Metainformationen


Titel
Arsenicum – Wieder mal Skandalöses
Untertitel
-
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken — ARSENICUM
Schlagworte
-
Artikel-ID
6130
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/6130
Download

Transkript


MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Wieder mal Skandalöses

E mpört berichtete mein Patient, ein Patrizier unseres Städtchens, dass das Universitätsspital Basel verhindere, dass er mit seinem Operateur telefoniere. Ich griff zum Fon. Alle USB-Mitarbeiter, mit denen ich verbunden wurde, weigerten sich, meine Praxisnummer an Prof. Valiente* weiterzuleiten und ihn um Rückruf zu bitten. Ein Arzt flüsterte: «Är isch leider nümmi do, und mir hänn e Muulkorb!» Ich kenne den Orthopädischen Chirurgen Prof. Valiente weder persönlich, noch habe ich seine Handynummer. Aber ich kenne einige seiner Operationsergebnisse (erstklassig), Publikationen (hervorragend), Studenten (begeistert), Patienten (dankbar), Kollegen (ehrfürchtig/neidisch) und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (hoch motiviert). Ich überwies meinen Patienten zu einem Orthopäden in unserem hiesigen Privatspital. Der teilte mir Erstaunliches mit: Prof. Valiente sei nicht suspendiert, sondern sofort gekündigt und freigestellt worden. Er habe laut Presse keine Patienten geschädigt. Was man ihm vorwerfe, sei nicht klar. Ein Arztskandal? Vermutlich eher ein Verwaltungsskandal. Immer häufiger sind SpitalCEO und Gesundheitspolitiker involviert, wenn Chefärzte öffentlich desavouiert und am Arbeiten gehindert werden, bevor juristisch überhaupt geklärt ist, ob etwas an den Vorwürfen gegen sie dran ist. Das Verhalten der zuständigen Verwaltungen, oft unprofessionell bis unmenschlich, verursacht enorme Schäden. Diese baden nicht die Verantwortlichen aus, sondern die betroffenen Ärzte, ihre Patienten und die Steuerzahler. Auch bei uns in Bern … Jetzt ist es schon wieder Basel, wo es seit der Vertreibung des Paracelsus eine Tradition gibt, ordentliche und echt ausserordentliche Professoren unter Mediengetöse auf dilettantische und teure Art wegzuekeln. Wenn sich dann mal wieder herausstellt, dass die Anschuldigungen gegen diese Kollegen nicht zutreffen und die Art des Rausschmisses unverhältnismässig war, wird es unangenehm – aber nicht für die wahren Verursacher des Skandals. Reputations- und finanzieller Schaden für die Angeprangerten und die Stadt Basel, Verlust einer Koryphäe, oft auch deren loyale Mitarbeiter, sind die Folgen. Wir erinnern

uns: Prof. von Hochstetter, dank dem wir gefahrlos i.m. injizieren, musste vom grossen Chirurgen Prof. Martin Allgöwer persönlich vor Dreckschleuderei geschützt werden. Bei Prof. Hans Ludwig, dem Präsidenten der FIGO, schraubten sie in Basel das Namensschild von seiner Bürotür ab und gaben Pressekonferenzen, als er am Weltkongress in Rio de Janeiro gerade geehrt wurde. Die Hexenjagd war bar jeder sachlichen Grundlage, er wurde nachher voll rehabilitiert, aber in den Medien war er bereits schuldig gesprochen, bevor er auch nur das Recht auf Gehör bekam. Sein Nachfolger wurde ab seinem ersten Arbeitstag im Amt mit anonymen Vorwürfen empfangen und zehn Jahre lang weiter belästigt – bis eine andere Universitätsklinik ihn als Chef wollte. Übel war auch die Boulevardtragödie der Basler Psychiatrie, die zum Verlust vieler kompetenter Ärztinnen und Ärzte führte. Es stellt sich die Frage: Wem nützt’s? Hoffen missgünstige Arztrivalen, auf den Chefsessel zu kommen? Nun, Königsmörder entkommen selten ihrer Verurteilung – niemand mag Verräter und Meuchler. Die Leichen, die sie im Keller haben, könnten ausgegraben werden. Sind Patienten, Pflegende und Studenten dankbar? Nein, denn brillante Operateure, Kliniker, Forscher und Dozenten gibt es nicht allzu viele. Gestürzte Halbgötter in Weiss gehen meist in Privatspitäler, operieren nicht mehr Allgemeinpatienten, bilden keine Studenten und Jungärzte mehr aus. Wollen sich die CEO als führungsstarke Hüter des Rechts profilieren? Man wird sie fragen, warum sie sich nicht diskreter, anständiger und preiswerter ihrer – aus welchen Gründen auch immer – ungeliebten Chefärzte entledigen. Warum sie ihnen keine Mitarbeiter zur Seite stellen, die für die Topärzte all das erledigen, indem diese Mediziner nicht so gut sind wie in ihrer Disziplin. Die Privatwirtschaft holt Spitzenleute und lässt sie nur das machen, worin sie unerreicht sind. Entlastet sie von allem anderen durch Helfer, bewahrt sie vor juristischen, finanziellen und sozialen Fehlern, bietet eine Umgebung, welche die Einzigartigkeit guter Ärzte zu schätzen weiss. Könnten staatliche Spitäler nicht davon lernen?

ARSENICUM

1048 ARS MEDICI 21 I 2014