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EDITORIAL
Nahrungsmittel jederzeit und im Überfluss – das wird häufig als Ursache Nr. 1 genannt, wenn es
um die Frage geht, warum es immer mehr Dicke gibt. Ulf Ladabaum und seine Kollegen an der Universität Stanford kommen zu einem etwas anderen Schluss: Aus epidemiologischer Sicht sei nicht das Verzehren immer grösserer Mengen das Hauptproblem, sondern die zunehmende körperliche Inaktivität in der Bevölkerung. Von 1988 bis 2010 stieg der Anteil der Adipösen in den USA von 25 auf
Interessant ist seine Studie insofern, als dass sie einmal mehr die entscheidende Rolle der Bewegung für unsere Gesundheit betont. Wie viel Bewegung pro Tag es sein muss, um einen klinisch messbaren Effekt nachweisen zu können, ist zwar bis heute nicht so ganz klar, aber dass Bewegung, zumal an der frischen Luft, gut für das Wohlbefinden ist, ist eine Binsenweisheit, die im Grunde keiner beweisenden Studie bedarf. Einen Couch-Potato tatsächlich auf Dauer in Schwung zu bringen, ist freilich schwierig. Es ist darum nicht erstaunlich, dass sich gesundheitspolitisch in puncto Bewegung eher wenig bewegt. Noch immer wird mehr Wirbel um Verbote aller
Mehr bewegen
35 Prozent bei den Frauen und von 20 auf 35 Prozent bei den Männern. Im US-amerikanischen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) outeten sich 1988 nur 19 Prozent der befragten Frauen und 11 Prozent der Männer als überzeugte Couch-Potatos, 2010 waren es bereits 52 Prozent der Frauen und 43 Prozent der Männer. Erstaunlicherweise konnten Ladabaum und seine Koautoren statistisch aber keinen wesentlichen Anstieg der täglichen Kalorienaufnahme im Bevölkerungsdurchschnitt feststellen. Natürlich sind derartige Korrelationen überhaupt kein Beweis einer Ursache-Wirkungsbeziehung. Auch Ladabaum gibt das zu und betont, dass die Kalorienaufnahme selbstverständlich trotzdem ein wichtige Rolle spielt.
Art gemacht, die unsere Gesundheit schützen sollen. Es ist halt leichter, das Rauchen zu verbieten, Zucker und Salz zu verteufeln und gesunde Ernährung zur Ersatzreligion aufzublasen als beispielsweise dafür zu sorgen, dass Sport in der Schule nicht mehr als vernachlässigbares Nebenfach abgehakt wird.
Renate Bonifer
Ladabaum U et al.: Obesity, abdominal obesity, physical activity, and caloric intake in US adults: 1988 – 2010. Amer J Med 2014; 127: 717-727.
ARS MEDICI 20 I 2014
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