Transkript
Serie: Ernährung
Interview zur Effort-Studie bei Krebspatienten
Klare Antworten und offene Fragen
Welche konkreten Probleme bei der Ernährungstherapie von Patienten mit Krebs in der Studie auftraten, erläutert Prof. Philipp Schütz, Chefarzt Allgemeine Innere Medizin, Kantonsspital Aarau, und Autor der EFFORT-Studie in einem Interview. Zudem zeigt er auf, welche wichtigen Fragen weiter erforscht werden sollten.
zum Teil vorhandene Skepsis der Berufskollegen. Unsere Sekundäranalyse einer solchen randomisierten Studie liefert hier nun interessante Ergebnisse und zeigt, dass onkologische Patienten mit Mangelernährung im Spital von einer individuellen Ernährungstherapie profitieren (1).
Prof. Dr. Philiipp Schütz
ESPEN empfiehlt, Patienten mit Krebs frühzeitig auf ein Risiko für eine Malnutrition zu screenen. Wird das heute schon ausreichend durchgeführt? Prof. Philipp Schütz: Nach meiner Erfahrung gibt es hier sehr viel Unterschiede von Spital zu Spital und von Onkologe zu Onkologe. Schon länger ist bekannt, dass onkologische Patienten mit einer Mangelernährung deutlich schlechtere Verläufe aufweisen, verglichen mit Patienten, die einen guten Ernährungszustand haben.
Unsere Sekundäranalyse ... zeigt, dass onkologische Patienten mit Mangelernährung im Spital von einer individuellen Ernährungs
therapie profitieren.
Schwieriger war die Frage zu beantworten, ob der schlechte Ernährungszustand einfach Spiegel der schweren Erkrankung ist oder ob ein unabhängiger Risikofaktor dafür verantwortlich ist und ob eine Ernährungstherapie die klinischen Verläufe positiv beeinflussen kann. Hier fehlen grosse, randomisierte, kontrollierte Studien, und das erklärt auch die
Foto: zVg
Das Ziel der Proteinzufuhr betrug 1,2 bis 1,5 g/ kg Körpergewicht. Mit einer Aufnahme von 57 g Eiweiss/Tag wurde das wohl häufig nicht erreicht. Welches sind die Hauptgründe? Schütz: In unserer Studie (2) wurde das individuelle Eiweissziel von 1,2 bis 1,5 g/kg Körpergewicht definiert, und das mit einem schrittweisen Anstieg und einer Eskalation zur enteralen/parenteralen Ernährung nach frühestens 5 Tagen, wenn nicht mindestens 75 % des Ziels erreicht wurden. Im Durchschnitt erreichten die Patienten in der Interventionsgruppe 0,8 g Protein/kg Körpergewicht und waren somit am unteren Ende dieser Eskalationsschwelle.
Oft ist die Ernährung bei onkologischen Patienten wegen Chemotherapieassoziierter Nebenwirkun-
gen und einer Appetitstörung im Rahmen des Grundleidens besonders schwierig. Trotzdem zeigt die Studie, dass eine moderate Erhöhung von Eiweiss- und Kalorienaufnahme einen wichtigen klinischen
Effekt hat.
Die Kontrollgruppe erreichte nur 0,6 g Protein/kg Körpergewicht und lag somit rund 25 % tiefer. Oft ist die Ernährung bei onkologischen Patienten wegen Chemotherapieassoziierter Nebenwirkun-
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Serie: Ernährung
gen und einer Appetitstörung im Rahmen des Grundleidens besonders schwierig. Trotzdem zeigt die Studie, dass eine moderate Erhöhung von Eiweiss- und Kalorienaufnahme einen wichtigen klinischen Effekt hat. Vielleicht ist auch die schrittweise Erhöhung von Eiweiss und Kalorien bei akut kranken Patienten eher besser als eine zu schnelle Erhöhung – hier braucht es aber weitere Studiendaten, um den optimalen Einsatz der Ernährung zu verstehen (3).
Welches sind die Möglichkeiten der Ernährungstherapie, um die Patienten zu motivieren, die erwünschte Menge an Protein und Energie aufzunehmen? Welches sind die wichtigsten Anstrengungen? Schütz: Wichtig ist sicherlich hier der «TeamApproach» – also die enge Zusammenarbeit zwischen Ernährungsberatung, Pflege und Arztdienst sowie dem Patienten und den Angehörigen. Ausserdem muss man dem Patienten vermitteln, wie wichtig die Ernährung ist, und ihn individuell abholen. Doch auch die Spitalküche spielt eine wesentliche Rolle.
Wichtig ist sicherlich hier der «Team-Approach» – also die enge Zusammenarbeit zwischen Ernährungsberatung, Pflege und Arztdienst sowie dem Patienten und
den Angehörigen.
Welche Fragen klärt diese Studie nicht? Welche Fragestellungen sollten als Nächstes untersucht werden? Schütz: Es braucht sicher noch weitere grosse Studien einzelner Tumorentitäten, um den optimalen Nutzen der Ernährungstherapie zu verstehen. Wir sind nun bestrebt, mehr «personalisierte Ernährung» anzubieten und die Ernährung bezüglich Qualität und Quantität dem einzelnen Patienten anzupassen. Zum Beispiel haben wir gesehen, dass die Inflammation dem Benefit der Ernährungstherapie entgegenwirkt und hoch inflammatorische Patienten vielleicht eine andere Form der Ernährung erhalten sollten (4). Die nächsten Jahre werden bestimmt weitere spannende Resultate zum optimalen Einsatz der klinischen Ernährung bei Patienten und insbesondere bei Tumorpatienten liefern.
Das Interview führte Barbara Elke.
Referenzen 1. Bargetzi L. et al.: Nutritional support during the hospital stay reduces mortality
in patients with different types of cancers: secondary analysis of a prospective randomized trial. Ann Oncol. 2021;32(8):p.1025-1033. 2. Schuetz P. et al.: Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial. The Lancet. 2019. 3. Bargetzi L. et al. What is optimal nutritional support in acutely ill cancer patients? More may not be better. Ann Oncol. 2021;32(10): p.1305-1306. 4. Bargetzi L. et al.: Inflammation reduces the effect of nutritional therapy on clinical outcomes in cancer patients. Ann Oncol. 2021;32(11): p.14511452.
Zudem gibt es viele sehr gute orale Ernährungsdrinks, mit denen man mit wenig Volumen dem Patienten viel Protein und Kalorien zuführen kann, ohne dass das Sättigungsgefühl zu schnell die Aufnahme bremst.
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