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MEDIZIN IM ALTER
Neue Impfung gegen die Herpes-zoster-Erkrankung
Gürtelrose effizient vorbeugen
Das Varicella-zoster-Virus ist gleich für zwei Erkrankungen verantwortlich: für die Windpocken (Varizellen) im Kindesalter und für Herpes zoster (Gürtelrose) Jahrzehnte später. Eine wirksame neue Impfung gegen die Gürtelrose ist seit Kurzem verfügbar und wird von der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) empfohlen, wie PD Dr. Christoph Berger, Mitglied der EKIF, am FOMF Allgemeine Innere Medizin Update Refresher in Basel darlegte.
Eine Gürtelrose hat ihren Anfang in der Regel mehrere Jahrzehnte früher mit der Varizellenprimoinfektion im Kindesalter. Bei der unter den Namen Windpocken, wilde Blattern, spitze Blattern oder Chickenpox bekannten Kinderkrankheit handelt es sich um eine hoch ansteckende Kontakt- und Tröpfcheninfektion, die über Hautvesikel und Speichel übertragen wird. Nach einer Inkubationszeit von 10 bis 21 Tagen und einer Virämie tritt die Erkrankung mit dem Prodromalstadium mit Fieber, Malaise, Kopf- und/oder Bauchschmerzen in Erscheinung. Etwa 1 bis 2 Tage später folgt an verschiedenen Stellen des Körpers gleichzeitig ein Ausschlag, der sich zu Maculae, Vesikeln und Pusteln weiterentwickelt, die schliesslich innert 4 bis 7 Tagen verkrusten. Während der Erkrankung kommt es zu mindestens 3 Virämieschüben, was sich mit etwa 250 bis 500 Läsionen in unterschiedlichen Stadien zeigt. Die Läsionen treten zuerst im Gesicht und am Stamm auf, jucken stark und bleiben während 1 bis 2 Tagen nach Verkrustung ansteckend. Bei Kindern sei keine weitere Diagnostik nötig. Bei Erwachsenen lohne es sich jedoch, eine Serologie durchzuführen, um einen generalisierten Herpes zoster ausschliessen zu können, so die Empfehlung von Berger.
Varizellentherapie symptomatisch oder präventiv
Die Therapie von Patienten mit Varizellenerkrankung erfolgt symptomatisch bei Kindern unter 13 Jahren ohne Komplikationen. Bei Patienten mit Immunsuppression, Komplikationen sowie chronischer Haut- oder Lungenerkrankung und älter als 13 Jahre ist eine orale Therapie mit Valaciclovir
KURZ & BÜNDIG
� Herpes zoster (Gürtelrose) ist die Zweitmanifestation des Windpockenerregers Varicella zoster.
� Windpocken werden symptomatisch behandelt, oder es kann ihnen trotz Infektion noch während der Inkubationszeit mit einer Postexpositionsprophylaxe vorgebeugt werden.
� Zur Prävention des Herpes zoster ist der Impfstoff Shingrix® bei Personen ≥ 65 Jahre empfohlen, je nach geschwächtem Immunstatus bereits ab 50 bzw. ab 18 Jahre. Zostavax® ist für Personen von 65 bis 79 Jahren empfohlen, jedoch bei Personen mit einer Immunschwäche kontraindiziert.
3-mal 1 g während 5 bis 7 Tagen angezeigt. Im Fall von Niereninsuffizienz (< 50 ml/min) muss die Dosis angepasst werden. Immunsupprimierte Patienten und solche mit hohem Risiko für Komplikationen (z. B. Stammzelltransplantierte) sollten hospitalisiert und mindestens 7 Tage i. v. mit Valaciclovir behandelt werden (1). Bei Personen, die nicht geimpft sind und mit einer infizierten Person Kontakt hatten, kann innerhalb eines Zeitfensters von 10 Tagen eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) durchgeführt werden. Das sei möglich, weil die Inkubationszeit 10 bis 21 Tage dauere, so die Erklärung des Experten. Man könne das Virus bei frühzeitiger Impfung noch überholen. Eine Impfung innerhalb von 3 Tagen generiert einen Impfschutz von > 90 Prozent, innerhalb von 5 Tagen lässt sich ein Infektionsschutz von etwa 70 Prozent aufbauen, der Schutz vor einem schweren Verlauf erreicht 100 Prozent (2). Bei Immunsuppression oder Schwangerschaft ist die Lebendimpfung nicht angezeigt. Für diese Patienten sowie für Neugeborene mit peripartaler Varizelleninfektion und bei Frühgeborenen (< 28 Schwangerschaftswoche) eignet sich eine passive Immunisierung mit Antikörpern (Varitect®), idealerweise innerhalb von 4 Tagen nach Exposition bis 10 Tage danach (3). Die aktive Lebendimpfung ist für Kinder und Erwachsene von 11 bis 39 Jahren empfohlen, die keine Varizellenerkrankung durchgemacht haben oder keine Antikörper aufweisen. Seronegative Erwachsene, wie beispielsweise Frauen mit Kinderwunsch, Personen aus tropischen Ländern, Personen mit engem Kontakt zu Risikopatienten oder Personen, die vor einer Immunsuppression stehen, sollten möglichst geimpft werden, empfiehlt Berger. Die Impfung erfolgt mit 2 Dosen s.c. mit ≥ 4 Wochen Abstand. Zoster als Zweitmanifestation Bei Personen mit durchgemachter Varizelleninfektion bleibt das Virus im Rückenmark in den dorsalen Wurzelganglien in einem schlafenden Zustand vorhanden. Mit dem Nachlassen der T-Zell-Immunität aufgrund von höherem Alter, Krankheit, Medikamenten oder Impfung (z. B. mRNA-COVID-19Impfung) kann das Virus reaktiviert werden und eine Herpes-zoster-Erkrankung hervorrufen. Zosterreaktivierungen sind häufig, in den USA erkrankt laut Berger jede 3. Person mindestens 1-mal daran (4), in der Schweiz treten laut Sentinelladaten etwa 17 000 Fälle/Jahr auf, zwei Drittel der Betroffenen sind > 50 Jahre alt (5). Die Häufigkeit und der Schweregrad nehmen mit dem Alter und einem geschwäch-
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ten Immunstatus zu. Darüber hinaus besteht ein Risiko für postherpetische Neuralgie. Herpes zoster beginnt mit Brennen oder Schmerz und erythematösem, makulopapulärem Hautausschlag, einseitig auf 1 bis 3 angrenzenden Dermatomen des befallenen Nervensegments. Die Krankheitsdauer beträgt einige Tage bis mehrere Wochen. Typisch sind eine thorakale, zervikale oder ophtalmologische Lokalisation. Die Vesikel enthalten Viren und sind damit ansteckend. Um eine Übertragung auf noch nicht immune Personen zu verhindern, sollten die Läsionen entsprechend abgedeckt werden, bis sie nach 2 bis 4 Wochen verkrustet seien, rät Berger. Treten Läsionen an Nasenspitze oder Nasenflügel auf, sind das Zeichen einer Beteiligung des nasoziliaren Astes des Trigeminus-V1-Nervs. Dieser innerviert auch die Cornea. Aufgrund eines möglichen Befalls der Cornea sollten diese Patienten zum Ophtalmologen überwiesen werden, so Bergers Rat. Ein Zoster ophtalmicus tritt bei etwa 15 Prozent der Patienten auf und hinterlässt häufig okuläre Schäden, wenn keine Behandlung erfolgt. Nach Abheilung aller Läsionen kann der Schmerz allerdings persistieren. Er kann von milder bis invalidisierender Ausprägung sein und 30 bis 90 Tage andauern, mitunter auch chronifizieren. Risikofaktoren für eine postherpetische Neuralgie sind ein Alter ≥ 50 Jahre, Immunsuppression (v. a . Stammzelltransplantation, Januskinasehemmer) und ein schwerer Zosterverlauf. Die Behandlung des Schmerzes erfolgt mit Analgetika sowie, wenn nötig, zusätzlich mit den Antikonvulsiva Gabapentin oder Pregabalin, die ebenfalls analgetische Eigenschaften besitzen und bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden.
Antivirale Zosterbehandlung je nach Ausprägung
Bei Patienten ohne Immunsuppression, jünger als 50 Jahre und ohne Augen- beziehungsweise Gesichtsbefall wird eine Zostererkrankung symptomatisch behandelt. Aciclovir zur Verkürzung der Erkrankungsdauer kann gemäss Berger zusätzlich eingesetzt werden. Bei Patienten mit Immunsuppression, schwerem Ausschlag an mehreren Dermatomen, mit Augen- oder Gesichtsbefall oder Alter ≥ 50 Jahre ist eine orale Therapie mit Valaciclovir (3-mal 1 g, 5–7 Tage) angezeigt, bei Hochrisikopatienten und bei neurologischen Komplikationen sollte das Virustatikum intravenös verabreicht werden. Der Einsatz von Kortison ist nicht empfohlen, da keine Evidenz für einen Nutzen bei einer Neuropathie besteht.
Herpes-zoster-Prävention: mehr Möglichkeiten
Derzeit sind 2 Impfungen zur Prävention der Zostererkrankung zugelassen (6). Vorteil des älteren Lebendimpfstoffs (Zostavax®) ist die 1-malige subkutane Impfung in den Oberarm, Nachteil ist jedoch der im Vergleich zu Plazebo begrenzte Impfschutz von 51 Prozent gegen eine Zostererkrankung und von 66 Prozent gegen eine postherpetische Neuropathie (7). Bei immunsupprimierten Personen könne dieser Lebendimpfstoff mitunter eine Impfkrankheit auslösen, weshalb dieser Impfstoff nur noch bei Personen (65–79 Jahre) ohne Immundefizienz empfohlen sei, so Berger (7). Der im letzten Jahr in der Schweiz neu zugelassene Impfstoff Shingrix® ist dagegen ein Totimpfstoff. Aufgrund seiner Adjuvantierung rufe er eine solide humorale und zellvermittelte
Immunität hervor, so Berger. Die Wirksamkeit des Impfstoffs
gegen Herpes zoster lag in grossen Studien bei ≥ 50-Jährigen
bei 97 Prozent, bei ≥ 70-Jährigen bei 91 Prozent gegen Her-
pes zoster und bei 89 Prozent gegen die postherpetische Neu-
ropathie (8). Der Totimpfstoff ist laut Berger sehr reaktogen,
74 Prozent der Teilnehmer berichteten über Lokalreaktionen
(69% Schmerz, 39% Rötung, 23% Schwellung). Mit der
Zeit sinkt die Langzeitschutzwirkung. Während jene von
Zostavax® nach 4 Jahren von 69 auf 35 Prozent fällt (9), ist
die Reduktion bei Shingrix® von 98 auf 88 Prozent geringer
(10). Eine Studie untersuchte die Immunantwort des Tot-
impfstoffs nach 10 Jahren und zeigte, dass nach 10 Jahren
noch immer ein 6-fach höherer Antikörpertiter und eine
3,5-mal höhere T-Zell-Antwort vorlagen, das im Vergleich zu
den Werten vor der Impfung (11).
Die Schutzwirkung beträgt gemäss vorläufigen Ergebnissen
eines noch laufenden Follow-ups nach 7,1 Jahren 90,9 Pro-
zent (7).
Aus diesen Gründen empfiehlt die EKIF den Totimpfstoff
Shingrix® als ergänzende Impfung für alle immunkompeten-
ten Personen ab 65 Jahren. Bei Personen mit leichtem Risiko
gilt die Empfehlung ab 50 Jahren. Dazu gehören beispiels-
weise Personen mit HIV, onkologischer Therapie, Nieren-
erkrankung, unter Biologika, Azathioprin, tief dosiertem
Methotrexat oder tief dosierter Kortikosteroiderhaltungs-
therapie und ebenso Patienten mit Grunderkrankungen, die
die Immunität beeinträchtigen, wie beispielsweise rheumato-
ider Arthritis, Asthma und chronisch entzündlicher Lungen-
erkrankung, Typ-1-Diabetes und weiteren Autoimmuner-
krankungen. Patienten mit hohem Risiko, das heisst mit einer
schweren Immunschwäche oder einer immunsuppressiven
Therapie, sollen bereits ab einem Alter von 18 Jahren geimpft
werden (7).
s
Valérie Herzog
Quelle: «Herpes zoster Infektion und Impfung», FOMF Allgemeine Innere Medizin, 25. bis 29. Januar, in Basel.
Referenzen: 1. Gershon AA et al.: Varicella zoster virus infection. Nat Rev Dis Primers.
2015;1:15016. 2. Chaves SS et al.: Varicella disease among vaccinated persons: clinical and
epidemiological characteristics, 1997–2005. J Infect Dis. 2008;197 Suppl 2:S127-S131. 3. Levin MJ et al.: Varicella zoster immune globulin (VARIZIG) administration up to 10 days after varicella exposure in pregnant women, immunocompromised participants, and infants: Varicella outcomes and safety results from a large, open-label, expanded-access program. PLoS One. 2019;14(7):e0217749. 4. Centers for Disease Control and Prevention. Shingles (Herpes Zoster): Shingles Burden and Trends [https://www.cdc.gov/shingles/ surveillance. html]. Atlanta; 2021. Available from: https://www.cdc.gov/ shingles/surveillance.html. 5. Bundesamt für Gesundheitswesen: Impfung gegen Herpes zoster: keine Aufnahme in den Schweizerischen Impfplan. Bull BAG. 2010(6):97. 6. Schweizerischer Impfplan 2021. www.bag.admin.ch/impfplan. Letzter Abruf: 2.2.22. 7. Neue Empfehlungen zur Impfung gegen Herpes zoster: Impfstoff Shingrix®. BAG-Bulletin 47, 22. 11. 2021. 8. Cunningham AL et al.: Efficacy of the herpes zoster subunit vaccine in adults 70 years of age or older. N Engl J Med. 2016;375(11):1019-1032. 9. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 36, 7.9.2017. 10. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 50, 13.12.2018. 11. Hastie A et al.: Immunogenicity of the adjuvanted recombinant zoster vaccine: persistence and anamnestic response to additional doses administered 10years after primaryvaccination. J Infect Dis. 2021;224(12):2025– 2034.
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