Transkript
FORTBILDUNG
Aktinische Keratosen früh erkennen!
Hautalterung und UV-Licht
Im Laufe des Lebens ist die Haut zahlreichen Umwelteinflüssen ausgesetzt, die sie altern lassen – allen voran der UV-Strahlung. Lichtexponierte Haut altert aber nicht nur schneller, in ihr wachsen auch eher aktinische Keratosen oder Plattenepithelkarzinome, die zunächst lange unsichtbar bleiben.
Paul Gressenberger
Die Haut übernimmt nicht nur wesentliche Funktionen im Bereich des Stoffwechsels, der Wärmeregulation und der Immunantwort, sondern dient als äussere Körperhülle dem Schutz vor Umwelteinflüssen und verfügt über vielfältige Anpassungs- und Abwehrmechanismen (1). Das Hautbild hat aber auch Einfluss darauf, ob wir als gesund und attraktiv wahrgenommen werden (2). Dabei geht es um Zeichen der Hautalterung, die bereits entsteht, bevor sie sichtbar wird. Im Prinzip ist die Alterung der Haut ganz einfach zu erklären, wie hier am Beispiel dieses Apfels gezeigt wird (Abbildung 1). Ist dieser zu lange gewissen Umwelteinflüssen ausgesetzt, verliert er an Feuchtigkeit und Elastizität und wird klein und schrumpelig. Durch den Einfluss von Umgebungsbedingungen im Laufe des Lebens passiert mit der Haut genau das Gleiche. Der Begriff Exposom setzt sich aus den englischen Wörtern «exposure» und «genome» zusammen und bezeichnet die Gesamtheit aller externen Einwirkungen und die damit verbundenen biologischen Reaktionen des Körpers, denen ein Mensch in seinem gesamten Leben ausgesetzt ist (3). Im Allgemeinen zählen hierzu alle Faktoren, die nicht durch genetische Fakto-
MERKSÄTZE
� Die Gesamtheit aller externen Einwirkungen und die damit verbundenen biologischen Reaktionen des Körpers, denen ein Mensch in seinem gesamten Leben ausgesetzt ist, wird als Exposom bezeichnet.
� Ultraviolett-(UV-)Strahlung als beteiligter Faktor des Exposoms hat einen entscheidenden Anteil an der Hautalterung und der Pathogenese von «non-melanoma skin cancer» (NMSC).
� Zu NMSC zählen Basaliome, aktinische Keratose (AK) und alle Formen des Plattenepithelkarzinoms infolge kumulativer UV-Exposition.
� Die topische Anwendung von Imiquimod hat in der Behandlung von AK gute Erfolge gezeigt und kann an lichtexponierten Hautarealen bereits präventiv wirksam sein.
Abbildung 1: Ist ein Apfel zu lange gewissen Umwelteinflüssen ausgesetzt, verliert er an Feuchtigkeit und Elastizität und wird klein und schrumpelig. Durch den Einfluss von Umgebungsbedingungen im Laufe des Lebens passiert mit der Haut genau das Gleiche (© Paul Gressenberger).
ren bedingt sind, wie Rauchen, Luftverschmutzung, Medikamente, Stress und so weiter, aber vor allem die Ultraviolett-(UV-)Strahlung, denn sie hat einen entscheidenden Anteil an der Hautalterung und der Pathogenese von «non-melanoma skin cancer» (NMSC) (3, 4). Durch chronische Lichtexposition entstehen eine Verdickung der Haut und Falten (5). Dabei kommt es zu einer (solaren) Atrophie in der Dermis und zu einem Elastizitätsverlust des Bindegewebes. Dies kann zur Hornretention in den Follikeln und damit zur Bildung aktinischer Komedonen führen. Altersflecken, Hyperpigmentierung und aktinische Keratose (AK) sind Anzeichen der sonnenbedingten Hautalterung in lichtexponierten Arealen.
Lichtexposition ist entscheidend
Die durch jahrelange UV-Exposition bedingte Veränderung der elastischen Fasern, die aktinische Elastose (AE), ist ein Phänomen der extrinsischen Hautalterung. Mikroskopisch zeigt sich eine Ansammlung von degradierten elastischen Fasern, die eine amorphe Masse direkt unterhalb der Epidermis bilden. An der medizinischen Universität Graz wurden lichtexponierte und nicht lichtexponierte Hautproben von unter 25-Jährigen und über 80-Jährigen miteinander verglichen (6). Entnommen wurden jeweils 2 Hautbiopsien, eine vom Hals (lichtexponiert) und die andere gluteal (nicht lichtexponiert).
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In der Gruppe der unter 25-Jährigen konnte weder am Hals noch im Bereich des Gesässes eine aktinische Schädigung der elastischen Fasern festgestellt werden. In der Gruppe der über 80-Jährigen zeigte sich im lichtexponierten Areal am Hals eine alterskorreliert zunehmende, deutlich ausgeprägte AE mit durchschnittlich 0,72 mm Schichtdicke. In der nicht lichtexponierten Gesässregion der über 80-Jährigen zeigte sich keine AE. Weniger lichtexponierte Haut ist also von der Degeneration der elastischen Fasern ausgenommen. Daraus lässt sich folgern, dass AE durch präventive Massnahmen verhindert werden kann.
Zu NMSC zählen Basaliome, AK und alle Formen des Plattenepithelkarzinoms infolge kumulativer UV-Exposition. Die Pathogenese von AK ist durch die karzinogene Wirkung des UV-Lichts erklärbar. UV-Strahlung schädigt die DNA in betroffenen Keratinozyten. Fällt ein so geschädigter Keratinozyt nicht der automatischen Apoptose anheim und wird die Kapazität des physiologischen DNA-Reparatur-Mechanismus überschritten, kommt es, ausgehend von der Basalzellschicht, zu einer unkontrollierten Vermehrung von Keratinozyten mit einer UV-geschädigten DNA (7). Die so entstehenden veränderten Zellen können sich sowohl zur Hautoberfläche hin vermehren, wo die Läsion dann als AK sichtbar wird, als auch invasiv unter die Basalzellschicht einwandern und ein Plattenepithelkarzinom bilden (7). Das hellgraue Oval in Abbildung 2 kennzeichnet die subklinisch vorhandene AK im Stadium 1, die klinisch noch unsichtbar bereits invasiv in die Dermis wachsen kann und damit ein unsichtbares Plattenepithelkarzinom darstellt (8). Die weiteren AK-Stadien zeigen die klinisch an der Hautoberfläche durch Rauigkeit und Schuppung erkennbaren AK.
Abbildung 2: Unkontrollierte Vermehrung von Keratinozyten mit einer UV-geschädigten DNA – vom einzelnen UV-geschädigten Keratinozyten bis zum Plattenepithelkarzinom (8)
Imiquimodtherapie
Die topische Anwendung von Imiquimod (erhältlich als 5-%und 3,75-%-Creme) hat gute Erfolge in der Behandlung von AK gezeigt. Imiquimod ist ein Immunmodulator und initiiert als TLR-(toll-like-receptor-)7-Agonist eine zytokininduzierte Entzündungsreaktion, die durch einen zytochrommediierten proapoptotischen Effekt zum Untergang von virusinfizierten und malignen Zellen führt (9). Gesunde Keratinozyten reagieren nicht. Die entstehende Entzündung ist meist nicht auf die klinisch sichtbaren AK beschränkt, sie betrifft auch klinisch noch nicht sichtbare, frühe neoplastische Vorgänge durch UV-Schädigung im Sinne einer Feldkanzerisierung (field cancerization). So können subklinische AK durch die imiquimodinduzierte Entzündung sichtbar gemacht und im Zuge der entfachten Entzündungsreaktion mit nachfolgender Abheilung ohne Operation entfernt werden, bevor ein fortgeschrittenes Stadium eines Plattenepithelkarzinoms entsteht. In 2 eigenen Fallberichten und einer Beobachtungsstudie konnte gezeigt werden, dass Imiquimod im Bereich UV-exponierter Haut klinisch unsichtbare, sogenannte subklinische AK finden und beseitigen kann (Abbildung 3).
Abbildung 3: Durch die Imiquimodtherapie lassen sich auf chronisch UV-exponierter Haut (A) klinisch noch unsichtbare, sogenannte subklinische aktinische Keratosen (AK) finden (B) und beseitigen (C). Im Zuge der entfachten Entzündungsreaktion (B) – mit nachfolgender narbenloser Abheilung (C) – können subklinische AK ohne Operation entfernt werden, bevor ein fortgeschrittenes Stadium eines Plattenepithelkarzinoms entsteht (11) (© Paul Gressenberger).
Präventive Therapie in lichtexponierten Arealen?
An der Medizinischen Universität Graz wurde eine weitere klinische Studie entworfen (10, 11). In dieser Studie soll gezeigt werden, dass chronisch lichtexponierte Haut von über 50-Jährigen bereits so geschädigt ist, dass subklinische AK bereits vorhanden sind und in diesem frühen Stadium durch Immunmodulation sichtbar gemacht und im Zuge dessen auch behandelt werden können. Die daraus resultierende Zukunftsvision wäre, ab einem gewissen Alter in lichtexponierten Arealen eine derartige Behandlung alle 2 bis 3 Jahre durchzuführen, um spätere Stadien von NMSC zu verhindern.
Konsequenter UV-Schutz
Massvoller Umgang mit UV-Exposition, Lichtschutz durch Kleidung und Beschattung sowie die Verwendung von Pflege-
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FORTBILDUNG
produkten mit UV-Filter – und zwar unabhängig vom Wetter,
das heisst von Sonneneinstrahlung und Temperatur – können
die Haut grösstenteils vor den negativen Einflüssen des Expo-
soms schützen.
Wurde dies in der Vergangenheit versäumt, steht zur Diskus-
sion, ob man ab einem bestimmten Alter chronisch UV-ex-
ponierte Hautareale mit Imiquimodcreme frühestmöglich
behandeln soll, um noch nicht erkennbare, also subklinische
AK durch die folgende Entzündung sichtbar zu machen und
zu behandeln, um so die Entwicklung von klinisch manifester
AK sowie von Plattenepithelkarzinomen mit allen damit ver-
bundenen Komplikationen zu verhindern.
Ein konsequenter UV-Schutz ist auf jeden Fall als Prophylaxe
wichtig, um Schädigungen der Keratinozyten vorzubeugen.
Nicht Falten und Runzeln sollten uns alarmieren, sondern die
Tatsache, dass 70 Prozent der Hauterkrankungen im höheren
Lebensalter UV-induziert sind.
s
Dr. Paul Gressenberger Universitätsklinik für Dermatologie Auenbruggerplatz 8 A-8036 Graz E-Mail: paul.gressenberger@medunigraz.at
Interessenlage: Es bestehen keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.
Dieser Artikel erschien erstmals in «DERMAforum» 5/22. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Literatur beim Verfasser.
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