeheimen oder durch die Krankenpflege zu Hause angewandt werden, nicht in den Geltungsbereich der MiGeL fallen und somit von einer allfälligen Revision auch nicht direkt betroffen wären.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
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POLITFORUM
INTERPELLATION vom 24.9.2014
Überwachung
Antwort des Bundesrates vom 19.11.2014
von Psychopharmaka
Yvette Estermann Nationalrätin SVP Kanton Luzern
In seiner Antwort auf meine Interpellation schreibt der Bundesrat: «Tödliche Komplikationen, einschliesslich Suizide sind verhältnismässig selten, jedoch ein Schwerpunkt in der Überwachung von Psychopharmaka und werden seitens von Swissmedic sehr engmaschig verfolgt.» Weiter schreibt der Bundesrat: «Schliesslich erfasst das Programm ‹Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie› unerwünschte Wirkungen in psych-
iatrischen Kliniken der Schweiz und tauscht sie mit Swissmedic aus.»
1. Wo können diese gesammelten Daten gesichtet werden? Weiter schreibt der Bundesrat: «Diese oben aufgeführten Überwachungsmassnahmen in Verbindung mit dem international gewährleisteten Austausch von Signalen stellen sicher, dass produktspezifische Probleme frühzeitig erkannt und korrigierende Massnahmen eingeleitet werden können.»
2. Wie genau läuft dieser Prozess ab?
3. Kann er ein aktuelles Beispiel von einem Prozess aufführen und beschreiben?
INTERPELLATION vom 26.9.2014
Kostenexplosion durch neue Hepatitis-C-Therapien?
Jean-François Steiert
Nationalrat SP Kanton Freiburg
Verschiedene Wirksubstanzen befinden sich zurzeit im Prozess der Registrierung und der Kassenzulässigkeit (Wirkstoffe: Daclatasvir, Sofosbuvir, Simeprevir, Faldaprevir). Die neuen Therapien sollen einen Durchbruch darstellen und quasi mit 1 Pille pro Tag die Krankheit heilen. Die Therapiekosten werden selbst in den USA mit 1000 Dollar pro Pille für Sofosbuvir als sehr hoch eingestuft und kritisiert. In der Schweiz sind etwa 80 000 Personen mit Hepatitis C infiziert. Wenn nun ein Viertel dieser Patienten im ersten Jahr mit Sofosbuvir behandelt würde, würde das bei durchschnittlich 90 000 Fran-
ken Behandlungskosten pro Patient für die obligatorische Krankenversicherung Ausgaben in Höhe von 1,8 Milliarden Franken nur für diesen Wirkstoff bedeuten. Generell werden bei neuen Behandlungen die Wirkungen und die Kosten mit denjenigen vorhergehender Therapien verglichen. Bei einem Mehrnutzen erhält die Zulassungsinhaberin einen Innovationszuschlag oder kann bei einem Durchbruch dank der guten Verhandlungsposition den Preis durchsetzen. Dadurch entsteht der Effekt einer steigenden Treppe. Ich bitte deshalb den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie können solch exorbitant hohe
Kosten in einem Sozialversicherungssystem gerechtfertigt werden, wenn die Produktionskosten für eine Behandlung bei maximal 270 Dollar liegen (Publikation Hill et al.; CID 2014: 58)?
1. Die Daten zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von Psychopharmaka in der Schweiz werden, gleich wie jene zu allen anderen Spontanmeldungen, in der Swissmedic-Datenbank erfasst. Diese wurde im Jahr 1990 gegründet und umfasst heute über 65 000 Meldungen. Swissmedic informiert in Verbindung mit aktuellen Problemen der Arzneimittelsicherheit über entsprechende Analysen dieser Daten und informiert unter anderem auf ihrer Homepage darüber. Das Institut achtet dabei sehr streng auf den Datenschutz – betroffene Patienten dürfen nicht erkennbar werden. Die Datenbank enthält die «Rohdaten», welche erst medizinisch ausgewertet werden müssen und ist daher nicht öffentlich. 2./3. Medizinische Fachpersonen und Firmen in der Schweiz unterstehen der Meldepflicht. Der Prozess der Pharmacovigilance beinhaltet die Erfassung einer vermuteten unerwünschten Wirkung, die Abklärung des entsprechenden Signals und die notwendigen risikomindernden Massnahmen. Swissmedic evaluiert dabei sowohl die Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen aus der Schweiz als auch international erkannte Sicherheitssignale. Sie bezieht dafür die internationale Datenbank der WHO mit über 9,3 Millionen. Meldungen mit ein. Bestätigt sich ein Signal, trifft Swissmedic
2. Ist die Einschränkung der Behandlung auf eine schwere Leberschädigung ethisch vertretbar?
3. Wäre es sinnvoll, analog der HIV-Kohorte, Auflagen zur Behandlung der Patienten im Rahmen eines schweizweiten Registers zu machen, um so weitere Daten zu Wirksamkeit und Kosteneffektivität zu sammeln und für die Patienten analog der schweizerischen HIV-Kohortenstudie eine sehr gute Betreuung und eine möglichst hohe Therapietreue zu erreichen? Die Schaffung solcher Möglichkeiten würde der Schweizer For-
risikomindernde Massnahmen. Diese reichen von der Anpassung der Arzneimittelinformation über angeordnete Rundschreiben der Zulassungsinhaberin an die medizinischen Fachpersonen bis hin zum Widerruf der Zulassung eines Präparats. 4. Ende 2013 informierte die amerikanische FDA über seltene Berichte lang andauernder, schmerzhafter Erektionen (Priapismus), die teilweise bei präpubertären Jugendlichen auftraten, welche wegen Aufmerksamkeitsstörungen mit Methylphenidat (Ritalin®) behandelt wurden. Einzelne Meldungen lagen auch aus der Schweiz vor. Das Ergebnis der weiteren Abklärungen dieser Signale veranlasste Swissmedic dazu, auf ihrer Homepage in einer Publikation zuhanden der Fachpersonen auf dieses neu erkannte Risiko aufmerksam zu machen. Ausserdem wurde die Arzneimittelinformation methylphenidathaltiger Arzneimittel wegen dieser sehr seltenen, aber potenziell schwerwiegenden Nebenwirkung angepasst. Es wurden hierzu einheitliche Warnhinweise in die Fach- und die Patienteninformation aller Präparate aufgenommen. Das Nutzen-/Risiko-Verhältnis von Methylphenidat bleibt bei einer Anwendung im Rahmen der Zulassung weiterhin positiv.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
schung und dem Forschungsplatz eine analoge Beachtung verschaffen wie im HIV-Bereich und die Versorgung der Patienten optimieren. Was gedenkt der Bundesrat in dieser Richtung zu tun? 4. Was kann er unternehmen, um den Effekt exponentiell steigender Kosten durch Neueinführungen zu durchbrechen, ohne dabei auf den allgemeinen Zugang zu realen medizinischen Fortschritten zu verzichten?
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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