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STUDIE REFERIERT
Influenzavakzine bei älteren Personen – hochdosiert oder standarddosiert?
Bessere Immunantwort und weniger Grippefälle nach höherer Impfdosis
besseren Immunantwort: Nach der Impfung beobachteten die Wissenschaftler signifikant höhere Hämagglutinationshemmtest (HHT)-Titer und Seroprotektionsraten (Prozentsatz der Teilnehmer mit HHT-Titern ≥ 1:40) in der IIV3-HD-Gruppe.
Eine höhere Antigendosis schützt Menschen ab 65 Jahren offensichtlich besser vor Influenzaerkrankungen als die Standarddosis. Dies belegt eine grosse Doppelblindstudie, in der Senioren entweder einen hochdosierten, trivalenten, inaktivierten Influenzaimpfstoff oder eine Vakzine in Standarddosierung erhielten.
NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE
Saisonale Influenzawellen sind für zahlreiche Hospitalisierungen verantwortlich und fordern viele Todesopfer. Die Altersgruppe der über 65-Jährigen ist für Influenzakomplikationen besonders anfällig, was häufig zu Klinikeinweisungen führt und nicht selten tödlich endet. Impfung ist derzeit der beste Schutz vor Influenza und ihren Komplikationen, doch wirkt die übliche Influenzaimpfung bei Senioren nicht so gut wie bei jüngeren Erwachsenen. Ob eine höhere Antigendosis bei älteren Menschen zu einer verstärkten Antikörperbildung und zu einem effektiveren Schutz vor Influenza führt, wurde kürzlich in einer randomisierten, doppelblinden Multizenterstudie der Phase IIIb/IV geprüft. An der Studie nahmen knapp 32 000 Erwachsene aus
Merksätze
O Ein hochdosierter, trivalenter, inaktivierter Influenzaimpfstoff führt bei älteren Personen zu einer besseren Immunantwort als die Standarddosis.
O Durch den Hochdosisimpfstoff lässt sich etwa ein Viertel der «Breakthrough»-Influenzafälle verhindern.
den Vereinigten Staaten und Kanada teil, die 65 Jahre oder älter waren (durchschnittliches Alter: 73,3 Jahre). Sie erhielten entweder eine hochdosierte, trivalente, inaktivierte Influenzavakzine (60 µg Hämagglutinin pro Stamm; IIV3-HD) oder eine trivalente, inaktivierte Influenzavakzine in Standarddosierung (15 µg Hämagglutinin pro Stamm; IIV3-SD). Beurteilt wurden relative Wirksamkeit, Effektivität, Sicherheit und Immunogenität der beiden Impfstoffe in den Influenzasaisons 2011/2012 und 2012/2013. Primärer Endpunkt der Studie war das Auftreten einer im Labor bestätigten Influenzaerkrankung, unabhängig von Virustyp oder -subtyp, zusammen mit vorab definierten klinischen Symptomen.
Hochdosisimpfstoff um 24,2 Prozent wirksamer als Standarddosis Insgesamt erkrankten 228 Teilnehmer aus der Hochdosisgruppe (1,4%) und 301 Teilnehmer aus der Standarddosisgruppe (1,9%) an einer durch Labortests bestätigten Influenza mit typischen klinischen Symptomen. Damit war der hochdosierte IIV3-HD-Impfstoff um 24,2 Prozent wirksamer als die übliche IIV3-SD-Vakzine. Dies bedeutet, dass etwa ein Viertel aller «Breakthrough»-Influenzaerkrankungen verhindert werden könnten, wenn statt des IIV3-SD-Impfstoffs der hochdosierte Impfstoff eingesetzt würde, schreiben die Autoren. Früheren Studien zufolge bieten inaktivierte, dem IIV3-SD ähnliche Impfstoffe älteren Personen einen Influenzaschutz von etwa 50 Prozent. Geht man von einer absoluten Wirksamkeit des IIV3-SD-Impfstoffs von 50 Prozent aus, beträgt die geschätzte absolute Wirksamkeit des Hochdosisimpfstoffs IIV3-HD 62 Prozent – ein Schutz, der bei jüngeren Erwachsenen mit dem Impfstoff in Standarddosis erreicht wird. Zudem führte die hochdosierte Vakzine in der vorliegenden Studie zu einer
Wie sicher ist der hochdosierte Influenzaimpfstoff? Im Zeitraum von 6 bis 8 Monaten nach der Impfung entwickelten 8,3 Prozent der Teilnehmer aus der IIV3-HD-Gruppe und 9,0 Prozent der Probanden aus der IIV3-SD-Gruppe zumindest ein schweres unerwünschtes Ereignis (relatives Risiko 0,92). Bei 3 Empfängern des Hochdosisimpfstoffs traten schwere unerwünschte Ereignisse auf, die nach Einschätzung der Prüfärzte des jeweiligen Zentrums im Zusammenhang mit der Impfung standen. Dabei handelte es sich um folgende Vorkommnisse: O Lähmung des 6. Hirnnervs, die am
Tag nach der Impfung einsetzte; O hypovolämischer Schock im Zusam-
menhang mit Diarrhö, beginnend am Tag nach der Impfung; O akute disseminierte Enzephalomyelitis, ab dem 117. Tag nach der Impfung.
Alle 3 Ereignisse bildeten sich innerhalb der Studienphase zurück.
Möglicher Nutzen
für das Gesundheitssystem
Bei Personen ab 65 Jahren induzierte
der IIV3-HD-Impfstoff signifikant hö-
here Antikörpertiter und bot einen bes-
seren Schutz vor Influenzaerkrankun-
gen als die IIV3-SD-Vakzine, fassen die
Autoren zusammen. Sie weisen auch
darauf hin, dass das Gesundheits-
system von der hochdosierten Impfung
profitieren könnte: Die Effektivitäts-
analyse ergab, dass sich mithilfe der
IIV3-HD-Vakzine unter anderem Hos-
pitalisationen, Pneumonien, kardio-
respiratorische Ereignisse und Arzt-
besuche reduzieren lassen.
O
Andrea Wülker
DiazGranados CA et al.: Efficacy of high-dose versus standard-dose influenza vaccine in older adults. N Engl J Med 2014; 371: 635–645.
Interessenlage: Der Erstautor ist Mitarbeiter bei Sanofi Pasteur, Swiftwater/USA. Sponsor der Studie ist Sanofi Pasteur.
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