Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Mammakarzinom
Die vorliegende Ausgabe beschäftigt sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Mammakarzinom. Der Artikel von Julian Wampfler (ab Seite 6) illustriert hervorragend, wie sich die Antikörper und die Immuntherapie innerhalb der letzten 20 Jahre verändert haben und welche Wirkung die einzelnen Substanzen bei der Behandlung des Mammakarzinoms zeigen.
Mammakarzinom – Therapie im Wandel
So ist zum Beispiel aus dem game changer «Antikörper» mit den Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten ein «second game changer» geworden. Auch Erfahrungen aus der Behandlung anderer Tumorentitäten mit den dafür spezifisch entwickelten Antikörpertherapien fliessen in die Behandlung des Mammakarzinoms mit positiver Wirkung ein. So sind es vielleicht vor allem die triple-negativen Mammakarzinome, die von einer Weiterentwicklung dieser Wirkstoffgruppe noch mehr profitieren könnten. Innerhalb der letzten Dekaden wurde sowohl in der chirurgischen als auch in der radioonkologischen Therapie eine Deeskalation beobachtet. Hier scheint zum einen zu stimmen: Weniger (Chirurgie, Bestrahlungsdosis) ist mindestens gleich gut, wenn nicht sogar besser. Und zum anderen stellt die adjuvante Radiotherapie der axillären/ periklavikulären/supraklavikulären Lymphabflusswege – bedingt durch die heute zur Verfügung stehende Technik – eine nebenwirkungsarme und wirksame Therapie dar. Andreas Günthert illustriert (ab Seite 12) den chirurgischen Aspekt der Deeskalation und zeigt auf, dass die chirurgische Deeskalation an Bedeutung gewinnt. Die «targeted» oder «tailored axillary dissection» wird zunehmend bei nodaler Positivität im Alltag des Behandlungskonzepts bei Patientinnen mit Mammakarzinom implementiert. Nicht zuletzt, weil sich auch der Stellenwert und die Wertigkeit der adjuvanten Radiotherapie verändert haben. Obschon schwere Lymphödeme selten geworden sind, stellen sie ein grosses Problem für die Behandlung dar. Hier zeigen uns Mario Scaglioni und Caroline Fritz, dass mittels vaskularisiertem Lymphknoten-Transfer (VLNT) sowie der lymphovenösen Anastomosierung (LVA) beim therapieassoziierten Lymphödem beachtliche subjektive und objektive Erfolge erzielt werden können (ab Seite 17). Bei der adjuvanten Radiotherapie des Mammakarzinoms konnten in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte bezüglich der Therapiedauer erzielt werden. Hier werden
durch die Applikation höherer Einzeldosen innerhalb kurzer Zeit vergleichbare Kontrollraten mit insgesamt deutlich besserer Verträglichkeit erreicht. Vor allem sind die zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Daten bei der Teilbrustbestrahlung sehr gut belegt (ab Seite 20). Die Teilbrustbestrahlung kann mittels unterschiedlicher Techniken durchgeführt werden und hat sich bei uns in der Klinik für Radioonkologie des LUKS als perkutane Radiotherapie etabliert. Unsere eigenen Daten decken sich mit den grossen Studien und wir sind von der guten Verträglichkeit und der dokumentierten Patientenzufriedenheit beeindruckt. Wir denken: It`s time for a change. Neben der Sauerstoffsättigung ist die Wirkung von hyperthermen Effekten auf Tumoren gut belegt. Dass eine leichte Hyperthermie radiosensibilisierend wirkt, macht sich die Oberflächenhyperthermie zu Nutze. Wieder einmal mehr zeigt uns Markus Notter (ab Seite 24) eindrücklich deren Wirksamkeit am Beispiel des rezidivierenden Mammakarzinoms auf. Da wir in der Radioonkologie von dieser Therapie überzeugt sind, wollten wir sie unseren Patientinnen und Patienten ermöglichen. Deshalb haben wir diese Therapie vor einigen Monaten in die tägliche Routine integriert und bereits einige Patienten in Kombination mit einer Hyperthermie bestrahlt. Unser Leitender Arzt Winfried Arnold beleuchtet diese lohnenswerte Erweiterung des radioonkologischen Portfolios (ab Seite 30) und zeigt den Vorteil einer Anschaffung für eine radioonkologische Klinik und für die Patientinnen auf.
Mit diesen vielschichtigen Themen wünsche ich eine bereichernde Lektüre.
Dr. med. Timothy D. Collen, MA, MAE
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2022
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