Transkript
KONGRESSBERICHT
EADV 2022
Molekular gezielte Psoriasistherapie
Wie gelingen weitere Verbesserungen?
Zur Behandlung der Plaquepsoriasis stehen mit den IL-17- und IL-23-Blockern hochwirksame Biologika zur Verfügung. Proaktive Frühbehandlung könne den Therapieerfolg verstärken und das Immungedächtnis in der Haut günstig beeinflussen. Möglicherweise kann der Krankheitsverlauf dadurch bei einem Teil der Patienten lang dauernd modifiziert werden, berichtete Prof. Curdin Conrad aus Lausanne am EADV-Kongress 2022.
Die Auswahl der für individuelle Patienten optimal geeigneten Therapien hat mit den IL-17- und IL-23Blockern ein so hohes Niveau erreicht, dass Nichtansprechen kaum mehr vorkommt. Nach initial etwas langsamerem Ansprechen erreichen IL-23-Blocker höhere Ansprechraten als Il-17A-Blocker. Beispielsweise erreichte der IL-23-Blocker Risankizumab in der direkten Vergleichsstudie IMMerge nach einem Jahr bei 66 Prozent der Patienten mit Plaquepsoriasis ein PASI100-Ansprechen, der IL-17A-Blocker Secukinumab erzielte das bei 40 Prozent. Bei sehr schwerer Plaquepsoriasis, bei Übergewicht/ Adipositas oder bei gleichzeitiger chronisch entzündlicher Darmerkrankung bietet sich ein IL-23Blocker an, bei gleichzeitiger Psoriasis-Arthritis ein IL17A-Blocker. Bimekizumab blockiert neben IL-17A/A und IL-17A/F auch IL-17F/F-Homodimere. In der Vergleichsstudie BE RADIANT bewirkte Bimekizumab bei Patienten mit moderater bis schwerer Plaquepsoriasis ein rascheres und stärkeres Ansprechen als Secukinumab. Nach 48 Wochen erreichte Bimekizumab bei rund 70 Prozent ein PASI100-Ansprechen, Secukinumab erzielte das bei 48 Prozent. Diese Behandlungsoptimierung ist mit einem wesentlich grösseren Risiko für Pilzinfektionen verbunden, die mit antimykotischer Behandlung beherrschbar sind.
Erster selektiver TYK2-Inhibitor
Als erster peroraler Inhibitor der Tyrosinkinase 2 (TYK2) wurde Deucravacitinib im September 2022 von der FDA zur Behandlung von Patienten mit moderater bis schwerer Plaquepsoriasis zugelassen. Mit einem PASI90 sprachen in der für die Zulassung relevanten Studie POETYK PSO-1 nach 24 Behandlungswochen 42 Prozent der Patienten auf Deucravacitinib an, verglichen mit 22 Prozent auf Apremilast. Nach einem Jahr betrug die PASI90-Ansprechrate beim TYK2-Inhibitor 44 Prozent. Im Vergleich zu den neuesten Biologika erreiche der selektive TYK2Inhibitor zwar tiefere Ansprechraten, die aber für ein orales Medikament recht eindrücklich seien, so der Referent. Deucravacitinib stelle nicht nur eine zusätzliche Behandlungsoption für Patienten mit chronischer Plaquepsoriasis dar, sondern komme auch für
die Therapie von akuteren Psoriasisformen in Betracht (z. B. Psoriasis guttata, instabile, paradoxe oder erythrodermische Psoriasis). Der TYK2-Inhibitor blockiert gleichzeitig die Signalwege mehrerer Zytokine, so den IL-23/IL-17-Signalweg (Plaquepsoriasis) und den Typ-I-Interferon-Signalweg (akutere Psoriasisformen).
Frühbehandlung ändert den Krankheitsverlauf
Ein sehr gutes Ansprechen noch lang nach dem Ab-
setzen des Biologikums wurde beispielsweise mit
dem IL-17A-Blocker Secukinumab und den IL-23-
Blockern Guselkumab und Risankizumab beobach-
tet. Je früher die Behandlung einsetzt, desto grösser
sind die Chancen auf ein lang dauerndes Anspre-
chen. Wahrscheinlich beeinflusst die Frühbehand-
lung das Immungedächtnis in der Haut günstig.
Wenn jedoch trotz klinisch erfolgreicher Psoriasisthe-
rapie geweberesidente Gedächtnis-T-Zellen (tissue-
resident memory T-cells, TRM) in der Epidermis und
der Dermis zurückbleiben, kann es später durch
Triggerfaktoren zur Reaktivierung dieser Gedächtnis-
zellen und zum Psoriasisrezidiv kommen. Um den
Krankheitsverlauf nachhaltig zu verändern, sollte die
Behandlung die TRM-Zellen beseitigen. Mehrere
Studien untersuchen derzeit die Modifikation des
Krankheitsverlaufs bei Plaquepsoriasis.
Die GUIDE-Studie verglich die Resultate der Gusel-
kumab-Behandlung bei Patienten mit einer Krank-
heitsdauer von höchstens 2 Jahren und bei Patien-
ten, die seit mehr als 2 Jahren Psoriasissymptome
aufwiesen. Das Ansprechen auf die Frühbehandlung
war besser (nach 28 Wochen PASI90 bei 80,1%) als
auf eine spätere Behandlung (73,2%). Ein extrem
gutes Ansprechen (superresponse, absoluter PASI 0
in Woche 20 und 28) kam bei früh Behandelten bei
51,8 Prozent und bei später Behandelten bei 39,4
Prozent vor. Die Chancen von einem Superanspre-
chen sind beim ersten Biologikum grösser als bei ei-
ner zweiten Biologikumbehandlung.
s
Alfred Lienhard
Quelle: Session D2T11.1 «Psoriasis» beim 31. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) am 9. September 2022 in Mailand.
4 SZD 5/2022