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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Prävention
Yoga als Alternative
Mehr Bewegung und Sport gilt als Königsweg, um kardiovaskuläre Risiken zu mindern. Für Personen, die ein konventionelles aerobes Training nicht durchführen können oder wollen, könne Yoga eine Alternative sein, heisst es in einer Pressemitteilung der European Society of Cardiology (ESC). Die ESC bezieht sich auf eine kürzlich publizierte Metaanalyse, in die 37 Studien mit insgesamt 2768 Probanden einbezogen wurden. Im Vergleich zu keinerlei Training sank der BMI mit Yoga im Mittel um 0,77, der systolische Blutdruck um 5,21 mmHg, der diastolische um 4,9 mmHg, der Ruhepuls um 5, 27 Schläge/Minute, das Gesamtcholesterin
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um 18,48 mg/dl und das LDL um 12,14 mg/dl, während das HDL um 3,2 mg/dl stieg. Das HbA1c blieb unverändert. Eine Minderung der Risikofaktoren BMI, Blutdruck und Lipide zeigte sich auch, wenn die Probanden bereits entsprechend medikamentös behandelt wurden.
Yoga habe somit vergleichbare
Effekte auf kardiovaskuläre Risi-
kofaktoren wie aerobes Training.
Worauf dieser Effekt mechanis-
tisch beruht, ist nicht klar. Die
Autoren der Studie spekulieren,
dass die mit Yoga verbundene
Stressreduktion zu Verbesserun-
gen im neuroendokrinen Status
sowie der metabolischen und
kardiovagalen Funktionen füh-
ren könnte.
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Chu P et al.: The effectiveness of yoga in modifying risk factors for cardiovascular disease and metabolic syndrome: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Eur J Prevent Cardiol 2014; doi: 10.1177/2047487314562741.
Prävention
Keinen Sonnenbrand riskieren wegen Vitamin D
«Von starken, nicht ärztlich kontrollierten UV-Bestrahlungen (Sonne oder Solarium) zum Zweck der Vitamin-D-Bildung, der Selbsttherapie eines Vitamin-D-Mangels oder der Bräunung wird dringend abgeraten», heisst es in der Empfehlung zur UVExposition zur Bildung des körpereigenen Vitamins D, die vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz gemeinsam mit 19 Fachgesellschaften und Institutionen formuliert wurde. Junge Menschen sollten ein Solarium am besten gar nicht aufsuchen, denn «die erstmalige Nutzung eines Solariums in
jungen Jahren (Ͻ 35 Jahre) verdoppelt annähernd das Risiko, an schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom) zu erkranken». Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese genüge es nach derzeitigen Erkenntnissen, Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz zwei- bis dreimal pro Woche der Hälfte der minimalen sonnenbrandwirksamen UV-Dosis (0,5 MED) auszusetzen. Dies entspricht der Hälfte der Zeit, in der man sonst ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde. Für Personen mit Hauttyp II wäre dies bei hohen
sonnenbrandwirksamen UV-Bestrahlungsintensitäten (UV-Index 7) rein rechnerisch eine Bestrahlungszeit von zirka 12 Minuten, heisst es in der Empfehlung. Der UV-Index ist ein weltweit einheitliches Mass für die an einem Tag mögliche höchste sonnenbrandwirksame UV-Bestrahlungsstärke. Den einzelnen UV-Index-Werten sind Empfehlungen für die hellhäutige Bevölkerung bezüglich der zu ergreifenden UV-Schutzmassnahmen zugeordnet. Den aktuellen UV-Index in der Schweiz kann man abrufen unter: www.uv-index.ch. RBOO
www.bfs.de/de/uv/uv2/wirkungen_uv_strahlung/akut/Konsentierte_ Empfehlung.html
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Pädiatrie
Neuer Fussboden erst nach Schwangerschaft
Ein neuer Fussboden in der Wohnung von Schwangeren erhöht das Risiko von Kleinkindern, im ersten Lebensjahr an Atemwegsbeschwerden zu leiden. Das ergab eine Studie mit 465 Leipziger Müttern und deren Kindern. Wenn Laminat, Teppich- oder Fussboden neu verlegt werden, belasten flüchtige organische Verbindungen die Atemluft. Zwar seien die Konzentrationen dieser Chemikalien geringer, wenn kein Kleber beim Verlegen verwendet werde, aber selbst dann reichten die Konzentrationen immer noch aus, um das Risiko von Kleinkindern, in den ersten Monaten nach der Geburt an Atemwegsbeschwerden zu leiden, deutlich zu
erhöhen – sofern während der Schwangerschaft renoviert wurde. Besonders gefährdet seien Kinder, deren Mutter oder Vater bereits unter Asthma, Heuschnupfen oder anderen allergischen Erkrankungen gelitten habe: Ihr Risiko ist fünfmal höher. Schadstoffe aus den Wohnungsrenovierungen können zu Veränderungen im Immunsystem der Schwangeren führen. Renovierungen nach der Geburt des Kindes scheinen hingegen viel geringere Auswirkungen auf Atemwegsprobleme des Kindes zu haben als während der Schwangerschaft. «Unseren Ergebnissen zufolge scheinen Belastungen mit flüchtigen Chemikalien in der Schwangerschaft bedeutsamer zu sein
als im ersten Lebensjahr», so Irina Lehmann vom UFZ, Leiterin der LiNA-Studie zu Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko. Darum sollte man mit neuen Fussböden bis weit nach der Geburt warten. RBOO
Franck U et al.: Prenatal VOC exposure and redecoration are related to wheezing in early infancy. Environment International 2014; 73: 393–401, und Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung vom 15. Dezember 2014.
6 ARS MEDICI 1 I 2015
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Kardiologie
Chefarzt am Kongress – gut für Hochrisikopatienten
Wer bis jetzt dachte, an einem Kardiologenkongress im Fall von Herzversagen besonders gute Überlebenschancen zu haben, muss möglicherweise umdenken – zumindest in den Lehrkrankenhäusern der USA. Das ergab eine Studie, bei der man die 30-Tages-Mortalität von Herzpatienten nach Eintrittsdatum ins Spital verglich. Die einen waren während der grossen Kardiologentagungen der American Heart Association (AHA) und des American College of Cardiology (ACC) von 2002 bis 2011 ins Spital gekommen, die anderen an gleichen Wochentagen, aber in den Wochen vor oder nach dem Kongress (1). Insgesamt wurden 29 416 Hospitalisationen an 82 Kongresstagen erfasst (akuter Myokardinfarkt [AMI]: 8570; Herzversagen: 19 282; Herzstillstand: 1564) und 181 642 an 492 anderen Tagen (AMI: 57 471; Herzversagen: 114 591; Herzstillstand: 9580). Die gute Nachricht: Es schadet offenbar nicht, wenn der Chef am Kongress weilt, denn man konnte keine erhöhte 30-Tages-Mortalität finden, wenn ein Herzpatient während der Kongresstage eingeliefert wurde. Das gilt gleichermassen für Lehrkrankenhäuser wie für normale Spitäler. In den Lehrkrankenhäusern jedoch scheint es für Hochrisikopatienten mit Herzsagen oder Herzstillstand sogar besser zu sein, wenn der Chef aus dem Haus ist. Die 30-Tages-Mortali-
tät war dann nämlich statistisch signifikant
geringer (Herzversagen 17,5% vs. 24,8%; Herz-
stillstand 59,1% vs. 69,4%). Bei AMI erfolgten
weniger Kathetereingriffe (PCI) bei Hochrisi-
kopatienten bei Einlieferung während Kon-
gresstagen, was den Patienten aber offenbar
nicht schadete. Es machte für die 30-Tages-
Mortalität keinen Unterschied.
Die Studienautoren und die Kommentatorin
Rita F. Redberg (2) nehmen an, dass riskante
Interventionen bei Hochrisikopatienten ohne
die Anwesenheit der erfahrenen Klinikärzte,
die meist auch regelmässig die grossen Kon-
gresse besuchen, von den weniger erfahrenen
Ärzten in Lehrkrankenhäusern eher nicht
gewagt würden. Da riskante Eingriffe bei
Hochrisikopatienten mitunter mehr Risiko
als Nutzen mit sich brächten, bedeute hier
«weniger oft mehr».
Bei den Patienten mit niedrigem Risiko fand
sich kein Unterschied, ebenso nicht bei Hoch-
wie Niedrigrisikopatienten in normalen Spitä-
lern ohne Lehrbetrieb.
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1.Jena AB et al.: Mortality and Treatment Patterns Among Patients Hospitalized With Acute Cardiovascular Conditions During Dates of National Cardiology Meetings. JAMA Intern Med, doi:10.1001/jama internmed. 2014.6781, published online December 22, 2014. 2.Redberg RF: Cardiac Patient Outcomes During National Cardiology Meetings. JAMA Internal Medicine Published online December 22, 2014.
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Obst schützt nicht vor Krebs
Die Hypothese, dass reichlicher Obst- und Gemüsekonsum vor Krebs schütze, wird in einer weiteren Publikation im Rahmen der EPIC-Studie widerlegt. Frauen, die besonders viel Obst und Gemüse essen, erkranken nicht seltener an Mammakarzinomen. Bereits zuvor hatten Studien zu Prostata- und Darmkrebs ähnliche Resultate ergeben. Die Autoren der Studie räumen ein, dass man die krebspräventive Wirkung der Ernährung wohl überschätzt habe, es aber weiterhin andere gute Gründe gebe, reichlich Obst und Gemüse zu essen.
Vor 50 Jahren
Elektronische Wächter
In den Spitälern der USA und Westeuropas werden nach und nach elektronische Überwachungssysteme eingeführt. Sie ermöglichen insbesondere für Patienten auf der Intensivstation eine zentrale, lückenlose Überwachung der wichtigsten Vitalparameter.
Infektiologie
Neuartiges Antibiotikum gegen MRSA entdeckt
Mithilfe einer neuen Kultivierungsmethode für Bodenbakterien ist es einem internationalen Forscherteam gelungen, ein neues Antibiotikum namens Teixobactin zu isolieren, das gegen ein breites Spektrum von Bakterien, inklusive MRSA wirksam ist. «Teixobactin setzt an der Achillesferse vieler Krankheitserreger an: Es hemmt die Synthese der Bakterienzellwand», so Ina Engels, Mitglied eines Teams am Universitätsklinikum Bonn, das an dieser Entdeckung mitgearbeitet hat. Auch andere Antibiotika, wie zum Beispiel Vancomycin, verhindern den Aufbau der Bakterienwand. Allerdings blockieren diese Wirkstoffe die Synthese der schützenden Umhüllung an nur einem Angriffspunkt. Teixobactin wirke hingegen eher wie ein «Schrotschuss» und attackiere an vielen Punkten die Bakterienhülle. Das erkläre auch,
weshalb das neuartige Antibiotikum künftig
womöglich keine Resistenzen verursachen
könnte: «Teixobactin greift an vielen entschei-
denden Stellen in den Aufbau der Zellwand an
und macht bakterielle Anpassungsstrategien
nahezu unmöglich», sagt Tanja Schneider
vom Deutschen Zentrums für Infektionsfor-
schung (DZIF) am Universitätsklinikum Bonn.
Aus diesem Grund setze man grosse Hoffnun-
gen auf diese Substanz. Bis Teixobactin für
Patienten verfügbar sein wird, dürften aber
noch Jahre vergehen.
RBOO
Ling LL et al.: A new antibiotic kills pathogens without detectable resistance. Nature 2015; doi: 10.1038/nature14098, published online Jan 7, 2015, und Pressemitteilung des DZIF vom 8. Januar 2015.
Vor 100 Jahren
Geburtszange
Der norwegische Arzt Christian Kielland erfindet eine neue Geburtszange, die für bestimmte, besonders komplizierte Situationen vorteilhaft ist. Während der sogenannten Kielland-Zange international hohe Aufmerksamkeit und grosse Anerkennung zuteil wird, gilt sie sie eigenen Land offenbar nur wenig. Sein Chef, Professor Brandt, bevorzugt die Simpson-Zange und ignoriert konsequent die Erfindung seines Untergebenen. Er erwähnt sie auch nicht in einem Lehrbuch, das der 1922 verfasst. Die Kielland-Zange kommt erst nach Brandts Tod 1932 auch in Norwegen in Gebrauch.
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ARS MEDICI 1 I 2015