Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Sie sind Bauern, Schreiner, Käser oder Maschinenschlosser, jedenfalls Amateure, ihre kurzen Zwilch-Überhosen sind frei von Nike- oder Adidas-Logos, nicht einmal die dunklen Hochwasserhosen und die Sennenhemden (bei den Sennenschwingern) beziehungsweise die weissen Hosen und Leibchen der Turnerschwinger tragen Werbeaufschriften, sie haben keine Millionenverträge mit Clubbesitzern, die Besten (die «Bösen») verdienen, aber auch nur, wenn sie Stucki Christoph, Abderhalden Jörg oder Sempach Matthias heissen (der Familienname steht immer vorn!), im Fernsehen präsent sind und für ASKO oder Die Mobiliar werben, sechsstellige Beträge, die andern müssen sich mit Naturalgaben von Sponsoren begnügen. Sie sind Sportler, die einen Sport betreiben, den es (fast) nur in der Schweiz gibt: «Hosenlupf» oder Schwingen. Ein Sport, der ohne Anglizismen auskommt, bei dem man mit einem «Kurzen», einem «Brienzer», einem «Hüfter», einem «Gammen» oder einem «Wyberhaagge» gewinnen kann und bei dem man alle drei Jahre, am Eidgenössischen Schwingfest, einen König kürt, der danach mit einem Muni posiert. Mag sein, es gibt dies oder Ähnliches nicht nur in der Schweiz, aber wir dürfen uns glücklich schätzen, dass eine solch urige, kurlige, aus der Zeit fallende Kultur zu uns gehört. Ausserdem: Wie Wicki Joël am letzten August-Sonntag neuer König wurde, war bedeutend spannender als jedes Formel-1-Rennen.
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Formel E – das ist Motorsport mit Elektroautos. Schaurig «in», weil CO2-frei (Zwinker, s. u.). Ulrich Baretzky (von Audi-Motorsport) dazu: «Das Schönste an der Formel E ist für mich der Sound der Dieselgeneratoren, mit denen die Batterien der E-Rennboliden geladen werden.»
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Wieder mal ein Attentat: Der Schriftsteller Salman Rushdie überlebte den Messerangriff knapp – anders als viele andere vor ihm. Nach jedem Attentat verstärkt sich der Eindruck, unsere Intellektuellen und Politiker hätten Angst, kritische Fragen zum Verhältnis unserer liberalen Gesellschaft und unseres Staats zum Islam zu stellen. Selbstbewusste energische Verteidigung freiheitlicher Werte – Fehlanzeige! Man schweigt lieber betreten; einige entblöden sich nicht, die Frage nach dem Motiv des Attentäters zu stellen. Kritische Kommentare überlässt man am liebsten den wenigen mutigen Muslimen, denen nichts geschehen kann, weil sie eh seit Jahren 24-Stunden-Personenschutz «geniessen», und denen niemand vorwerfen kann, sie seien islamophob. Es würde einen nicht wundern, wenn der Islam am Ende den Kulturkampf gewänne – erstens weil seine Anhänger längst erkannt haben, dass es einer ist, und sie, zweitens, ihre Ziele um einiges konsequenter verfolgen und ihre gesellschaftlichen Wertvorstellungen taktisch gnadenloser vertreten als wir, die wir unseren Kleinmut gern als Toleranz verkaufen.
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2019 hat das jemand geschrieben: «Eine stabile Stromversorgung für ein Industrieland aufrechtzuerhalten, ist hochkomplex. Viel zu komplex für die meisten Politiker. Nur deshalb kommen sie auf die Idee, Kohle- und Atomstrom abzuschalten und dafür wetterabhängigen Zufallsstrom einzuspeisen. Der Blackout ist keine Theorie. Er kommt. Die Frage ist nur, wann. Und die nächste Frage: Wie kann man ein zweites Mal verhindern?» Heute, knapp drei Jahre später, ist es also so weit.
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Typischer Facebook-Post: «Ich weiss, ich werde Freunde verlieren, aber ich finde, es gehört Zucker in die Spaghettisauce.» Der Post generiert innert 10 Ta-
gen 127 557 Likes und 199 666 Kommentare. Offensichtlich ein weltbewegendes Thema. Die Meinungen reichen von «geht gar nicht» bis «muss sein». Als Alternativen werdenWein, Backpulver, geraffelte Karotten und Zwiebeln genannt, um die Säure zu neutralisieren. Eher exotische Empfehlungen sind Honig, hartgekochte Eier und Omeprazol. Andere halten die Diskussion für überflüssig, es komme sowieso vor allem auf die Tomaten an. Die restlichen 199 500 Kommentare harren noch der Auswertung …
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Selbstverständlich darf in Deutschland jeder sagen, was er will. Nur nicht überall und öffentlich. Und schon gar nicht in Institutionen der freien Wissenschaft wie Universitäten. Der Titel eines Vortrags, «… und warum es biologisch nur zwei Geschlechter gibt», klang für die Verantwortlichen einer Vortragsreihe der Humboldt-Universität (HU) in Berlin jedenfalls dermassen bedrohlich, dass sie den Vortrag absetzten. Begründung: das Risiko für gewalttätige Proteste – vermutlich von Vertretern der freiheitlichen Mehrgeschlechtsphilosophie – sei zu hoch. Immerhin wurde später nachgeschoben, der Inhalt des Vortrags stehe nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU. Mit andern Worten: Die Theorie, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt, ist heutzutage dermassen empörend, dass sie an einer freien deutschen Uni nicht mehr vertreten werden darf. Tja, weit hat sie’s nicht geschafft, die Freiheit. Die Feigen zwingen sie zum Kuschen vor der Empörung einiger weniger. Anders gesagt: Es ist mal wieder so weit …
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Und das meint Walti: Wenn Sie einen Geisterfahrer sehen – fahren Sie rechts ran! Wenn Sie hundert Geisterfahrer sehen – wenden Sie!
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 18 | 2022